Die Mitbestimmung der Profession Pflege im Gemeinsamen-Bundesausschuss (G-BA) ist sowohl für den Deutschen Pflegerat (DPR) als auch die Bundesregierung eine logische Konsequenz, um dem Berufsstand mehr Gehör und Mitsprache in der Pflegepolitik zu verschaffen. Der G-BA-Vorsitzende Josef Hecken allerdings verwunderte in der Vorwoche während des Gesundheitskongresses des Westens mit seinen Aussagen, das Gremium könne dadurch "verwässert" und zu einer "Schülermitverwaltung" werden.
G-BA-Chef spricht von "Schülermitverwaltung"
Je größer die Zahl der Beteiligten sei, umso schwieriger werde es, zu einvernehmlichen Entscheidungen zu kommen, zitierte die Ärztezeitung Hecken. Außerdem habe der DPR ein Mitberatungsrecht – wenn auch kein Stimmrecht.
Zwar befürworte Hecken eine stärkere Beteiligung weiterer Akteurinnen und Akteure. Dabei sei aber sorgfältig zu differenzieren, welcher Verband konkret das Mitberatungsrecht ausfülle. Das müssten die Vertretenden der Pflege und der anderen Organisationen erklären. Aus Sicht von Hecken sollten diese Gruppen in die Beratungen des G-BA einbezogen werden und sich auch im Plenum zu Wort melden können. Hecken betonte jedoch:
"Ich würde ihnen als Gesetzgeber aber auf keinen Fall ein Stimmrecht einräumen."
Die Pflegeprofession wehrt sich gegen diese "Form der Diskriminierung und Herabsetzung". Heckens Aussagen seien nicht hinzunehmen, betonte DPR-Präsidentin Christine Vogler am Montag.
DPR wirft Hecken Diskriminierung und Herabsetzung vor
Pflegende stellten im Gesundheitssystem die größte Berufsgruppe. Sie seien im Krankenhaus, in der ambulanten Pflege und den stationären Langzeiteinrichtungen unersetzlich. Nicht nur an der Größe des Berufsstands, sondern auch gemessen an der inzwischen diversifizierten Versorgungslandschaft, übernehme die Profession Pflege den größten Anteil daran, dass Menschen mit Pflege- und Hilfebedarf genesen könnten. Sich hier auf die ärztliche Versorgung zu konzentrieren, greife zu kurz und missachte „um ein Vielfaches“ den gesetzlichen Anspruch auf eine gute gesundheitsbezogene Versorgung.
Die Aufnahme der Profession Pflege in den G-BA entspreche genau diesem gesetzlichen Anspruch.
Mit Einbindung der pflegerischen Kompetenz in seine Entscheidungen, könne der G-BA nur gewinnen, äußerte sich Vogler überzeugt. Das Gremium werde damit nicht zu groß. Vielmehr sei zu hinterfragen, wie Stimmrechtsbeteiligungen in der Gremienarbeit künftig anders strukturiert, organisiert und ausgeübt werden könnten.
Vollwertiges Stimmrecht für Profession Pflege im G-BA gefordert
Die fehlende systemische Einbindung des Berufsstands führe seit Langem schon zu Versorgungsdefiziten in allen Pflegesettings.
Vogler konkretisierte:
"Die Profession Pflege benötigt ein vollwertiges Stimm- und Antragsrecht. Der Verweis auf bestehende Mitwirkungsmöglichkeiten greift zu kurz. Nur stimmlose Beratung reicht nicht aus – Pflege muss sich einbringen und mitentscheiden können."
Vogler hatte die Arbeit des G-BA erst Ende April scharf kritisiert und ihm vorgeworfen, in die Berufsausübung der Profession Pflege einzugreifen.
Landespflegerat fordert Diskurs auf Augenhöhe
Auch die Vorsitzende der Landespflegerats Baden-Württemberg, Susanne Scheck, fand am Montag deutliche Worte zu den Aussagen des G-BA-Vorsitzenden. Sie seien "ein Schlag ins Gesicht aller Pflegenden, die sich seit Jahrzehnten für mehr Mitsprache und Mitbeteiligung" einsetzten.
"Es zeigt wieder einmal in aller Klarheit, wie Pflege wahrgenommen wird: Wir haben stillschweigend die Entscheidungen auszuführen, die uns andere auferlegen. Genug ist genug! Wir sind keine 'Schülermitverwaltung'. Die Pflege ist eine eigene Profession mit fundierten wissenschaftlichen Fachkenntnissen. Wir erwarten einen Diskurs auf Augenhöhe."