4 zentrale Forderungen hatte die Präsidentin des Deutschen Pflegerats (DPR), Christine Vogler, zum Auftakt des Deutschen Pflegetags an die Bundesregierung mitgebracht:
- Pflege braucht mehr Befugnisse.
- Pflege braucht einen Weg zur Mündigkeit.
- Pflege braucht bessere Arbeitsbedingungen.
- Pflege braucht bundeseinheitliche Bildungsstrukturen.
Pflege zwischen Aufbruch und Abgrund
Denn die Pflege stehe am Scheideweg zwischen Aufbruch und Abgrund. Die Mahnungen der vergangenen Jahre hätten die Politik nicht dazu bewegen können, mutige Lösungen für die Pflege aufzuzeigen – also eine grundlegende Reform des Gesundheitssystems voranzubringen.
Die Pflege könne ihre Kompetenz und Professionalität derzeit nur eingeschränkt ausüben. Hier liege ein großes Potenzial brach. Vogler forderte auf der Pressekonferenz am Donnerstagmorgen in Berlin:
"Wir brauchen ein allgemeines Heilberufegesetz."
Der Koalitionsvertrag kündige ein solches Vorhaben bereits an. Das sei nun auch "sofort und konsequent" umzusetzen.
Es gehe darum, Versorgungswege zu kürzen sowie alle Gesundheits- und Pflegeberufe zu befähigen, unabhängig und selbstständig Pflege und Therapie auszuüben.
Gesetzgeber erkennt Pflegeexpertise nicht an
Das bedeute: Ausgebildete Pflegefachpersonen übernehmen die pflegerische Versorgung souverän, selbstständig und eigenverantwortlich. Sie könnten z. B. impfen, Heil- und Hilfsmittel sowie definierte Medikamente bei Erkältungen oder Schmerzen verschreiben bzw. empfehlen und Aufklärungsgespräche führen.
Das sei international längst Standard – hierzulande dürften diese Tätigkeiten jedoch nur Ärztinnen und Ärzte ausüben.
"Ein Allgemeines Heilberufegesetz würde die Pflegeberufe befähigen, eine qualitativ bessere Versorgung zu sichern. Die Attraktivität und Wertschätzung des Berufs ließen sich steigern, da Zusammenarbeit auf Augenhöhe entsteht."
Bislang habe der Gesetzgeber allerdings noch nicht verstanden, was Pflege leisten könne, und erkenne die pflegerische Kompetenz nicht an. Schlimmer noch: Pflege werde unmündig behandelt.
Pflegekammern für eine souveräne, selbstständige und eigenverantwortliche Profession
Um aus dieser Unmündigkeit auszubrechen, sei nötig, dass die Länder die Selbstverwaltung, also Pflegekammern, zwingend anordneten.
Vogler betonte:
"Bis heute herrscht eine Haltung in der Politik vor, der Pflege die gleichberechtigte strukturelle Stimme zu verweigern."
Doch Pflege sei kein Assistenzberuf, der kleingehalten werden könne.
Vielmehr sei die Selbstverwaltung der Pflege in allen Bundesländern nötig - unabhängig von Personen- und Parteiüberzeugungen -, damit Pflegende ihre pflegefachliche Kompetenz souverän, selbstständig und eigenverantwortlich ausführen könnten.
Der Pflege werde immer vorgeworfen, sie würde es nicht schaffen, sich zu organisieren. Dabei fehlten die Strukturen dazu.
Der Appell der DPR-Präsidentin an die Regierung:
"Nur Pflege kennt sich mit Pflege aus – gebt uns endlich die Gesetze dazu und finanziert den Aufbau, damit nicht die Zerschlagung schon im Keimprozess entsteht."
Und weiter verdeutlichte Vogler mit Blick auf die Mitgliedschaft in einer Pflegkammer:
"Für 8 Euro im Monat können wir uns unsere eigene Freiheit und Profession erkaufen."
Massiver Mangel an Lehrpersonal
Mit Sorge blicke Vogler auf das aktuelle Bildungschaos in der Pflege: Absprachen zur Vereinheitlichung in den Bundesländern existierten nicht. Die Sonderwege der Abschlüsse im Pflegeberufegesetz führten dazu, dass das Gesetz ausgehöhlt werde und primärqualifizierende Studiengänge stürben, bevor sie sich richtig entwickeln könnten. Der Bestand an Fakultäten, Studiengängen und Studierenden reiche bei Weitem nicht aus, um den Bedarf zu decken. Auch auf der anderen Seite sehe es kritisch aus:
"Uns fehlen massiv Lehrende. Künftig werden wir weniger ausbilden können, obwohl wir mehr ausbilden müssten."