Der Weltbund der Pflegefachpersonen kritisiert die internationale Rekrutierung von Pflegepersonal. Auch die Weltgesundheitsorganisation fordert mehr Fairness zwischen Herkunfts- und Gastländern.
Mit deutlichen Worten hat der Weltbund der Pflegefachpersonen (International Council of Nurses, ICN) Anfang April die aus seiner Sicht außer Kontrolle geratene weltweite Rekrutierung von Pflege- und Gesundheitspersonal kritisiert. Mit der Personalakquise lagerten wohlhabendere Länder ihre Kosten für die Qualifizierung von Pflegepersonal faktisch in ärmere Länder aus – „kostengünstig und ohne Rückerstattung“ –, kritisierte die Präsidentin des ICN, Pamela Cipriano. Nach Ansicht der Professorin für Pflege an der University of Virginia in den USA habe die gegenwärtige Anwerbepraxis in vielen Herkunftsländern „verheerende Folgen“, zumal deren Gesundheitssysteme ohnehin vielfach von gravierenden Versorgungsengpässen geprägt seien. Cipriano forderte daher, die Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO) zur internationalen Rekrutierung von Gesundheitspersonal strikt zu befolgen – alles andere sei ethisch unvertretbar.
Der ICN beruft sich bei seiner Kritik auf aktuelle Berichte von Mitgliedsorganisationen aus afrikanischen Staaten. So hätten ruandische Pflegefachpersonen ICN-Geschäftsführer Howard Catton während des einwöchigen ICN-Programms „Organizational Development of National Nursing Associations“ die Auswirkungen der internationalen Personalakquise geschildert. Aus ihrer Sicht sei die Rekrutierung wohlhabenderer Länder von gut ausgebildeten Pflegefachpersonen ärmerer Länder eine „neue Form des Kolonialismus“.
Auch die WHO hat sich im vergangenen Monat zu diesem Thema kritisch geäußert und mehr Fairness gefordert. Die internationale Anwerbepraxis von Pflege- und Gesundheitspersonal basiere in der Regel auf bilateralen Abkommen zwischen den meist ärmeren Herkunfts- und meist reicheren Gastländern. Diese Abkommen seien jedoch primär an den Bedürfnissen der Gastländer ausgerichtet, heißt es in dem neuen WHO-Leitfaden „Bilateral Agreements on Health Worker Migration and Mobility“. Die Vereinbarungen seien für die Herkunftsländer meist nur von begrenztem Nutzen und könnten den Verlust erfahrenen Gesundheitspersonals nicht ausgleichen.
Künftig sei nach Ansicht der WHO eine „neue Generation“ dieser Abkommen notwendig, um eine faire und ethisch vertretbare Anwerbepraxis zu gewährleisten. Künftige Vereinbarungen müssten im Hinblick auf den Nutzen für beide Länder ausgewogen sein. Bei der Aushandlungen seien hierfür die nationalen Gesundheitsorganisationen, Gewerkschaften, Regierungsbehörden und Arbeitgeber zu beteiligen.