Die in dieser Woche veröffentlichten Studienergebnissen zur Personalnot auf Intensivstationen werfen für den Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) und den Deutschen Pflegerat (DPR) grundsätzliche Fragen zur hiesigen Gesundheitsversorgung auf. Beide Organisationen mahnen schnelle und nachhaltige Maßnahmen an, um Schlimmeres zu verhindern.
Hohe Bettendichte bei gleichzeitig niedriger Personalquote
So zeigt die Studie etwa, dass im internationalen Vergleich in Deutschland überdurchschnittlich viele Intensivbetten zur Verfügung stehen. Gleichzeitig belegen jedoch nach DBfK-Angaben Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, dass die Bundesrepublik im EU-Vergleich die höchsten Gesundheitsausgaben hat. Für DBfK-Präsidentin Christel Bienstein ist damit klar:
"Der Krankenhaussektor ist in Deutschland sehr groß und wir haben in der EU die höchste Bettendichte, die zugleich mit einer der niedrigsten Personalquoten für die Pflege einhergeht."
Außerdem zeigten die europäischen Vergleichsdaten, dass Deutschland in den Werten für Lebenserwartung und vermeidbare Sterbefälle hinter den Spitzenreitern liegt. Diese Zahlen deuteten auf eine Überversorgung hin, die aber nicht zu besserer Gesundheit in der Bevölkerung führe.
"Die Versorgung geht also offenbar in manchen Bereichen am Bedarf vorbei und dieser Zustand muss auf den Prüfstand."
Nötig sei eine Diskussion über ein Gesundheitssystem, in dem die Menschen mit ihren Bedarfen im Zentrum stünden, so Bienstein am Freitag weiter.
Community Health Nurses einbinden
Krankenhausaufenthalte und insbesondere intensivmedizinische Versorgung seien für Patientinnen und Patienten sehr belastend. Das könne mit "guter" Gesundheitsförderung und Prävention sowie einer individuell stabilisierenden Betreuung von Menschen mit chronischen Erkrankungen in ihrem Umfeld vermieden werden, ist die DBfK-Präsidentin überzeugt.
Wichtig in diesem Zusammenhang seien flächendeckend eine tragfähige Primärversorgung und eine bedarfsgerechte Aufgabenverteilung im Gesundheitssystem. Community Health Nurses, die international längst etabliert seien, spielten dabei eine zentrale Rolle.
Bienstein betonte auch, wie gravierend die Auswirkungen des Personalmangels auf Intensivstationen seien.
"Die neue Studie zeigt nun exemplarisch für die Intensivstationen, wie groß der Personalmangel tatsächlich ist. Für eine fachgerechte und sichere Pflege brauchen wir doppelt so viel Personal."
Mit dem aktuellen Personalbestand dürften laut Studie nur 40 % der vorhandenen Intensivbetten betrieben werden, um die Verordnung zu Pflegepersonaluntergrenzen einzuhalten, die die rote Linie einer sicheren Versorgung markierten.
"Diese Unterbesetzung ist fahrlässig und gefährlich."
Die sofortige verbindliche Pflegepersonalbemessung im Krankenhaus und eine Neuausrichtung des Gesundheitssystems seien dringend notwendige Stellschrauben, um den Ursachen des überdurchschnittlich hohen Bedarfs an Intensivversorgung langfristig zu begegnen.
PPR 2.0 endlich umsetzen
Auch der DPR sieht anhand der Studienergebnisse die Versorgung in den Krankenhäusern gefährdet und fordert gleichfalls die umgehende Einführung einer Pflegepersonalregelung, der PPR 2.0, die die Kindermedizin und den Intensivbereich einschließe. Verantwortlich dafür sei die Politik. DPR-Vizepräsidentin Irene Maier fragte am Donnerstag vorwurfsvoll:
"Der Pflegenotstand auf Deutschlands Intensivstationen ist gewaltig und gefährdet die medizinische und pflegerische Versorgung. Wie viel an Beweisen, Studien und Analysen benötigt die Bundesregierung noch, um endlich umfassend und vor allem schnell zu reagieren und den Worten Taten folgen zu lassen?"
Allein die PPR 2.0 reiche jedoch nicht aus, um die prekäre Personalsituation in den Krankenhäusern bewältigen zu können. Nötig seien eine Analyse der "komplexen Ursachen für den massiven Personalmangel" in der Pflege und darauf aufbauend ein Gesamtplan, wie die pflegerische Versorgung der Bevölkerung künftig unter dieser "verheerenden Ausgangslage" aufrechterhalten werden kann. Auch dazu lägen die Erkenntnisse bereits auf dem Tisch, sagte Maier.
"Politisch muss jetzt endlich schnell und richtig reagiert werden."