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Entwurf zum Pflegekompetenzgesetz

DPR-Chefin Vogler: "Das ist nur der Anfang"

Christine Vogler ist seit Juni 2021 Präsidentin des Deutschen Pflegerats. Hauptamtlich ist sie seit Januar 2020 Geschäftsführerin der BBG Berliner Bildungscampus für Gesundheitsberufe gGmbH. Zuvor leitete sie die Pflegeschulen des Wannsee-Schule e. V. (2004–2019) und den Fachbereich Pflegeausbildung des Vivantes-Instituts für berufliche Bildung (2002–2004). Ihre Ausbildung zur Pflegefachfrau schloss Vogler, Jahrgang 1969, 1992 am Krankenhaus Neukölln ab. Den berufsbegleitenden Diplom-Studiengang „Pflegepädagogik“ absolvierte sie von 1994 bis 2001 an der Humboldt- Universität Berlin.

Karl Lauterbach (SPD) hat Eckpunkte für ein Pflegekompetenzgesetz vorgestellt und erntet dafür Begeisterung. Im Interview erklärt die Chefin des Deutschen Pflegerats (DPR), Christine Vogler, warum der Entwurf wie ein Weihnachtsgeschenk für die Pflege ist und was nun ausformuliert werden muss.

Frau Volger, im Eckpunktepapier für ein Pflegekompetenzgesetz stehen viele Dinge, die der DPR fordert: Akademisierung der Pflege, Befugnisse für Diagnose und Therapie, Leitung von Gesundheitseinrichtungen. Ist das Papier ein echtes Weihnachtsgeschenk für die Pflege?
Je öfter wir es lesen, desto mehr wird es zu einem Weihnachtswunder. Das Besondere an dem Papier ist die Haltung des Gesetzgebers zur Pflege. Denn so wie hier ist die Pflege noch niemals in den Mittelpunkt gestellt worden. Das Zutrauen in unsere Kompetenzen ist bisher nie zurückgespielt worden. Pflege war Beiwerk. Mit diesem Entwurf erkennt das Bundesgesundheitsministerium die Profession Pflege als das an was sie ist: ein hochkompetenter Teil der Versorgung.

Perspektivisch sollen Pflegekräfte zusätzliche Befugnisse erhalten. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) nennt Ernährung, Wundbehandlung oder Demenz. Ist das die Dimension, in der auch Sie denken? 
Der Gesetzgeber hat die Module aufgegriffen, die es schon gibt. Im Spitzengespräch ist aber klar geworden, dass das nur der Anfang ist. Die Pflege soll in eine Handlungsautonomie kommen: vom Diagnostizieren übers Verordnen bis zur Betreuung. All das ist angedeutet worden. Jetzt gilt es diese Vorgaben in den nächsten Jahren auszuformulieren. 

Der Minister will das Berufsbild Pflege stärker akademisieren und die Advanced Practice Nurse nach internationalem Vorbild einführen. Was wird das für einen Effekt haben? 
Pflegekräfte mit Master können zum Beispiel eigenverantwortlich Leistungen häuslicher Krankenpflege verordnen beziehungsweise Pfleghilfsmittel oder aber auch komplexe Beratungs- und Aufklärungsbespräche führen. Die damit verbundene Ausweitung der Pflegekompetenzen hat aber auch den Effekt, dass Deutschland für Kollegen aus dem Ausland attraktiver wird. Viele Pflegekräfte haben bisher abgewunken nach dem Motto: "Mit dem, was ich kann, werde ich hier nicht gebraucht." Hochqualifizierte Pflegekräfte aus dem Ausland können in Zukunft hier auch eine Heimat finden. 

Pflegefachkräfte mit einem Master könnten neben der Verordnung von Hilfsmitteln künftig unter Umständen auch bestimmte Arzneimittel verordnen. Diese Arzneimittel sollen anhand einer Positivliste geprüft werden, so Lauterbach. Das Feststellen der Diagnose und das Ansetzen eines Medikamentes bleibe aber ärztliche Tätigkeit. Reicht Ihnen das?
Wir steigen erstmal mit Folgeverordnungen ein und schauen, wie sich das entwickelt.

Wird der Masterabschluss nicht überbetont – schließlich brauchen wir auch Pflegekräfte mit der dreijährigen Ausbildung? 
Es geht nicht nur um Akademisierung, sondern um alle Qualifikationsniveaus. Alle sollen mehr Befugnisse bekommen. Die ersten drei Punkte des Papiers beziehen sich explizit auf Kollegen mit dreijähriger Ausbildung. Wichtig ist für uns, dass die Pflegekarrierewege transparent und durchlässig gestalten werden. Das würde der Attraktivität des Pflegeberufs einen Riesenschub verleihen. Denn Pflegekräfte sind im Grunde treu. Keiner geht aus Versehen in die Pflege. Es ist eine bewusste Entscheidung – auch wenn man dem System den Rücken kehrt. Weiterentwicklungsmöglichkeiten und klare Perspektiven sind da Gold wert. Nun muss der Bund mit den Ländern dafür sorgen, dass einheitliche Bildungsstrukturen entstehen. 

In der Diskussion geht es nicht nur um das, was Pflegekräfte von Ärzten übernehmen dürfen, sondern auch darum, welche Befugnisse andere Gesundheitsberufe erhalten. Ist der Vorstoß von Karl Lauterbach in dieser Frage für Sie weitreichend genug?
Der Spielraum einzelner Professionen muss sich in Abstimmung mit anderen entwickeln. Berufe wie Physiotherapie oder Logopädie müssen auch mehr Kompetenzen erhalten, damit die Versorgung effektiv laufen kann. 

Karl Lauterbach bekräftigt, dass Pflegekräfte künftig kleine Krankenhäuser leiten dürfen. Die Idee stammt aus dem Entwurf zur Krankenhausreform. Sie wurde in den vergangenen Monaten allerdings verwässert – am Ende entscheidet das BMG mit den Ländern über diese Frage. Freut es Sie, dass der Minister den umstrittenen Punkt aufnimmt, oder fürchten Sie, es könnte nur ein Lippenbekenntnis bleiben? 
Ja, im Zuge der Reformdiskussion ist dieser Punkt leider verloren gegangen. Insofern begrüßen wir diese Ankündigung. Es ist die Chance der Pflege auf mehr Mitbestimmung im Versorgungsprozess. 

Im Papier erklärt das BMG, dass es eine berufsständische Vertretung der Profession Pflege auf Bundesebene schaffen will. Sie soll ähnlich wie die Bundesärztekammer (BÄK) Berufsverordnungen ausarbeitet. Wie soll das im Detail ablaufen? Soll die Pflegevertretung Teil einer Behörde werden?
Ja, das könnte eine Behörde sein, das müssen wir abwarten. Der Gesetzgeber schenkt dem DPR aber weiter das Vertrauen – auch das steht im Papier und das freut uns. Um auf den BÄK-Vergleich zu kommen: Wir vom DPR sehen uns als Platzhalter, bis die Länder endlich die Pflegekammern umsetzen. 

Der DPR bekommt derzeit vom Bund 900.000 Euro pro Jahr, um Strukturen aufzubauen. Was machen Sie mit dem Geld?
Wir bauen damit unsere Geschäftsstelle auf und beschäftigen dort derzeit fünf Referent:innen. Außerdem fließt ein Teil des Geldes in Öffentlichkeitsarbeit. Wir werden dabei parallel evaluiert, um sicherzustellen, ob wir das richtig machen. Wir sind dankbar und hoffen, dass die Finanzierung nach den angesetzten vier Jahren weitergeht. 

Im Eckpunktepapier steht auch, das die Pflege mittelfristig ein Stimmrecht im Gemeinsamen Bundesauschuss erhalten soll. Das ist eine Präzisierung der im Koalitionsvertrag versprochenen Aufwertung der Pflege. Richtig konkret ist es jedoch nicht – was ist Ihre konkrete Vorstellung vom Ausbau der Pflegevertretung in der Politik?
Was wir jetzt in den Händen halten, sind erstmal nur Eckpunkte. Wir freuen uns über jedes dieser Signale, aber wir sind nicht naiv. Jetzt geht es darum, jeden einzelnen Punkt aufzunehmen und im Gesetzgebungsprozess zu präzisieren. Das wird ein komplexer Weg. Auch intern gibt es einiges zu diskutieren, denn die Pflege ist eine riesige Berufsgruppe.

In der Pflege gibt es sehr akute Probleme – eines der größten ist der Fachkräftemangel. Was könnte ein Gesetz, wenn es 2024 kommt, kurzfristig ändern?
Alles, was wir jetzt aufsetzen, hilft nicht direkt in der aktuell prekären Situation. Die Weichenstellung ist auf die Zukunft gerichtet. Außerdem dürfen wir uns nicht der Illusion hingeben, dass diese Weichenstellung in einer Legislatur zu schaffen ist. Andere Länder haben dafür viele Jahre gebraucht. Allerdings könnte uns die Not in die Hände spielen und den ein oder anderen Prozess beschleunigen. 

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