Ein Drittel der Pflegefachpersonen erwägt, aus dem Pflegeberuf auszusteigen. Grund: Überlastung, mangelnde Schutzausrüstung, keine oder unsystematische Corona-Tests. Das hat eine bundesweite Umfrage des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK) ergeben, an der im Dezember 2020 rd. 3.600 Pflegende teilgenommen haben.
Die Ergebnisse liegen BR und Rheinischer Post exklusiv vor.
Corona-Tests weiterhin Mangelware
Entgegen den Ankündigungen der Politik sind demnach regelmäßige und kostenfreie Corona-Tests für Pflegende nach wie vor nicht Standard: Knapp 14 % der Befragten geben an, dass sie nicht getestet werden.
DBfK-Präsidentin Christel Bienstein bezeichnete das im BR am Freitag als "Drama".
Auch wird weniger als ein Drittel der Pflegefachpersonen auf Isolier- und Intensivstationen getestet.
Selbst unter Beschäftigten, die einer Risikogruppe angehören, geben nur 13 % an, die Möglichkeit zu haben, sich kostenlos testen zu lassen.
"Ohne konkrete Anzeichen für eine vorliegende Infektion sind kostenfreie Tests offenbar auch in der zweiten Welle Mangelware", schlussfolgert der DBfK.
Schutzmasken fehlen, Kittel und Handschuhe von schlechter Qualität
Im Vergleich zur ersten Pandemiewelle hat sich die Ausstattung mit Schutzausrüstung zwar im Durchschnitt verbessert, allerdings geben über 30 % an, bei ihnen fehlten v. a. Masken. Auch Schutzkittel und Handschuhe werden in der Umfrage als Mangelware oder als qualitativ schlecht bezeichnet. Einzelne Pflegende geben an, dass ihre Arbeitgeber Schutzausrüstung nur dank Spenden stellen könnten oder dass Kolleginnen und Kollegen selbst Material kaufen würden.
Im Zuge der Pandemie hat laut Umfrage ein Viertel der Teilnehmenden ein neues Einsatzgebiet zugewiesen bekommen, etliche arbeiteten auf Intensivstationen. Demnach fühlte sich keine der befragten Pflegenden gut eingearbeitet. 17 % erklärten, gar nicht eingearbeitet worden zu sein.
Kaum oder keine Einarbeitung in neue Aufgaben
Zu Unsicherheit und Überlastung komme zunehmend das Problem einer fehlenden Aufarbeitung hinzu, mahnte Bienstein im BR weiter:
"Die Kollegen fühlen sich mit der Aufarbeitung des Erlebten im Stich gelassen. Wir haben vielfach gehört, dass zum Beispiel Patienten allein verstorben sind. Das ist belastend."
Nur gut ein Drittel der Pflegefachpersonen kann auf psychosoziale Hilfsangebote zurückgreifen. In der Pandemiezeit ist die Zahl von Angeboten wie etwa Supervision laut DBfK sogar zurückgegangen. Laut Umfrage fehlt es Pflegenden an Zeit für solche Hilfsangebote, manche Arbeitgeber hätten kein Verständnis, andere lehnten sie aus Kostengründen ab.
30 % wollen Arbeitgeber wechseln
Angesichts der Arbeitsbedingungen zu Pandemiezeiten spielen einige Pflegende mit dem Gedanken, sich beruflich zu verändern. Etwas mehr als 30 % wollen den Arbeitgeber wechseln, ein Drittel erwägt, aus dem Pflegeberuf auszusteigen.
Wegen dieser Zahlen befürchtet Bienstein, dass der Pflexit weiter an Fahrt gewinnt:
"Viele Kollegen halten nur noch durch, weil sie in der Pandemie Patienten und Kollegen nicht im Stich lassen wollen."
Um eine weitere Abwanderung zumindest abzubremsen, forderte Bienstein die Politik auf, sich zunächst um Testlücken und fehlende Schutzausrüstung zu kümmern und langfristig die Arbeitsbedingungen wie auch die tarifliche Vergütung zu verbessern.
Anm. d. Red.:
In einer ersten Version dieser Meldung war fälschlicherweise von 70 % Pflegenden die Rede, die ihren Arbeitgeber wechseln wollen. Bitte entschulidgen Sie den Fehler. Wir haben ihn schnellstmöglichst korrigiert.