Seit Beginn der Corona-Pandemie im vergangenen Jahr hat Deutschland ca. 9.000 Pflegende verloren. Der Rückgang betreffe Krankenhäuser ebenso wie Altenpflegeeinrichtungen. Das haben am Dienstag zuerst die Zeitungen der Funke Mediengruppe berichtet unter Berufung auf bislang unveröffentlichte Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA), die die Linken-Bundestagsfraktion anfragte.
Vor der Pandemie stiegen die Beschäftigtenzahlen
Demnach ging die Zahl der Beschäftigten in der Pflege zwischen Anfang April und Ende Juli 2020 um mehr als 9.000 zurück – ein Rückgang um 0,5 %. Insgesamt waren somit in Deutschland zuletzt rd. 1,8 Mio. Menschen in der Pflege tätig. Vor der Pandemie waren die Beschäftigtenzahlen in der Pflegebranche dagegen leicht gestiegen.
Besonders von dem jüngsten Rückgang betroffen war dem Bericht zufolge die Gesundheits- und Krankenpflege in Kliniken.
9.009 Pflegefachpersonen weniger
Das Minus bei den Beschäftigtenzahlen habe in der ersten Hochphase der Corona-Krise bei 5.124 gelegen.
In der Altenpflege sei die Zahl der Beschäftigten im Zeitraum von Anfang April bis Ende Juli um 3.885 zurückgegangen – in Summe 9.009 Pflegende weniger.
Warnungen seit 10 Jahren ignoriert
Die bislang bekannten Daten der BA ließen noch nicht erkennen, ob die sinkende Zahl der professionell Pflegenden Renteneintritte als Ursache hätten oder die Arbeitsbelastungen der Pandemie, äußerte sich der Präsident des Deutschen Pflegerats (DPR), Franz Wagner, am Dienstagabend.
"Fakt ist jedoch, dass die Profession Pflege deutlich mehr Engagement von Seiten der Politik für eine bessere Personalausstattung in der Krankenhauspflege wie auch in der Langzeitpflege benötigt."
Bereits vor der Corona-Pandemie seien die professionell Pflegenden hohen Arbeitsbelastungen ausgesetzt gewesen, gibt Wagner zu bedenken.
"Der Ausstiegswunsch aus dem Beruf war bereits damals vor allem bei Pflegefachpersonen bekannt."
Die Corona-Krise habe weitere, "enorme physische und psychische Belastungen" in der Profession Pflege verursacht.
500.000 Pflegende gehen bis 2030 in Rente
Zudem würden seit mehr als 10 Jahren die Warnungen des DPR überhört, dass Pflege mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötige. Dies sei ein wesentlicher Aspekt, der maßgeblich darüber entscheide, ob die Profession im Beruf bleibe oder diesen Beruf überhaupt wähle.
Hinzukomme: In den nächsten 10–12 Jahre würden bundesweit 500.000 Pflegefachpersonen das Rentenalter erreichen, sagte Wagner weiter.
"Die Rezepte von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sind nicht wirksam."
Benötigt werde eine sofortige Umsetzung der Pflegepersonal-Regelung PPR 2.0 im Krankenhaus. In der vollstationären Langzeitpflege könne nicht weitere 4 Jahre Zeit vergehen, bis das dortige Personalbemessungsverfahren eingeführt sei. Die Zeitschiene der für die Langzeitpflege kürzlich vorgelegten Roadmap sei außerdem zu überarbeiten, so Wagners klare Forderungen.
In den vergangenen Wochen und Monaten haben sich bereits Berichte gehäuft, wonach immer mehr Pflegefachpersonen erwägen, ihren Job aufzugeben: So z. B. im Januar die Studie der Hochschule für Angewandte Wissenschaften, im Februar der Bericht der Pflegekammer Niedersachsen zur Lage der Pflegefachberufe und vor wenigen Wochen auch die eigenen Umfrageergebnisse des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) sieht indes keinen Grund zur Beunruhigung. Die Krankenhäuser hätten in den vergangenen 10 Jahren jährlich mehr Pflegepersonal eingestellt.
Auch die aktuellen BA-Daten zeigten einen Zuwachs von Juni 2019 bis Juni 2020.
DKG-Hauptgeschäftsführer, Georg Baum, verdeutlichte am Dienstag:
"Falls es tatsächlich in den Monaten April bis Juni 2020 zu einem Rückgang gekommen sein sollte, scheint dies kein Trend, sondern eher eine Momentaufnahme im Rekrutierungsprozess zu sein."
Jede Pflegefachperson werde den Krankenhäusern voll finanziert. Ein finanzielles Interesse für weniger Pflegepersonal in Kliniken existiere nicht.
"Der gemeldete Rückgang bewegt sich durchaus im Rahmen der vor allem altersbedingten Fluktuationen und kann auch mit Stellenbesetzungsproblemen unter Pandemiebedingungen erklärt werden."