Die Versorgung chronischer und schwer heilender Wunden stellt Pflegefachpersonen im Klinikalltag vor komplexe Herausforderungen. Im Alexianer Krankenhaus Hedwigshöhe in Berlin wurde über drei Jahre hinweg das Wundsiegel "Wundmanagement im Krankenhaus" nach den Standards der "Initiative Chronische Wunden" (ICW) erfolgreich implementiert. Der strukturierte Prozess zeigt, wie interprofessionelle Zusammenarbeit, gezielte Schulung und standardisierte Abläufe die Pflegequalität nachhaltig verbessern können – und welche Faktoren für eine erfolgreiche Umsetzung entscheidend sind. Ein Rückblick nach dem ersten Überwachungsaudit.
Die Implementierung des Wundsiegels "Wundmanagement im Krankenhaus" nach den Standards der Initiative Chronische Wunden e. V. (ICW) ist für Krankenhäuser ein bedeutender Schritt hin zu einer qualitätsgesicherten und patientenzentrierten Versorgung. Im Alexianer Krankenhaus Hedwigshöhe in Berlin wurde in einem Zeitraum von drei Jahren ein strukturierter Aufbauprozess durchlaufen, der sowohl für die Pflege als auch für die Medizin intensive Herausforderungen und Veränderungen mit sich brachte. Ein Rückblick nach dem ersten Überwachungsaudit.
Schulungsbedarf und kontinuierliche Begleitung
Der erste Schritt war die genaue Analyse bestehender Versorgungsprozesse sowie die Definition von Optimierungspotenzialen. Dabei zeigte sich, dass eine nachhaltige Verbesserung der Wundversorgung nicht allein durch Fortbildungen zu erreichen ist. Es bestand vielmehr ein Schulungsbedarf (Schwerpunkte: Palpation der Pulse der unteren Extremitäten, stadiengerechte Wundbehandlung, Kompression, Hilfsmittelversorgung), der eine kontinuierliche Begleitung in den pflegerischen und ärztlichen Bereichen erforderlich machte. Mit dauerhaften Qualifizierungsmaßnahmen und der begleitenden Präsenz eines Fachtherapeuten konnte ein gemeinsames Verständnis von Wundmanagement etabliert werden.
Im Verlauf wurden pflegerische Teams sowie ärztliche Kolleginnen und Kollegen geschult und in das Konzept eingebunden. Dies förderte eine enge Zusammenarbeit und ein gemeinsames Handeln. Verbindliche Behandlungs- und Dokumentationsstandards, regelmäßige interprofessionelle Fallbesprechungen und ein Wundexpertenpool sind dabei gewichtige Bausteine.
Hautvisite und Notaufnahme als Schlüsselstellen
Im Laufe der Zeit hat sich eine eigene Struktur entwickelt, die über die reinen Zertifizierungsanforderungen hinausgeht. So wurde beispielsweise eine Hautvisite etabliert, die den Pflegeprozess im Hinblick auf Haut- und Wundgesundheit, Assessments und deren Evaluation von der Aufnahme bis zur Entlassung begleitet. Dabei werden Wund- und Fotodokumentation aktiv mit dem aktuellen klinischen Bild der Patientin oder des Patienten abgeglichen. Mögliche Abweichungen, wie eine beginnende Hautschädigung oder Pflegefehler, können so frühzeitig erkannt und gezielt behoben werden. Superweichmatratzen für Patientinnen und Patienten mit Dekubitusrisiko ab dem Aufnahmetag und die enge Einbindung pflegerischer Assistenzberufe unterstützen diesen Prozess.
Ein weiterer Baustein ist die frühzeitige Identifikation eines Dekubitusrisikos bereits in der Notaufnahme. Durch eine gezielte Einschätzung kann unmittelbar mit druckentlastenden Positionierungen reagiert und diese dokumentiert werden. Bereits zu diesem Zeitpunkt werden Wunden gesichtet, dokumentiert und bei Bedarf mit einer mikrobiologischen Abstrichentnahme versehen. Dies ist ein wichtiger Schritt zur Vermeidung von Komplikationen und zur lückenlosen Behandlungsplanung.
Wundexperten als Multiplikatoren
Ein zentraler Bestandteil ist das Vorhandensein von Wundexperten (ICW) auf jeder Station. Sie fungieren als direkte Ansprechpartnerinnen und -partner im Team und übernehmen die Rolle von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren für das standardisierte Wundmanagement. Aufgrund der natürlichen Fluktuation im Personalbereich ist die fortlaufende Ausbildung neuer Wundexpertinnen und -experten fester Bestandteil der Fort- und Weiterbildungsstrategie. So bleibt das Wissen dauerhaft im Stationsalltag verankert und das Thema Wunde ist stets präsent. Auch in der Pflegeausbildung wird das Thema Wundmanagement mit Fortbildungen frühzeitig verankert. So wird sihcergestellt, dass die Auszubildenden frühzeitig ein Verständnis dafür entwickeln können. Die Nutzung des hauseigenen Skills-Labs bietet weitere praxisnahe Schulungs- und Ausbildungsvarianten in einem Setting mit Nachbesprechungscharakter.
Interdisziplinärer und multiprofessioneller Austausch
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist die Implementierung interdisziplinärer Zusammenarbeit. Ärzteschaft und Pflegeteam bilden die therapeutische Basis. Therapeutische Dienste wie Physio- und Ergotherapie werden frühzeitig eingebunden, um mobilisierende Maßnahmen und alltagsrelevante Fähigkeiten gezielt in den Behandlungsprozess zu integrieren. Der multiprofessionelle Austausch findet im Rahmen von Stationsvisiten statt. Die regelmäßige Einbindung des Wundmanagements in die oberärztlichen Visiten ermöglicht eine ganzheitliche Betrachtung und Versorgung der Patientinnen und Patienten. Darüber hinaus besteht ein eng verzahntes, interdisziplinäres Netzwerk mit der Ernährungs-/Diabetesberatung, der Podologie und externen Hilfsmittelversorgern. Dieses Netzwerk kann insbesondere bei komplexen Wundbildern maßgeblich zur Heilungsförderung beitragen.
Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität
Die Implementierung und Umsetzung von Maßnahmen zur Erlangung des Wundsiegels in einem Krankenhaus ist ein Beispiel dafür, wie Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität erfolgreich zusammenspielen können. Die frühzeitige Einbindung des Qualitätsmanagements ist in diesem Prozess unabdingbar und spielt eine Schlüsselrolle. Ebenso sind der Wille des Unternehmens sowie das Vertrauen und die Unterstützung durch das klinische Direktorium entscheidende Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung.
Fazit: Eigene Anforderungen, Unternehmensvorgaben und die Strukturanforderungen bilden einen zielorientierten Gesamtkontext. Trotz der hohen personellen und organisatorischen Anforderungen waren die positiven Effekte rasch spürbar. Die Vorgaben im Anforderungsprofil sind praxisnah, patientenorientiert und wissenschaftlich fundiert. Der Bundes-Klinik-Atlas hat die Aussagekraft des Qualitätssiegels "Wundsiegel" bestätigt und es als Kriterium gewürdigt und anerkannt. Durch die standardisierte Herangehensweise werden die Lebens- und Versorgungsqualität gesteigert, Behandlungszeiten verkürzt und Folgekomplikationen reduziert. Ein zentrales Ergebnis ist die veränderte Behandlungspriorität, die chronische und schwer heilende Wunden durch das strukturierte Wundmanagement erhalten haben. Alle am Behandlungsprozess Beteiligten verfolgen diesen Ansatz. Dekubitusprophylaxe und Hautbeobachtung sind zentrale Aspekte im klinischen Alltag. Die Integration des Wundsiegels ist ein klares Zeichen für eine nachhaltige Qualitätssteigerung im Wundmanagement für Menschen mit Wunden – unabhängig von deren Ursache.