Am Rande eines vom Bundesgesundheitsministerium organisierten Fachaustauschs mit Berufsverbänden zu den Eckpunkten des Pflegekompetenzgesetzes versprach der zuständige Minister Karl Lauterbach (SPD) am Mittwoch, dass das Gesetz noch vor der Sommerpause kommen werde. Der Bundesgesundheitsminister kündigte ein zweiteiliges Gesetz an:
- Der erste Teil umfasst die bereits bekannte Kompetenzerweiterung für examinierte Pflegefachpersonen bei Behandlungen wie Diabetes, Demenz oder der Wundheilung.
- Der zweite Teil soll den Bedarf in der Langzeitpflege adressieren.
Attraktivität des Pflegeberufs steigt
Im Vorfeld der Gespräche sagte Lauterbach, in Deutschland dürften Pflegekräfte weniger als in anderen Ländern. Das sei ein Problem. Das Pflegekompetenzgesetz solle Pflegende dazu befähigen, mehr selbstständig zu entscheiden, "sodass die Pflege künftig Aufgaben übernehmen kann, die bisher durch Ärzte übernommen werden".
Im Blick stehe auch, dass Pflegekräfte eigenständig Pflegegrade vergeben könnten.
Auf die Frage, wie die erweiterten Pflegekompetenzen angesichts des Fachkräftemangels in der Pflege umgesetzt werden könnten, verwies der Minister auf die steigende Attraktivität des Pflegeberufs. Durch die Reform würden mehr Menschen den Pflegeberuf ergreifen, außerdem würden Pflegekräfte dank der attraktiveren Arbeit im Beruf gehalten. Dass mit erweiterten Kompetenzen ein Haftungsproblem für Pflegekräfte entsteht, glaubt der Minister nicht.
"Wenn die Pflege mehr darf, haftet sie auch mehr. Aber ich gehe nicht davon aus, dass daraus viele Haftungsfälle entstehen."
DPR: "historischer Schritt" für die Pflege
Die Präsidentin des Deutschen Pflegerats (DPR), Christine Vogler, bezeichnete das geplante Gesetz als "historischen Schritt" für die Pflege, "weil wir dann das tun dürfen, was wir bereits können".
Die Studiengangsleiterin Master Advanced Nursing Practice und Sprecherin der Fachgruppe Pflegewissenschaft und -Praxis an der Evangelischen Hochschule Nürnberg, Susanne Schuster, sagte:
"Aus meiner Sicht stehen wir mit dem Pflegekompetenzgesetz an einem Scheideweg."
Akademische Pflege stärken statt Fokus auf Arztentlastung
Das Gesetz schreibe künftig Pflegefachpersonen dringend zu definierende Aufgaben- und Kompetenzprofile zu, die den Beruf perspektivisch attraktiver machten. Dabei stehe die Heilkundeübertragung im Fokus.
"Wir diskutieren, ob und welche Bereiche der Heilkunde an examinierte und akademisch ausgebildete Pflegefachpersonen abgegeben werden. Leider liegt die Motivation dabei zu stark auf einer Arztentlastung. Eine damit verbundene Professionalisierung der Pflege durch autonome Handlungsfelder muss stärker betont werden."
Das heiße, ein künftiges Gesetz schaffe unter anderem den Rahmen, dass Pflegefachpersonen nach Arztanordnung eigenständig heilkundliche Tätigkeiten übernähmen und Pflegehilfsmittel anordneten. Bei akademisch ausgebildeten Pflegefachpersonen auf Bachelor- und Masterniveau sei ein Schritt weiterzugehen. Es sei zu prüfen, ob nicht bestimmte Tätigkeitsfelder komplett in den Bereich der Pflege fielen und inwiefern es hier einer ärztlichen Anordnung bedürfe.
"Ich setze mich dafür ein, das Berufsbild der akademischen Pflege zu konkretisieren, damit Pflegefachpersonen mit abgestuften Kompetenzprofilen in den pflegerischen Einrichtungen wirken können. Die geplante Etablierung einer berufsständischen Vertretung auf Bundesebene ist ein zwingend notwendiger Schritt hierfür."
"Stambulante" Versorgungsform "ökonomisch" attraktiv
Bezüglich des zweiten Teils des Gesetzes sagte Lauterbach:
"Wir brauchen eine neue Form der Versorgung für Menschen, die in ihrer Wohnung verbleiben wollen, aber gepflegt werden müssen."
Für diese Menschen sei ein Pflegeheim noch nicht nötig, eine Pflegeresidenz biete hingegen zu wenig Pflege. Diese "stambulante" Versorgungsform, also eine Mischform aus ambulanter und stationärer Pflegeversorgung, könne ökonomisch attraktiv sein und beispielsweise von Pflegeresidenzen angeboten werden, so der Minister.
Update 21.03.2024
DBfK: Gesetz hat großes Potenzial
Für den Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) liegt das große Potenzial des Gesetzes in vier Kernthemen:
- Die Heilkundeausübung in den Bereichen Diabetes, Demenz und Wundversorgung mit der Verordnung von häuslicher Krankenpflege, Hilfs- und Heilmitteln sei überfällig. Weitere Module müssten folgen
- Die Übergabe der Pflegebegutachtung an die betreuenden Pflegefachpersonen lege richtigerweise die Verantwortung in die Hände der Profession. Es könnten dadurch doppelte Prozesse und ein erhebliches Maß an Bürokratie eingespart werden.
- Die Rollen, Kompetenzen und Stellen für akademisch ausgebildete Pflegefachpersonen wie Advanced Practice Nurses oder Community Health Nurses sei auf- und auszubauen. Die Verschiebung dieser wichtigen Maßnahme zur Sicherung der Versorgungsqualität auf einen späteren Zeitpunkt sei kritisch.
- Nötig sei eine Lösung für die berufsständische Vertretung der Profession, damit Pflege als größte Berufsgruppe im Gesundheitssystem mitbestimmen und -gestalten könne.
DBfK-Bundesgeschäftsführerin, Bernadette Klapper, resümmierte zum Fachgespräch:
"Wir sind auf einem guten Weg, das Potenzial der Pflegekompetenzen zu nutzen. Das (Gesetz) ist richtig, um die Versorgung zu verbessern und die Profession zu stärken. Entsprechend viel Zustimmung war unter den Teilnehmer:innen wahrzunehmen. Allerdings folgten die Diskussionen zu einzelnen Eckpunkten des Gesetzes noch zu sehr den althergebrachten Strukturen oder verloren sich in Details."