Der Weltbund der Pflegefachpersonen (International Council of Nurses, ICN) hat vor einem "besorgniserregenden Trend" bei der internationalen Rekrutierung von Pflegepersonal gewarnt. Nicht nur verlaufe die Anwerbung zunehmend unethisch, auch die Datenlage verschlechtere sich, um die weltweiten Trends in der Rekrutierung von Pflegepersonal genau zu bewerten, Problembereiche zu identifizieren und eine faktengestützte Politik zu entwickeln.
ICN betont Bedeutung valider, transparenter Daten
Für den jüngsten Bericht über die Umsetzung des globalen Verhaltenskodex der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für die internationale Rekrutierung von Gesundheitspersonal hätten bislang nur 77 Länder weltweit ihre Daten übermittelt. Zudem seien die Meldequoten der europäischen Länder im Vergleich zu früheren Runden zurückgegangen, warnte der ICN am Montag und rief gleichzeitig "dringend" dazu auf, bis Ende August fehlende nationale Berichte nachzureichen. Damit dies geschehe, sollten Pflegeverbände weltweit ihren Einfluss in den jeweiligen Ländern geltend machen und auf die Bedeutung valider, umfassender und transparenter Daten hinweisen.
Denn die weltweite Migration von Pflegepersonal habe aktuell ein Krisenniveau erreicht. Indem nationale Pflegeverbände ihre kollektive Stimme erhöben, könnten sie dazu beitragen, die umfassende Datenerhebung sicherzustellen, die essenziell sei, um den Kodex zu stärken und sichere, nachhaltige sowie faire Anwerbungspraktiken in Gesundheitssystemen weltweit voranzutreiben.
Daten zu Personalvermittlungsagenturen fehlen oft
Nach ICN-Angaben hat die Abwanderung von Pflegekräften aus Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen in Länder mit hohem Einkommen in den vergangenen drei Jahren "erheblich" zugenommen. Das sei vor allem darauf zurückzuführen, dass eine kleine Zahl von Ländern mit hohem Einkommen aktiv Personal anwirbt, um den inländischen Mangel an Pflegepersonal zu beheben.
Auch häuften sich Berichte über missbräuchliche und ausbeuterische Praktiken einiger Personalvermittlungsagenturen, bei denen migrierendes Pflegepersonal "irreführenden Informationen, Schuldknechtschaft sowie schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen" ausgesetzt seien. Auch hier fehlten umfassende Daten über die Beteiligung von Agenturen sowie über Anwerbung und Migrationsströme im Allgemeinen.
ICN fordert Rechenschaftspflicht
Der ICN fordert unter anderem:
- Klare und verbindliche Maßnahmen zur Rechenschaftspflicht bei Nichteinhaltung des WHO-Verhaltenskodex.
- Verbesserte Datenerhebung, Berichterstattung und Überwachung der Migration und Anwerbung von Pflegekräften aus dem Ausland.
- Unabhängige Überwachung der bilateralen Abkommen und der Aktivitäten von Vermittlungsagenturen.
- Entwicklung gerechter bilateraler Abkommen, die spürbare Investitionen in die Stärkung der Gesundheitssysteme der Herkunftsländer beinhalten.
- Verstärkte Maßnahmen zum Schutz der Rechte von Pflegepersonal mit Migrationshintergrund und zur Bekämpfung von Ausbeutung, Diskriminierung und unsicheren Arbeits- und Lebensbedingungen.
- Feste Zusagen der Länder mit hohem Einkommen, dem Aufbau von autarken Arbeitskräften im Pflegebereich Vorrang einzuräumen und Probleme der Mitarbeiterbindung anzugehen.
- Koordinierte Maßnahmen zwischen den wichtigsten Ländern, die Pflegepersonal mit hohem Einkommen rekrutieren, um gemeinsame, ethische Lösungen zu finden.
Diese Empfehlungen hat der ICN auch in seinem jüngsten Brief an die Staats- und Regierungschefs der G20-Nationen aufgegriffen. Der ICN betonte darin, dass "ohne mutige, gemeinsame Lösungen zur Eindämmung des Pflegepersonalmangels in gefährdeten Ländern die Lücken im Zugang zur Gesundheitsversorgung weltweit weiter zunehmen werden".