Für zunächst drei Jahre erhält der Deutsche Pflegerat (DPR) finanzielle Unterstützung vom Bundesgesundheitsministerium – ein Novum. Doch um langfristig gute Arbeit für die Profession Pflege leisten zu können, ist weit mehr nötig, sagen die Präsidentin und die Geschäftsführerin des DPR, Christine Vogler und Christine Denk. Sie geben Einblicke in die Arbeit des Gremiums und erläutern, vor welchen Herausforderungen sie stehen.
Ohne Moos nix los – dieses flapsige Sprichwort trifft im Kern ein Grundproblem der Profession Pflege: Denn fehlt die Finanzierung, fehlen die Mittel, um im Sinne der Berufsgruppe wirklich etwas bewegen zu können. Bislang findet pflegepolitisches Engagement oft – anders als beispielsweise in der Ärzteschaft – ehrenamtlich statt. Wer sich für die Pflege einsetzt, macht das nicht selten in seiner Freizeit und zusätzlich zu seinem eigentlichen (Fulltime-)Job.
Die Präsidentin des Deutschen Pflegerats (DPR), Christine Vogler, betont:
"Für den DPR zu arbeiten, bedeutet bislang ausschließlich ehrenamtlich zu arbeiten."
Zwangsläufig bleibt dann nicht mehr allzu viel Zeit, um für Handlungsautonomie oder bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege zu kämpfen, geschweige denn Zeit, um sich in komplexe pflegepolitische Themen einzuarbeiten. Gleichzeitig ist aber genau das wichtig, damit sich die Pflegeprofession selbstbewusst weiterentwickeln kann.
Engagement für die Pflege als Hobby
Dieses Dilemma kennt der DPR nur zu gut. Seit nunmehr 25 Jahren will der Dachverband der 18 bedeutendsten Pflege- und Hebammenverbände in Deutschland die erforderlichen Rahmenbedingungen einer optimal auszuübenden Profession verbessern. Ihre pflegefachliche Expertise bringen die Mitglieder des DPR in den unterschiedlichsten Gremien und Ausschüssen auf Bundes- und Landesebene in Form von Stellungnahmen, Positionspapieren und Eckpunkten ein. So zum Beispiel beim Krankenhauspflegeentlastungsgesetz und Pflegepersonalbemessungsinstrument PPR 2.0, beim Pflegstudienstärkungsgesetz oder beim Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz.
Allerdings sagt Vogler:
"Die Meinung der Pflege wird bislang lediglich angehört. Wir dürfen unsere Position erläutern, sind aber in den entscheidenden Momenten nicht stimmberechtigt."
Dennoch habe der DPR bislang Debatten zum Qualitätsanspruch, zur Autonomie pflegefachlicher Arbeit oder zur Selbstverwaltung in der professionellen Pflege maßgeblich mit vorantreiben können. Nur dank des Engagements seiner Mitgliedsverbände sei dem DPR möglich, klar Stellung zu beziehen und eine starke Position zu vertreten. Die in den Mitgliedsverbänden erarbeiteten Entscheidungsvorlagen und Handlungsempfehlungen seien wesentlich, um die Interessen der Pflege auf politischer und gesellschaftlicher Ebene erfolgreich zu vertreten.
Vom Ehrenamt hin zur Professionalisierung
Allein mit den personellen wie finanziellen Ressourcen des DPR sei das nicht zu stemmen, verdeutlicht Vogler. Einnahmen über Mitgliedsbeiträge der Verbände und von Sponsoren "im geringfügigen Umfang" reichten nicht aus, um Personal aufzustocken und komplexe Pflegethemen intensiv zu analysieren sowie zu bewerten. Ziel sei aber, weg von der Ehrenamtsstruktur hin zu einer Professionalisierungsstruktur und einer Institutionalisierung zu gelangen.
Ein erster Schritt dahin ist die Finanzspritze aus dem Bundesgesundheitsministerium über das Förderprojekt "Stärkung des Deutschen Pflegerates zur Stärkung der Berufsgruppe der Pflegekräfte – StäBeP". Seit September 2021 und zunächst bis Ende 2025 fließen jährlich 900.000 Euro an den DPR, damit dieser seine Gremienarbeit aufbauen und vertiefen kann. Ein Novum, das der DPR zu schätzen weiß. Es sei ein wichtiges Signal und zeige, dass das Ministerium anfange, die Relevanz der Profession Pflege zu erkennen.
Evaluation des DPR
Aber es gibt einen Haken: Die laufende Legislaturperiode schwebt wie ein Damoklesschwert über dem Rat. Denn verbunden mit der Förderung sei auch eine verpflichtende und im Haushaltsgesetz festgeschriebene externe Evaluation der Arbeit des Gremiums, beschreibt Geschäftsführerin Christine Denk. Im Juni 2024 sollen bereits Ergebnisse vorliegen.
Der Deutsche Pflegerat
Der Deutsche Pflegerat (DPR) wurde 1998 als Verein und Dachverband der bedeutendsten Organisationen der Pflegepersonen und Hebammen gegründet. Zunächst gehörten ihm fünf Verbände an, mittlerweile ist die Zahl auf 18 gestiegen. Der DPR wirkt mit in Arbeitsgruppen des Gesundheitsministeriums, der Gesundheitsministerkonferenz, der Bundesärztekammer und in Gremien der Qualitätssicherung. Er bezieht schriftlich Stellung zu pflegerelevanten politischen Themen, nimmt an Anhörungen teil, hat ein Netzwerk zu Mitgliedern in Bundestag und Bundesrat aufgebaut und tauscht sich intensiv und regelmäßig mit Interessensverbänden aus.
Die Ergebnisse sollen der Bundesregierung als Entscheidungsgrundlage dienen, wie es in Zukunft mit dem DPR weitergeht.
Vogler und Denk sehen das Vorhaben kritisch: Im Grunde stecke der DPR noch mitten in der Aufbauphase und solle schon evaluiert werden. Allein die Verwaltung von Bundesgeldern sei langwierig und kompliziert. Zwar sei wichtig zu prüfen, wie das Geld investiert werde. Allerdings: In zwei Jahren könne nicht aufgeholt werden, was über 20 Jahre lang ignoriert worden sei.
Referenten für Analysen und Bewertungen Mangelware
Zudem: 900.000 Euro gemessen am Finanzvolumen des Gesundheitsmarkts und angesichts einer Profession mit über 1,4 Millionen Angehörigen seien "völlig unverhältnismäßig", betonen beide Frauen.
Bislang seien die Gelder genutzt worden, um eine Geschäftsstelle aufzubauen, fünf Referentinnen und eine Sekretärin einzustellen, zählt Geschäftsführerin Denk auf. Auch ihre Stelle finanziert sich über die Bundesmittel. Endlich sei in der Pflege Realität, was etwa bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft längst selbstverständlich sei:
"Dank der Referentinnen ist es uns jetzt erst möglich, Fachgruppen zu bestimmten, teilweise von der Politik vorgegebenen Themen aufzusetzen und in einer ganz neuen Tiefe zu bearbeiten."
Um die Profession Pflege adäquat auf Bundesebene vertreten zu können, seien allerdings mindestens 20 Referentinnen und Referenten nötig. "Und diese Forderung ist noch bescheiden", so Denk mit Blick auf ähnliche Interessensvertretungen anderer Berufe. Gerechnet mit einem jährlichen Bruttogehalt von 70.000 bis 80.000 Euro fielen damit allein gut 1,5 Millionen Euro Personalkosten an. In Summe seien drei bis vier Millionen Euro nötig für die Gremienarbeit des Pflegerats, rechnet Denk hoch.
Profession Pflege entsprechend ihrer Größe und Relevanz unterstützen
Insgesamt bewerten Vogler und Denk die finanzielle Unterstützung des Bundesgesundheitsministeriums als einen wichtigen Schritt zur Professionalisierung und Institutionalisierung der Pflegevertretung. Auch wenn ungewiss ist, wie sich mit der nächsten Regierung der Pflegerat weiterentwickelt, bleiben sie hartnäckig, um die Berufsgruppe der Pflegenden bestmöglich zu vertreten und die Rahmenbedingungen für eine optimale Ausübung der Pflegeprofession kontinuierlich zu verbessern. Nur mit ausreichender finanzieller Unterstützung und einer breiteren personellen Basis könne die Pflege ihre Handlungsmöglichkeiten weiter ausbauen und eine starke Stimme in der politischen und gesellschaftlichen Debatte übernehmen, argumentieren beide.