Die Pflegenden in Schleswig-Holstein haben abgestimmt und sich deutlich gegen den Pflichtbeitrag und damit gegen die Pflegeberufekammer in ihrer jetzigen Form ausgesprochen. Bibliomed-pflege.de hat erste Reaktionen zusammengetragen.
Kammerpräsidentin Patricia Drube zeigte sich "geschockt und erschüttert". In der NDR-Sendung "Schleswig-Holstein 18:00 Uhr" sagte sie am Donnerstagabend:
"Ich habe nicht damit gerechnet, dass die Abstimmung in dem Maße gegen die Pflegeberufekammer ausfällt."
Die Abstimmung habe im Grunde die Frage abgehandelt, ob die Pflegenden zusätzlich Geld bezahlen wollten oder nicht. Idee, Sinn und Zweck einer Pflegeberufekammer an alle Mitglieder innerhalb kürzester Zeit zu kommunizieren sei ein "Ding der Unmöglichkeit", so Drube. Gewerkschaften hätten es in 30 Jahren nicht geschafft, die Situation der Pflegenden zu verbessern und die Pflegeberufekammer innerhalb von 3 Jahren auch nicht.
Am Donnerstag gab Drube das Abstimmungsergebnis bekannt. Die Mitglieder der Pflegeberufekammer hatten zuvor seit 15. Februar Gelegenheit gehabt, über deren Zukunft abzustimmen.
Kein Rückhalt für die Kammer
Es sei bedauerlich, dass die Selbstverwaltung in der Pflege so wenig Rückhalt unter den beruflich Pflegenden und auch in der Politik habe, sagte das Präsidiumsmitglied der Bundespflegekammer und der Präsident der Pflegekammer Rheinland-Pfalz, Markus Mai:
"Wir sind sehr enttäuscht, dass damit in Schleswig-Holstein bereits zum zweiten Mal eine Pflegekammer in Deutschland keine Chance erhalten hat, sich zu etablieren und ihre Arbeit aufzunehmen."
In den vergangenen Jahren habe die Kammer in Schleswig-Holstein wichtige Grundlagen für die Weiterentwicklung der Pflege geschaffen. Dazu gehörten der Entwurf einer Rahmenweiterbildungsordnung, die Schaffung eines Berufsregisters und die Grundlagen einer Berufsordnung und einer Delegationsnorm.
Die Bundespflegekammer setze weiterhin darauf, dass angesichts der Herausforderungen in der Pflege Pflegekammern in allen Bundesländern unverzichtbar sind. Die Politik sei weiterhin dringend aufgefordert, den Missständen in der Pflege zu begegnen und gemeinsam mit den Pflegefachpersonen Problemlösungen zu entwickeln.
Fatales Signal für die Pflege
Der Präsidenten des Deutschen Pflegerats (DPR), Franz Wagner, sieht in dem Votum ein fatales Signal für die Interessen der Berufsgruppe und eine große Hypothek für die Sicherung der pflegerischen Versorgung im Land. Er sagte:
"Das ist ein schwarzer Tag für die Profession Pflege."
Und weiter: "Die Befragung war absolut schwarz/weiß gestaltet. Es wurde leider nicht gefragt, was sich die Pflegefachpersonen, die gegen die Kammer gestimmt haben, als Lösung vorstellen. Von den Kammergegnern war diesbezüglich bisher auch nichts zu hören. Es ist relativ einfach gegen etwas zu sein. Was wir aber brauchen sind Lösungen."
Landesregierung und Landtag "müssen – falls sie die Kammer wirklich abschaffen sollten – Alternativen zur Lösung der immensen Herausforderungen in der Pflege finden."
Verfehlungen der Politik macht der Regionalverband Nordwest des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK) für das Abstimmungsergebnis verantwortlich. Deren Vorsitzender, Martin Dichter, erklärte:
"Die Politik ist ihrer Verantwortung nicht nachgekommen, für adäquate geschweige denn attraktive Arbeitsbedingungen für beruflich Pflegende zu sorgen."
Dieser fehlende Rückhalt sei genau "der Rückenwind für Abstimmungsergebnisse wie dieses".
Die stellvertretende Vorsitzende des DBfK Nordwest, Swantje Seismann-Petersen, fügte hinzu:
"Keine Kammer bedeutet keine systematische Einbeziehung der beruflich Pflegenden in alle relevanten Entscheidungen auf politischer Ebene."
„Historische Chance“ vertan
Als eine "absolute Katastrophe für die Profession" wertet der Bundesverband Pflegemanagement das Abstimmungsergebnis im Norden. Völlig unerwartet und nicht nachvollziehbar habe sich eine große Mehrheit der Pflegenden gegen die Fortführung der Pflegekammer ausgesprochen und setze damit ein mehr als fatales Signal für die Zukunft der Pflege. Der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Pflegemanagement, Peter Bechtel, mahnte:
"Das ist ein Tag, der für die Profession Pflege als absoluter Tiefpunkt in die Geschichte eingehen wird."
Es sei erschreckend dass die eigene Berufsgruppe offenbar nicht verstanden habe, welche Chance eine Kammer als eigenständige Berufsvertretung für die Zukunft eröffne. Eine "historische Chance" der Pflege "ihre Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen und verbindlich zu regeln", sei nun auf unbestimmte Zeit vertan.
Ferner kritisierte er Sinn und Art der Befragung: "Am Ende entsteht nicht nur in Schleswig-Holstein der Eindruck, dass nur lange und oft genug befragt werden muss, damit die Profession Pflege letztlich eine deutliche Ablehnung signalisiert." Es bleibe zu hoffen, dass dieses Desaster keine Signalwirkung für die Kammerbewegungen in den anderen Bundesländern haben wird.
Enttäuscht zeigte sich der Vorsitzende des BochumerBundes, Benjamin Jäger:
"Das Ergebnis über die Pflegekammer Schleswig-Holstein ist sicher nicht das, was wir uns erhofft haben."
Leider stehe der Pflegeberuf in einer Tradition der Bevormundung durch andere und habe nicht selten als politischer Spielball gedient. Nun seien diejenige gefordert, Lösungen zu liefern, "die seit Jahren destruktiv gegen die Kammern arbeiten. Hier schauen wir sehr genau hin, welche Lösungen geboten werden."
Auch die Ärztekammer Schleswig-Holstein bedauert, dass es in der Pflege zunächst keinen direkten Ansprechpartner mehr geben wird.
Kammergegner befürworten Abstimmungsergebnis
Die Kammergegner hingegen werteten das Wahlergebnis als Erfolg und als handlungsweisend. Die Politik sei nun aufgefordert, die Pflegeberufekammer abzuwickeln. Die Pflegenden in Schleswig-Holstein hätte nun "ihre Stimme erhoben und für das Aus der Kammer votiert", sagte der Landesvorsitzender des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), Mathias Steinbuck. Und weiter:
"Ein lebender Beweis dafür, dass mehr Bürokratie und Bevormundung die Probleme der Pflege nicht lösen."
Auch die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di Nord) zeigt sich erfreut vom Ausgang der Abstimmung. Die Pflege habe mit starker Stimme nein gesagt zu einer Pflichtkammer, die ohne ihre Mitsprache und Beteiligung verpflichtend für alle eingesetzt worden sei, erklärte der Landesfachbereichsleiter Gesundheit & Soziales, verdi Nord, Steffen Kühhirt:
"Deshalb ist das Votum ein klares Signal und eine gute Entscheidung für alle Pflegebeschäftigten."