Zu den rasant steigenden Energie- und Lebensmittelkosten kommen für Pflegebedürftige seit 1. September zusätzlich höhere Eigenanteile aufgrund der Tariftreueregelung. Mehrkosten dürften jedoch nicht auf die Pflegebedürftigen umgelegt werden, kritisierte die Präsidentin des Deutschen Pflegerats (DPR), Christine Vogler. Deshalb sei die Finanzierung der Pflege neu zu organisieren, sagte sie am Donnerstag im Interview mit "rbb 24 Inforadio".
Sozialsystem nicht mehr zeitgemäß
Das aktuelle Sozialsystem sei nicht mehr zeitgemäß. Stattdessen müsse über eine Deckelung der Kosten gesprochen werden, so Vogler. Diese sollte sich u. a. an den Renten der Heimbewohnenden orientieren.
Künftig hält Vogler aber auch eine Finanzierung der Pflege aus Steuern für sinnvoll bzw. unausweichlich:
"Wir werden in Zukunft an Steuerfinanzierung von pflegerischer Versorgung nicht mehr vorbeikommen."
Andernfalls gehe die finanzielle Belastung zulasten der Bewohnenden in Pflegeheimen – und diese Kostenübernahme sei eine "soziale Ungerechtigkeit".
Arbeitszeitverdichtungen in der ambulanten Pflege befürchtet
In der ambulanten Pflege würden dann Arbeitszeitverdichtungen wahrscheinlicher. Die Grundpflege müsse z. B. in 18 Minuten statt wie bisher in 24 Minuten erfolgen. Aber das sei ein Effekt, den niemand wolle.
Zwar habe der Bund Mittel zur Gegenfinanzierung der Löhne auf Tarifniveau in der Altenpflege bereitgestellt. Doch eine vollumfängliche Refinanzierung über Pflege- und Krankenkassen erfolge nicht, kritisierte Vogler weiter. Die finanzielle Belastung gehe hin zu den Bewohnerinnen, Bewohnern, Patientinnen und Patienten, die finanzielle Eigenanteile von geschätzten 200 bis 600 Euro pro Monat selbst zu tragen hätten.
Aufgrund der sich massiv erhöhenden finanziellen Eigenanteile befürchtet die DPR-Präsidentin zudem das Entstehen eines "moralischen Drucks auf die Pflegenden".
"Das ist kein schönes gesellschaftliches soziales Miteinander, wenn Löhne auf die Preise umgeschlagen werden und Pflegende denken, ich bin schuld."