Obwohl seit Anfang März die Pflegepersonaluntergrenzen (PpUG) wegen der Corona-Krise ausgesetzt sind, werden sie ab 1. August teilweise wieder aktiviert. Das ist einem Dokument zu entnehmen, das BibliomedPflege vorliegt und von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angeordnet wurde. Demnach sollen die Untergrenzen wieder gelten für die Intensivmedizin und Geriatrie.
In der Herzchirurgie, Neurologie, Kardiologie, Unfallchirurgie, neurologischen Frührehabilitation sowie in Stroke-Units sollen die Untergrenzen noch bis Ende dieses Jahres ausgesetzt bleiben – wie ursprünglich für alle Bereiche geplant.
Mit der Änderung solle eine personelle Unterbesetzung in der Pflege und eine Gefährdung der in diesen beiden Bereichen zu behandelnden besonders vulnerablen Patientinnen und Patienten vermieden werden, teilte das Bundesgesundheitsministerium auf Anfrage mit. Die Änderungsverordnung soll in den nächsten Tagen im Bundesanzeiger verkündet werden und tritt dann am darauffolgenden Tag in Kraft.
Evers: Stärkt nicht die Vertrauensbildung der Pflegenden
"So richtig zufrieden ist mit der Reaktivierung der PpUG niemand. Schon gar nicht die Berufsgruppe der Pflegefachkräfte", kommentierte der Pflegedienstleiter des St. Josefs-Hospital Wiesbaden, Arne Evers, gegenüber BibliomedPflege. "Die Corona-Pandemie hat sehr wohl für Selbstbewusstsein bei den Pflegefachpersonen gesorgt. Hier nun eine 'Lösung' zu präsentieren, in der nur 2 Bereiche aktiviert sind und derart kurzfristig, lässt rätseln", so Evers weiter.
Die Corona-Situation sei hierzulande weitestgehend entspannt. Die Stationen liefen fast wieder auf Normalbetrieb. Deshalb sei es zwar gut, insbesondere die Intensivstationen wieder zu reglementieren, aber gleichzeitig gebe es noch eine Infektionslage und die Reaktivierung könne ein "voreiliger Schuss" sein.
"Ein Instrument, welches schnell ausgeschaltet und dann nur teilweise reaktiviert ist, stärkt nicht die Vertrauensbildung der Berufsgruppe, sondern sät durchaus Zwiespalt. Es wäre also an der Zeit, bald eine neue Lösung zu präsentieren", forderte Evers.
DKG: Wiedereinsetzen der PpUG "falsches Signal"
Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) sieht in der aktuellen Verordnung ein "falsches Signal zum falschen Zeitpunkt" und plädiert stattdessen für eine zielführende Personalbemessung.
"Niemand weiß, wie sich in den nächsten Wochen nach der Urlaubsperiode die Infektionslage entwickeln wird. Richtigerweise ist die Pandemiegesetzgebung für den Krankenhausbereich auf Ende September bzw. bis Ende des Jahres ausgerichtet", sagte DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum am Dienstag.
Die Reaktivierung der Personaluntergrenzen in der Intensivpflege sei angesichts der grundsätzlichen und von allen maßgeblich Beteiligten geführten Kritik am Pflegeuntergrenzen-Konzept unverständlich, so Baum weiter.
Die Pflegenden selbst lehnen die PpUG mehrheitlich ab, wie eine im Mai vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe veröffentlichte Umfrage ergab. Zwei Drittel der Pflegenden in Krankenhäusern empfinden sie keineswegs als hilfreich. Die Hauptkritikpunkte: zu viel Bürokratie und keine verbesserte Situation für Pflegende.
Seit Monaten liege dem Bundesgesundheitsministerium das Konzept von DKG, Deutschem Pflegerat und Verdi vor, dass mit einem Pflegepersonalbedarfsbemessungsinstrument eine bessere Personalausstattung in Kliniken sichern und unbürokratisch erzielen will.
"Es ist an der Zeit, die nicht sachgemäßen Untergrenzen abzulösen und mit einem Bedarfsbemessungsinstrument eine zukunftsfähige Lösung zu implementieren", forderte Baum. "Mit der PPR 2.0 haben wir ein unbürokratisches Personalbedarfsbemessungsinstrument vorgelegt, das eine bedarfsgerechte pflegerische Versorgung der Patienten im Krankenhaus abbildet und ein weitaus bedarfsgerechteres Verfahren zur Sicherung der Pflegequalität darstellt."