Die Ankündigung des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), die ab Mitte März greifende einrichtungsbezogene Impfpflicht in Pflegeheimen und Gesundheitseinrichtungen vorerst nicht anzuwenden, stößt vielerorts auf Unverständnis. Söder begründete seinen Sonderweg – für den sich mittlerweile auch die CDU-Führung und mehrere CDU-Ministerpräsidenten ausgesprochen haben – mit ansonsten drohendem verschärftem Personalmangel in der Pflege. Als "unsäglich und schräg" bezeichnete hingegen der Präsident der Pflegekammer Rheinland-Pfalz, Markus Mai, die politische Debatte. Erneut erlebten Pflegefachpersonen "reinen Populismus und das Streben nach höheren Beliebtheitsquoten", äußerte Mai am Mittwoch und wurde noch deutlicher:
"Politisches Handeln sollte nicht von Meinungsumfragen getriggert sein, sondern von gesundem Sach- und Menschenverstand. Dieser Zickzackkurs der Politik muss ein Ende finden. Er führt zu Misstrauen (…)."
Die kontroverse Debatte um die Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht führe zu Unsicherheit unter beruflich Pflegenden. Sie fühlten sich wie eine "Masse auf einem Verschiebebahnhof, mit der man nach Beliebigkeit verfahren kann".
Arne Evers spricht von einem "fatalen Signal"
Künftig seien klare gesetzliche Regelungen nötig, die auch Fragen klärten, die unmittelbar mit der Auswirkung in Zusammenhang stünden, so Mai weiter. Der Kammerpräsident hätte zumindest eine Ausdehnung der Impfverpflichtung auf die vulnerablen Gruppen in den betroffenen Einrichtungen hilfreich gefunden. Konsequenterweise sei aber angesichts der "doch ernüchternden Zahlen" ohnehin über eine allgemeine Impfpflicht zu debattieren gewesen.
Der Pflegedienstleiter vom St. Josefs-Hospital Wiesbaden, Arne Evers, sprach im aktuellen Podcast mit Florian Albert aus der Managementredaktion von einem "fatalen Signal", das nicht nachvollziehbar sei.
Mit einem schlagartigen Ausfall von Pflegenden ab Mitte März und einer damit drohenden Notlage in der Pflege rechnet Evers nicht. Er warnt vielmehr davor:
"Viele Personen, die diese institutionelle Impfpflicht aussitzen wollten, haben jetzt einen super Nährboden."
Für die Präsidentin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK), Christel Bienstein, verschleiere die aktuelle Debatte allerdings, dass der Personalmangel in den Pflegeberufen seit Jahrzehnten bekannt ist. Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland wiederholte sie:
"Dass nun jede einzelne Kündigung zu Versorgungsengpässen führt, ist ein politisches Versäumnis und nicht auf die Impfbereitschaft einzelner Pflegender zurückzuführen."
Die Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Claudia Moll, rechnet zwar nicht damit, dass dem Vorstoß aus Bayern weitere Bundesländer folgen. In einem Interview mit den Fränkischen Nachrichten sagte sie aber:
"Meine Sorge ist mehr, dass sich die Leute jetzt von der Politik veräppelt fühlen: Die Länder haben die einrichtungsbezogene Impfpflicht gemeinsam im Bundesrat beschlossen, Bayern auch. Darauf muss sich jeder verlassen können."
Moll ergänzte, dass Bayern eine niedrigere Impfquote als viele andere Bundesländer hat. Werde diese jetzt nicht deutlich gesteigert, führe das im nächsten Herbst zu erneuten Einschränkungen.
Scholz setzt auf Vernunft
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geht indes davon aus, "dass Gesetze eingehalten werden". Dies sei "einer der Vorzüge des deutschen Rechtssystems", sagte Scholz am Mittwoch nach Angaben des stellvertretenden Regierungssprechers Wolfgang Büchner.
Büchner verwies auf die von Bundestag und Bundesrat beschlossene gültige Gesetzesregelung. Die Länder hätten den Bund explizit gebeten, diese Impfpflicht als zusätzlichen Schutz für gefährdete Gruppen einzuführen. Für die Umsetzung seien nun die Länder zuständig.