Die Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB) hat die Politik aufgefordert, "unverzüglich" vorbereitende Maßnahmen für alle im Gesundheitssystem Tätigen zu ergreifen, um besser für eine potenzielle zweite Corona-Infektionswelle gewappnet zu sein.
"Wir erwarten klare Konzepte, die auch geeignet sind, weitere Belastungen für die beruflich Pflegenden zu verhindern und die Risiken für das gesamte medizinische Personal zu reduzieren", sagte VdPB-Präsident Georg Sigl-Lehner am Donnerstag.
Massive Überlastungserscheinungen beim Personal
Obwohl die befürchtete Überlastung der intensivmedizinischen Versorgung bislang ausgeblieben sei, hätten Kolleginnen und Kollegen in der Akutpflege vielerorts über ihr Belastungs-Limit gehen müssen, um die Folgen der Pandemie aufzufangen. Auch in der Langzeitpflege zeigten sich jetzt im Personalbereich massive Überlastungserscheinungen, u. a. weil Schutzmaßnahmen wie Besuchsverbote und Quarantäneauflagen die durch den Personalmangel ohnehin angespannte Situation zusätzlich verschärft hätten.
Pflegende fühlen sich "verheizt"
"Der eklatante Mangel an Schutzausrüstung hat in allen Bereichen, stationär wie ambulant, für eine enorme Verunsicherung gesorgt und dazu beigetragen, die Infektionszahlen in der Pflege in die Höhe zu treiben", so Sigl-Lehner weiter. "In der Summe hat das zu einer großen Unzufriedenheit in der Berufsgruppe geführt, viele fühlen sich verheizt und vor allem von der Politik allein gelassen, zumal es außer Beifall vom Balkon nur wenig bis gar keine Anerkennung gab."
Bislang lasse die Politik die Bereitschaft vermissen, aus den bisherigen Erfahrungen notwendige Konsequenzen zu ziehen. Zwar gelten ab 1. August wieder Pflegepersonaluntergrenzen auf Intensivstationen und in der Geriatrie. Von fundierten und am Bedarf orientierten Personalbemessungsinstrumenten sei man jedoch noch weit entfernt.
Schlechten Arbeitsbedingungen kaum noch Thema
Die Arbeitsbedingungen, die sich in der Corona-Krise weiter massiv verschlechtert hätten, würden kaum noch thematisiert, warnte der VdPB-Präsident.
"Bei vielen Kolleginnen und Kollegen ist schon lange der Eindruck entstanden, dass es gar keinen echten Willen zu fundamentalen Veränderungen gibt." Auch die Zahlung von Corona-Boni, die nicht einmal die gesamte Berufsgruppe erreicht hat, entspräche nicht der Anerkennung, die Pflegende erwarteten.
Noch einmal werden Pflegende nicht die Hauptlast schultern
"Bei einer drohenden zweiten Infektionswelle ist nicht damit zu rechnen, dass sie unter diesen Umständen noch einmal die Hauptlast schultern werden", prophezeite Sigl-Lehner.
In Israel hat der erneute Anstieg der Infektionen zu einem Pflegestreik geführt.
"Applaus aus den Parlamenten wird eine solche Reaktion in Deutschland womöglich nicht verhindern. Darum ist eine entsprechende Vorbereitung auf eine zweite Infektionswelle und Berücksichtigung der berechtigten Anliegen beruflich Pflegender unerlässlich", forderte der VdPB-Präsident ausdrücklich.