Angesichts vermehrter Corona-Ausbrüche in Pflegeheimen in den vergangenen Tagen ist die Diskussion um eine Impfpflicht für Pflegende wieder entfacht. Fachpersonen aus dem Gesundheitssystem und der Gesundheitspolitik debattieren kontrovers über das Thema.
Aufklärung und eigene Verantwortung wichtig
So lehnt der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, nach wie vor eine Impfpflicht ab. Das sei nicht der richtige Weg, betonte er am Mittwoch im Deutschlandfunk. Eine Impfpflicht könne dazu führen, dass eine Verweigerungshaltung entsteht und sich das Personal etwa verstärkt krankschreiben lässt. Wichtig seien vielmehr Aufklärung und der Appell an die eigene Verantwortung.
Westerfellhaus verdeutlichte aber zugleich, dass er "null Toleranz" dafür hat, wenn sich Angehörige einer solchen Berufsgruppe einer Impfung verweigern und damit die Gesundheit von Schutzbedürftigen riskieren. Damit zögen sie die gesamte Pflegebranche in ein schlechtes Licht.
Zuletzt waren in einem Seniorenheim in Brandenburg nach einem Corona-Ausbruch 12 Bewohner gestorben. Die Impfquote der Mitarbeitenden liegt dort bei ca. 50 %.
Datenlage eindeutig
Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) Nordost hat die Ausbrüche in Brandenburg, aber auch ähnliche in Mecklenburg-Vorpommern zum Anlass genommen, Pflegefachpersonen "nachdrücklich" zur Impfung gegen das Corona-Virus aufzurufen – aus Solidarität, aber v. a. zum Eigenschutz.
Widersprüchliche Meldungen und manche Aussagen aus der Ärzteschaft hätten Pflegende verunsichert. Doch die Datenlage sei eindeutig, betonte DBfK-Nordost-Vorstandsmitglied und Pflegewissenschaftlerin Anja Katharina Peters am Mittwoch:
"Die zugelassenen Impfstoffe gegen COVID-19 sind sicher. Das lässt sich nach Millionen verabreichter Impfdosen mit Gewissheit sagen. Langfristige Nebenwirkungen gibt es bei Impfstoffen nicht: Sie verschwinden aus dem Körper. Zurück bleibt lediglich die Immunantwort, die uns sehr gut vor Ansteckung und vor schweren Verläufen schützt. Eine Infektion mit COVID-19 hingegen hat unkalkulierbare Verläufe und Langzeitwirkungen."
DBfK-Nordost-Vorstandskollege Markus Lauter ergänzte:
"Jeder und jede von uns mit Impfschutz trägt dazu bei, dass das Gesundheitswesen nicht zusätzlich belastet wird."
Es seien aber auch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in der Pflicht, weiterhin niedrigschwellige Impfangebote vorzuhalten.
Ideen für Impfanreize entwickeln
Den kategorischen Ausschluss einer Impfpflicht, wie die Bundesregierung ihn befürwortet, hält hingegen der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, für den "größten Fehler in der Corona-Politik".
Er sagte am Dienstag in der WirtschaftsWoche:
"Wer nicht geimpft ist, kann und sollte nicht in Alten- und Pflegeheimen arbeiten. Das sollte eigentlich vom Berufsbild her bereits eine Selbstverständlichkeit sein, wenn ich mich um schwerstkranke und besonders gefährdete Menschen kümmere."
Weigeldt forderte Bund und Länder auf, konkrete Ideen für Impfanreize zu entwickeln. Die Rechnung in diesem Herbst und Winter sei relativ einfach:
"Entweder man lässt sich impfen – oder man wird an Corona erkranken mit dem Risiko für einen schweren Verlauf."
Deshalb solle die Politik alles daran setzen, die bisher Ungeimpften doch von einer Impfung zu überzeugen.
Impfpflicht ist politische Entscheidung
Auch der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, befürwortete die Debatte über eine Impfpflicht für Pflegepersonal. Diese sei berechtigt, obwohl er generell gegen eine Impfpflicht sei, sagte er. Zumindest solle nicht-geimpftes Personal keinen Kontakt mehr zu Patientinnen und Patienten haben. Eine Impfpflicht sei aber eine politische Entscheidung.
Der Virologe Alexander Kekulé hat sich am Dienstag im Mitteldeutschen Rundfunk für eine Impfpflicht für Menschen in Pflege- und Heilberufen ausgesprochen. Kekulé sagte, seine Hoffnung, dass es genug freiwillige Impfungen in diesem Bereich gibt, habe sich zerschlagen. Außerdem gebe es inzwischen eine neue Corona-Lage. Der Impfschutz sei unvollständig und verschlechtere sich mit der Zeit. Deshalb müssten Hochrisikopersonen besser geschützt werden.
Virologe für Impfpflicht
Dazu sei eine Impfpflicht für Berufsgruppen nötig, die mit Hochrisikopersonen umgingen. Wer sich dennoch weigere oder nicht geimpft werden könne, solle das begründen müssen. Die Alternative seien dann tägliche PCR-Tests und verpflichtende FFP2-Masken während der Arbeit.
Zusätzlich sollten in diesen Berufsgruppen nach Kekulés Meinung auch Geimpfte regelmäßig auf das Corona-Virus getestet werden.