Pflegevertreter haben mit heftiger Kritik reagiert auf die Ankündigung des baden-württembergischen Sozialministers Manfred Lucha (Die Grünen), die Gründung einer Pflegekammer im Land auf die nächste Legislaturperiode verschieben zu wollen.
Von politischem Versagen und einer Absage an die Selbstverwaltung in der Pflege ist u. a. die Rede.
Rantzsch: "Pflegende werden ihrer Interessensvertretung beraubt"
"Es ist unfassbar, gerade jetzt während der Corona-Pandemie, die Stimme der Pflege zu unterdrücken und damit den professionell Pflegenden (…) die Möglichkeit ihrer Interessensvertretung zu rauben!", sagte der Vorstandsvorsitzende des Verbands der Pflegedirektorinnen und Pflegedirektoren der Universitätskliniken und Medizinischen Hochschulen Deutschlands (VPU), Torsten Rantzsch, vergangenen Freitag. "Es ist ein Skandal für die professionelle Pflege in Deutschland."
Es könne nicht sein, dass die Politik nach sehr guten Beispielen aus Nordrhein-Westalen oder Schleswig-Holstein ihre Augen gegenüber einer starken Institution zur Förderung der Pflege in Deutschland verschließe und wichtige Ziele weit hinaus in die Zukunft und damit in die Verantwortlichkeit "des nächsten" schiebt, so Rantzsch.
Bundespflegekammer: "Landesregierung nimmt Pflege nicht ernst."
Auch von der Bundespflegekammer kommt Kritik: "Die Landesregierung nimmt die Pflege nicht ernst." Das "Gerede" der Landesregierung über eine Aufwertung des Pflegeberufs seien nur Lippenbekenntnisse. Das Votum der Mehrheit der Pflegefachpersonen, die sich für die Einrichtung einer Kammer ausgesprochen haben, und der eigene Koalitionsvertrag würden ignoriert. Pflege bleibe am "Katzentisch", jetzt werde weiter über die Pflegeprofession gesprochen statt Entscheidungen mit ihr zu fällen.
Berufsverbands Pflegemanagement: "Affront gegenüber alles Pflegenden"
Die Landesgruppe Baden-Württemberg des Berufsverbands Pflegemanagement betonte am Montag: "Die aktuelle Entwicklung in Baden-Württemberg ist fatal, inakzeptabel und ein Affront gegenüber allen Pflegenden im Bundesland und darüber hinaus." Die Landesvertretung forderte die Politik auf, Verantwortung zu übernehmen, indem sie ihre Versprechen halte. Das politische Versagen schade der Pflege.
BLGS: "Votum der Pflegenden wird mit Füßen getreten"
Die Verschiebung der Kammergründung auf die nächste Legislaturperiode bedeute eine Verschiebung auf unbestimmte Zeit, verdeutlichte der Bundesverband Lehrende Gesundheits- und Sozialberufe (BLGS). Ob und wann die Verkammerung wieder aufgenommen oder erfolgreich zu Ende geführt werden könne, sei ungewiss.
"Die Pflegenden in Baden-Württemberg haben ihren politischen Willen für eine Kammer klar und zweifelsfrei artikuliert. Dieses Votum wird nun aus politischem Machtkalkül mit Füßen getreten. Der berechtigte Anspruch der größten Berufsgruppe, ureigene Belange mitzubestimmen und einen regulären Platz im Gesundheitssystem einzunehmen, wird immer noch nicht ernstgenommen. In dieser Hinsicht ist Pflege wohl doch nicht systemrelevant", so BLGS-Bundesvorsitzender Carsten Drude.
Die fortdauernden politischen Platzverweise stünden in krassem Gegensatz zu den Ankündigungen, den Pflegeberuf gesellschaftlich aufzuwerten und attraktiver zu gestalten.
"Der Image-Schaden ist angerichtet – auslöffeln dürfen ihn andere."