Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) präsentierte sich verständnisvoll und fürsorglich in seinem Grußwort zum Auftakt des Deutschen Pflegetags am Donnerstag in Berlin. Er wisse, wie schwer und gleichzeitig wichtig die Arbeit in der Pflege sei. Pflege sei ein unterbezahlter Beruf mit viel Reformbedarf, gleichzeitig aber auch ein sehr respektierter und anerkannter Beruf.
Gesundheitsminister präsentiert sich verständnisvoll und fürsorglich
Unstrittig sei, dass die Arbeitsbedingungen noch nicht so gut seien, wie Pflege unter guten Bedingungen erbracht werden könnte. Pflege müsse ein Beruf sein, der gut bezahlt und bis zur Rente ausgeübt werden könne.
Der Berufsgesundheits-Index – gemeinsam erstellt von Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) und Deutscher Rentenversicherung Bund – zeigt jedoch: Die Wahrscheinlichkeit eines Antrags auf Erwerbsminderungsrente ist in der Altenpflege 1,9-mal höher, in der Gesundheits- und Krankenpflege sogar 2,4-mal höher als im Durchschnitt aller Beschäftigten. Auch die Krankheitstage liegen mit 27,5 bzw. 24 pro Pflegefachperson und Jahr weit über dem Durchschnitt.
Entlastung der Pflege ein eigenes, wichtiges Ziel für Lauterbach
Pflege dürfe nicht krank machen, betonte Lauterbach und versprach Besserung, denn:
"Das Gesundheitssystem kann maximal so gut sein, wie die Pflege, die es trägt."
Das Thema Pflege sei ein zentraler Baustein für ihn während seiner Legislatur, gab sich Lauterbach kämpferisch und betonte, im Rahmen der Krankenhausreform sei die Entlastung der Pflege ein eigenes, wichtiges Ziel. Viel stehe noch auf seiner Agenda. U. a. wolle er dafür sorgen, dass
- der versprochene Pflegebonus tatsächlich bei allen berechtigten Pflegenden ankommt.
- mehr ehemalige Pflegende zurück in ihren Beruf kommen.
- die Löhne in der Langzeitpflege auf dem gleichen Niveau liegen wie in Kliniken – die hier aktuell hohen Unterschiede seien "überhaupt nicht begründbar".
- mehr Karrieremöglichkeiten für Pflegende möglich sind und die Akademisierung als wichtiger Schritt für die Professionalisierung der Pflege voranschreitet.
- ein eigenes Gesetz zur Entbürokratisierung in der Langzeitpflege und der Pflege im Krankenhaus auf den Weg gebracht wird.
- Sich die stationäre Pflege mehr in den ambulanten Bereich verlagert.
Letztgenannter Punkt sei mitentscheidend, um die Pflege zu entlasten. Verglichen mit europäischen Nachbarländern weise Deutschland 50 % mehr stationäre Fälle auf. Diese Zahl wolle er z. B. mit den geplanten Gesundheitskiosken oder Tagesbehandlungen reduzieren.
Die so freigesetzten Pflegenden könnten wiederum der Pflegepersonalbemessung im Rahmen der PPR 2.0 zugutekommen.
Lauterbach sucht Schulterschluss mit Pflege
Die genannten Punkte will Lauterbach aber nicht allein angehen:
"Wir wollen die Probleme gemeinsam mit der Pflege lösen."
Mit Blick auf den viel kritisierten Entwurf für die Pflegepersonalregelung PPR 2.0 betonte Lauterbach diplomatisch, er schärfe gern nach, wenn das der Wunsch der Pflege sei.
Der Idee, dass Pflege wieder zurück in die Fallpauschalen fallen könnte, erteilte Lauterbach eine klare Absage.
Vogler: Handlungsautonomie für die Profession Pflege
In ihrer anschließenden berufspolitischen Rede betonte die Präsidentin des Deutschen Pflegerats (DPR), Christine Vogler, Pflege brauche keine Trostpflaster, sondern Gesetze, um mehr Handlungsautonomie zu erlangen.
Mit Blick auf die PPR 2.0 forderte Vogler, nötig sei v. a. Wissen darum, wie viel Personal zur pflegerischen Versorgung benötigt werde. Arbeitszufriedenheit komme dann zustande, wenn Pflegende ihren Beruf ausüben könnten.
Pflege zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Im Alltag seien Verletzungen des pflegerischen Anspruchs allerdings zur Normalität geworden und Pflegende lernten gar, Verletzungen des Gebotenen als normal anzusehen. Pflegende wollten aber grundsätzlich an dem Anspruch der eigenen Profession festhalten. Das führe zu enormem moralischem und ethischem Stress.
Hinzukomme: Die Strategien, die Pflegende sich aneigneten, um das auszuhalten, stabilisierten gleichzeitig die bestehenden Verhältnisse.
"Sich ständig unter Niveau anpassen zu müssen und gespiegelt zu bekommen, dass angemessene pflegerische Arbeit im System keinen Stellenwert hat, ist zerstörend."
Diese pflegerische Herabsetzung gelte es, mit einem definierten Personalbedarf zunächst einmal überhaupt wahrnehmbar zu machen.
"Das wäre das erste Mal, dass Pflege angemessen anerkannt und eingefordert werden würde. Darum geht es."
Die Diskussionen und Vorgänge um die PPR 2.0 zeigten allerdings, wie Pflege im System "abserviert" werde. Der Entwurf dazu sei "völlig unzureichend".
Ignoranz der Politik grenzt an "Irrsinn, Vorsatz oder Desinteresse"
Die Kritikpunkte und Einwände aus der Pflege zu übersehen, grenze an "Irrsinn, Vorsatz oder Desinteresse".
Grundsätzlich seien partizipative Verfahren, wie die Stellungnahmen zum Entwurf der PPR 2.0, keine Methoden, die ein "Gefühl der Beteiligung" vermittelten. Vielmehr müssten dies Verfahren sein, in denen am Ende die Wissens- und Kompetenzbestände der Beteiligten zu verbesserten Bedingungen für die Versorgung führten.