Ab September sollen die Mindestlöhne für Pflegepersonal in der Altenpflege "deutlich" steigen. Darauf hat sich die Pflegekommission nach Angaben von Bundesgesundheitsministerium und Bundesarbeitsministerium (BMAS) am Dienstag einstimmig geeinigt.
Nach Qualifikation gestaffelte Erhöhung in 3 Stufen
Bereits 2020 war von der vorherigen Pflegekommission eine Erhöhung des Pflegemindestlohns um bis zu 5,6 % zum 1. April 2022 beschlossen worden.
Der aktuelle Beschluss sieht nun weiterhin eine nach Qualifikation gestaffelte Erhöhung der Mindestentgelte in 3 Stufen vor.
- Pflegefachpersonen erhalten künftig mind. 18,25 Euro. Bei einer 39 Stunden Arbeitswoche entspricht das ca. 3.094,69 Euro monatlich.
- Der Mindestlohn für Hilfskräfte mit 1-jährigen Ausbildung soll stufenweise auf 15,25 Euro steigen. Das wären rd. 2.585,97 Euro monatlich.
- Hilfskräfte ohne Ausbildung sollen bis Dezember 2023 einen Mindestlohn von 14,15 Euro pro Stunde erhalten. Für sie wären das etwa 2.399,44 Euro pro Monat.
Darüber hinaus soll der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch (20 Werktage, soweit 5-Tage-Woche gilt) um weitere 7 (2022) bzw. 9 (2023) Tage ergänzt werden.
Der Beschluss gilt von Mai 2022 bis Ende Januar 2024. Die erste Erhöhungsstufe erfolgt zum 1. September dieses Jahres, die zweite im Mai 2023 und die dritte im Dezember 2023.
Heil zufrieden mit Beschlüssen der Pflegekommission
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte:
"Die deutlichen Lohnsteigerungen sind eine gute Nachricht für die Altenpflegerinnen und -pfleger in Deutschland, die jeden Tag anpacken und sich um die älteren und pflegebedürftigen Menschen in unserer Gesellschaft kümmern."
Die jetzige Entscheidung der Pflegekommission sowie die ab 1. September 2022 gesetzlich vorgeschriebene Entlohnung von Pflegenden mind. in Tarifhöhe seien wichtige Schritte, um die Arbeitsbedingungen spürbar zu verbessern.
"Diesen Weg werden wir weitergehen."
Während für diakonische Unternehmen und Einrichtungen die neuen Regelungen eigenen Angaben zufolge "nur geringe direkte Auswirkungen" haben, fürchten Arbeitgeberverbände weniger Investitionen in ihre Unternehmen.
Anhebung der Mindestlöhne nicht über die Pflegeversicherung gedeckt
Diakonie Deutschland, der Deutsche Evangelische Verband für Altenarbeit und Pflege sowie der Verband diakonischer Dienstgeber in Deutschland zahlten ihren Mitarbeitenden bereits Verdienste über dem vereinbarten Pflegemindestlohn, teilten die Verbände mit.
Der Arbeitgeberverband Pflege äußerte hingegen, er trage den Kompromiss der Pflegekommission zwar mit, jedoch "nicht aus voller Überzeugung". Die Kehrseite der Medaille sei, dass diese Anhebung nicht über die Pflegeversicherung gedeckt ist. Wegen der zusätzlichen Kosten würden Pflegeunternehmen weniger investieren können und müssten Pflegebedürftige sowie ihre Familien über höhere Eigenanteile für die Mehrausgaben aufkommen.
Der Präsident des Arbeitgeberverbands Pflege, Thomas Greiner, sagte:
"Wenn ab September 2022 zudem eine faktische Tarifpflicht in der Pflege gilt, werden die Kosten noch einmal steigen, in einigen Bundesländern deutlich. Wir müssen endlich darüber reden, wie wir die Pflege dauerhaft finanzieren, damit Pflegebedürftige und ihre Familien nicht in Existenznot getrieben werden."
Verdi: Steigender Pflegemindestlohn löst Grundproblem in der Altenpflege nicht
Die Gewerkschaft Verdi sieht mit den empfohlenen "beachtlichen Lohnsteigerungen" das Grundproblem in der Altenpflege nicht gelöst. Weder mache dieses Lohnniveau den Pflegeberuf attraktiv, noch werde dadurch das Abwandern von Pflegefachpersonen ins Krankenhaus gestoppt
Verdi-Bundesvorständin Sylvia Bühler sagte:
"Der Mindestlohn sorgt ausschließlich dafür, eine jahrelang praktizierte Ausbeutung vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vor allem bei kommerziellen Pflegekonzernen zu verhindern."
Trotz der Verbesserungen bleibe die Pflegekommission hinter den Regelungen des zwischen Verdi und Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche ausgehandelten Tarifvertrags Altenpflege zurück.
Politische Kehrtwende notwendig
Dessen Erstreckung auf die gesamte Branche war im vergangenen Jahr von Caritas und Diakonie abgelehnt worden.
Bühler:
"Damals wurde auch behauptet, der Tarifvertrag sei zu schlecht. Aber was jetzt auf dem Tisch liegt, zeigt, dass der Weg über den Tarifvertrag der bessere ist."
Um das Grundproblem an den Wurzeln zu packen, sei eine politische Kehrtwende notwendig. Die Altenpflege sei zum Tummelplatz für internationale Konzerne und Finanzinvestoren geworden, die nur auf das schnelle Geld aus seien. Das müsse aufhören.
"Altenpflege ist Daseinsvorsorge und muss dem wirtschaftlichen Wettbewerb und kommerzieller Gewinnmaximierung entzogen werden."
Ca. 1,2 Mio. Beschäftigte arbeiten nach BMAS-Angaben in Einrichtungen, die unter den Pflegemindestlohn fallen. Die aktuell gültige Pflegemindestlohn-Verordnung ist noch bis 30. April 2022 gültig. Derzeit liegen die Mindestlöhne bei 12 Euro für Pflegehilfskräfte, 12,50 Euro für qualifizierte Pflegehilfskräfte und 15 Euro für Pflegefachpersonen. Zum 1. April sollen sie noch einmal leicht steigen.
Die Ergebnisse aus der Pflegekommission sind Grundlage für eine Rechtsverordnung seitens des BMAS zur Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen in der Pflege, die dann ab Mai greift.