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Studie zum Pflegepersonalbedarf auf Intensivstationen

Bis zu 50.000 Intensivpflegende fehlen

Die Unterbesetzung an Pflegefachpersonen auf Intensivstationen geht "weit über die bisher diskutierte Zahl" hinaus.

Bundesweit fehlen bis zu 50.000 Vollzeitkräfte in der Intensivpflege der Krankenhäuser. Das zeigt eine neue, von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie des Gesundheitssystemforschers Michael Simon. Damit gehe die Unterbesetzung "weit über die bisher diskutierte Zahl" von bundesweit ca. 3.000 – 4.000 fehlenden Pflegefachpersonen in Vollzeit hinaus, schreibt Simon in seiner am Mittwoch veröffentlichten Studie und urteilt:

"Es besteht dringender Handlungsbedarf. Unterbesetzung und Arbeitsüberlastung des Pflegepersonals auf Intensivstationen sind eine Gefahr für die Gesundheit der Intensivpatienten und auch für die Gesundheit des Pflegepersonals."

Würden nicht "sehr bald" Maßnahmen ergriffen, mit denen eine für Pflegefachpersonen "direkt spürbare und nachhaltig wirkende Entlastung" erreicht werde, drohe eine weitere Verschlechterung der Lage. Denn zunehmend mehr Pflegende würden dann aufgrund chronischer Arbeitsüberlastung, wachsender Unzufriedenheit und "tiefer" Enttäuschung über die Untätigkeit der Politik kündigen und ihren Beruf verlassen.

Verdreifachung des Personalbestands nötig

Zwar existiert laut Simon für die Intensivpflege zurzeit kein verbindliches Verfahren der Personalbedarfsermittlung, dafür liegen aber Empfehlungen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) vor. Seit 2019 gibt es zudem eine bundesweit geltende Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV), die Mindestbesetzungen auch für Intensivstationen vorgibt. Mit diesen Maßstäben – den Daten der Krankenhausstatistik, die bis 2020 vorliegen, sowie des Intensivregisters, das seit März 2020 zentrale Daten der intensivmedizinischen Versorgung in Krankenhäusern erfasst – hat Simon gerechnet und stellt fest:

  • Nach der PpUGV wären für 21.000 Intensivbetten bundesweit 50.800 Vollzeitkräfte erforderlich – deutlich mehr als die vorhandenen 28.000. Um die Pflegepersonaluntergrenzen einhalten zu können, wäre also eine Verdoppelung des gegenwärtigen Personalbestandes notwendig.
  • Um die Empfehlungen der DIVI zu erfüllen, seien sogar 78.200 Vollzeitkräfte nötig. Daraus ergebe sich für das Jahr 2020 eine Unterbesetzung von 50.000. Um diese auszugleichen, wäre eine Verdreifachung des Personalbestands nötig.

Mit dem aktuellen Personalbestand dürften nach Vorgaben der PpUGV nur 11.700 der 28.000 Intensivbetten genutzt werden, so Simon. Folglich seien ca. 60 % der vorhandenen Betten zu "sperren".

Rd. 75 % der Betten dürften nicht belegt werden, weil Personal fehlt

Den DIVI-Empfehlungen folgend, seien angesichts der aktuellen Personallage sogar nur rd. 7.500 Intensivbetten belegbar. Rd. 75 % der vorhandenen Betten dürften somit nicht belegt werden.

Simon mutmaßt, dass die Zahl an Pflegefachpersonen inzwischen sogar noch niedriger liegt als 2020, weil es während der Pandemie zahlreiche Kündigungen gegeben habe. Als Beleg verweist der Wissenschaftler auf das Intensivregister: Ende Dezember 2020 hätten die Krankenhäuser bundesweit 26.700 belegbare Intensivbetten gemeldet, von denen seien 22.000 belegt gewesen. Anfang April 2022 seien nur noch 24.400 Intensivbetten gemeldet worden, davon 20.600 belegt.

Zahl der Intensivbetten um knapp 9 % geschrumpft

Die Zahl der Intensivbetten sei somit um knapp 9 % geschrumpft und die der tatsächlich belegten Betten um knapp 7 %.

"Zwar können Bettensperrungen kurzfristig eine Entlastung für das Pflegepersonal bewirken, das grundsätzliche Problem der massiven Unterbesetzung können sie nicht lösen."

Der Experte sieht jetzt v. a. die Bundesregierung in der Pflicht: Der Bund könne die intensivmedizinische Versorgung verbessern mit

  • Änderungen der PpUGV
  • der von Fachleuten seit Langem geforderten Einführung eines von allen zugelassenen Krankenhäusern verbindlich anzuwendenden Verfahrens zur Personalbedarfsermittlung
  • einer Umgestaltung des Intensivregisters
  • Änderungen der Krankenhausfinanzierung.

"Ankündigungen" im Koalitionsvertrag der Ampelkoalition machten zwar Hoffnungen, dass die Regierung "bereit ist, ein konsequentes und wirksames System zur Sicherstellung und Überwachung einer bedarfsgerechten Personalbesetzung" in Angriff zu nehmen, attestiert der Forscher. Doch das müsse konsequent und zügig auch umgesetzt werden.

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