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Stärkung des Pflegeberufs

"Der Pflegeberuf muss neben der ärztlichen Leitung weisungsfrei sein"

Frank Vilsmeier war von 2018 bis 2021 Vizepräsident der Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein und hat die Novellierung des Landeshochschulgesetzes mit vorangetrieben.

Der Deutsche Pflegerat hat sich Anfang Februar dafür ausgesprochen, Pflegefachpersonen fest in die Führungsetagen deutscher Krankenhäuser zu integrieren. Was auf Bundesebene noch viel Arbeit bedeutet, hat die einstige Pflegeberufekammer in Schleswig-Holstein erfolgreich umgesetzt: Seit 2021 ist dieses Ziel im Landeskrankenhausgesetz verankert. Wir sprachen mit dem damaligen Vizepräsidenten der Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein, Frank Vilsmeier, wie der Weg dahin gelang und was das für die Pflegenden im Land bedeutet.

Herr Vilsmeier, warum ist die Unabhängigkeit leitender Pflegefachperson in pflegerischen Angelegenheiten so wichtig?

Die Leitungsebenen im Krankenhaus sind in den Landeskrankenhausgesetzen unterschiedlich und häufig ohne Beteiligung des Pflegedienstes oder gar nicht geregelt. Klare gesetzliche Vorgabe zur Rolle des Pflegeberufs in der Krankenhausorganisation verhindern eine Leitungsstruktur nach Belieben des Krankenhausträgers oder ärztlicher Alleinstellungsansprüche. Der Pflegeberuf muss der ärztlichen und wirtschaftlichen Leitung gleichgestellt und neben der ärztlichen Leitung fachlich weisungsfrei sein. Diese beiden Unabhängigkeiten bewirken, dass der Pflegeberuf in der Institution Krankenhaus dienstlich und pflegefachlich eigenständig ist. Dadurch kann die pflegerische Versorgung der Patienten eigenverantwortlich und bedarfsorientiert gestaltet werden. Kaufmännische, ärztliche oder pflegerische Kompetenzen allein können eine erfolgreiche Krankenhausbehandlung nicht bestimmen. Monodisziplinäre Ausrichtungen von Entscheidungskompetenzen in Leitungsstrukturen gefährden eine umfassende wirtschaftliche, evidenzbasierte, leitliniengerechte und patientenorientierte Krankenhausbehandlung.

Wie wirkt sich eine solche Regelung auf die Entscheidungsprozesse in der medizinischen und pflegerischen Versorgung aus?

Der Pflegeberuf hat in Schleswig-Holstein eine gleichberechtigte und damit gleichwertige Stellung im Krankenhausmanagement, um die Organisation des Krankenhauses, die bedarfsgerechte Behandlung und die Verteilung der zur Verfügung stehenden Ressourcen aktiv mitzugestalten. Eine einseitige, den Pflegeberuf reglementierende oder berufsfremde Einflussnahme kann damit ausgeschlossen werden. Auf Abteilungs- und Stationsebene wird zudem die interprofessionelle Abstimmung mit der ärztlichen Leitung zur gemeinsamen Behandlung der Patienten gefördert.

Das Landeshochschulgesetz Schleswig-Holstein sichert der Pflege auch einen Sitz im Vorstand der Universitätsklinika. Was bedeutet das für die Pflegeberufe?

Der Pflegevorstand ist für alle pflegerischen Belange in der Patientenversorgung zuständig und verantwortlich. Wichtige Handlungsfelder sind die kontinuierliche Verbesserung der Qualität der Patientenversorgung, zum Beispiel durch die Generierung bedarfsgerechter, evidenzbasierter Versorgungskonzepte. Dazu gehören auch die Gesamtorganisation und die Personalentwicklung des Pflegedienstes. Er ist verantwortlich für die strategische Ausrichtung und Weiterentwicklung der Pflege, für die Gewährleistung der Pflegeprozessgestaltung, für die Sicherung der fachlichen Qualität sowie für die Wirtschaftlichkeit aller Pflegeleistungen. Herausragende Aufgabe ist die Förderung der akademischen Ausrichtung der Pflegeberufe sowie die Weiterentwicklung und Etablierung der Pflegewissenschaft an den medizinischen Fakultäten.

Wie ist es der Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein gelungen, Akzeptanz und Unterstützung für die Forderung nach Pflegefachpersonen in Führungspositionen zu gewinnen und waren die Verhandlungen schwierig?

Der enorme Widerstand einiger Krankenhausträger gegen die Einschränkung ihrer Organisationsfreiheit gipfelte in dem Versuch, den Verfassungsgerichtshof mit der Prüfung des Gesetzes zu beauftragen. Das Scheitern dieses Vorhabens konnte jedoch bereits im Vorfeld juristisch geklärt werden. Besonders wichtig war, dass wir im Rahmen der sehr guten Zusammenarbeit mit der Ärztekammer einen strategischen und fachlichen Konsens zu dieser gesetzlichen Regelung der Leitungsebenen gefunden haben. Ich bin davon überzeugt, dass wir uns ohne diesen Schulterschluss allein nur schwer hätten durchsetzen können.

Die Pflegeberufekammer gibt es seit Ende 2021 nicht mehr. Hat sich seitdem für beruflich Pflegende im Land etwas verändert? Wie zuversichtlich sind Sie, dass Pflege in Schleswig-Holstein trotzdem weiterentwickelt und Pflegefachpersonen gefördert werden?

Die Vertretung des Pflegeberufs im Land ist auf einen Stand weit vor der kurzen Legislaturperiode der Kammer zurückgefallen. Alle Ankündigungen, den Pflegeberuf politisch und fachlich anders vertreten zu können, sind nicht umgesetzt worden. Gesundheitspolitiker können sich wieder darauf zurückziehen, dass sich die Berufsangehörigen erst einigen müssen, bevor politisch gehandelt wird. Uneinigkeit verhindert also politisches Handeln. Viele berufspolitisch und fachlich sehr engagierte Kolleginnen haben sich frustriert aus dem aktiven ehrenamtlichen Engagement verabschiedet. Auch ich habe mich zurückgezogen und gehe nicht davon aus, dass in Schleswig-Holstein in den nächsten Jahren eine ähnlich maßgebliche Institution für den Pflegeberuf entstehen wird. In unserer föderalen Struktur bedarf es offensichtlich einer konzertierten politischen Entscheidung, dem Pflegeberuf eine gesetzlich verfasste heilberufliche Organisation zu geben, die seine Schlüsselrolle im Gesundheitssystem freiberuflich gestalten lässt und seinen Einfluss auf die pflegerische Gesundheitsversorgung der Bevölkerung verlässlich und verbindlich sichert.

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