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Diskussion

Wie muss eine Reform der Pflegeversicherung aussehen?

Lauterbach gerät zunehmend unter Druck, Reformvorschläge für die Pflegeversicherung vorzulegen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat angekündigt, die Pflegeversicherung von Grund auf zu reformieren und zukunftsfest auszurichten. Was Lauterbach vor der parlamentarischen Sommerpause nicht mehr geschafft hat, übernehmen jetzt andere und präsentieren ihre Vorschläge für eine notwendige Reform.

CDU für Vollversicherung

Zwar hat die Bundes-CDU kein Konzept vorgelegt, wohl aber zwei Landespolitiker ein Diskussionspapier zum "Dringenden Reformbedarf bei der Pflegeversicherung". Darin werben der nordrheinwestfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer für eine Pflegevollversicherung. Das koste zwar Milliarden an Euro, verhindere aber soziale Verwerfungen, so ihre Begründung. Mit ihrem Vorstoß widersprechen sie dem erst vor wenigen Wochen vorgelegten neuen CDU-Grundsatzprogramm, das Laumann und Kretschmer im Pflegekapitel gemeinsam verantwortet haben.

Hintergrund des Vorstoßes sind stark gestiegene Pflegekosten. Bereits jetzt sei jeder dritte Pflegebedürftige auf Sozialhilfe angewiesen, da seine Rente für die Pflegekosten nicht ausreicht, berichtete "Die Welt" zum Thema. Gegenüber der Zeitung argumentierte Laumann, die Pflegeversicherung verfehle aktuell ihre ursprüngliche Aufgabe, die pflegebedingten Kosten vollständig zu übernehmen.

"Daher bin ich entschieden der Meinung, dass wir die Pflegeversicherung wieder auf ihre Ursprungsidee zurückführen müssen – sie muss die pflegebedingten Kosten wieder in vollem Umfang bezahlen –, und fordere die Ampel gemeinsam mit Ministerpräsident Michael Kretschmer auf, die dringend notwendige Reform der Pflegeversicherung endlich anzugehen."

Laut Berechnungen des IGES-Instituts, einem Forschungs- und Beratungsinstitut für Infrastruktur- und Gesundheitsfragen, wären dafür im Beispieljahr 2026 rund 16,5 Milliarden Euro nötig, die der Bund übernehmen soll, heißt es im Bericht der Welt weiter. Im Jahr 2030 läge die Belastung für den Bund bei geschätzt 20 Milliarden Euro.

AOK will Pflege vor Ort stärken

Der AOK-Bundesverband sieht indes große Finanzierungsprobleme etwa bei Leistungen, die nichts mit Pflege zu tun haben, aber von den Pflegekassen bezahlt werden. Dazu gehörten die Bezahlung der Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige und die Mitfinanzierung der Pflegeausbildung. In einem Eckpunktepapier hat der Verband deshalb gefordert, diese Kosten aus Steuermitteln zu finanzieren. Zudem sei die Pflege vor Ort zu stärken und bedarfsgerechter zu gestalten. Dafür müssten Kommunen, Kranken- und Pflegekassen "deutlich enger" miteinander kooperieren.

Bisherige Leistungsansprüche sollen in ein Basisbudget (Geldleistung) und ein Sachleistungsbudget zusammengefasst werden. Dieses soll unabhängig vom Ort der Leistungserbringung (aber abhängig vom Pflegegrad) genutzt werden können.

Die AOK spricht sich zudem für einen Finanzierungsmix aus zweckgebundenem Bundeszuschuss, einer Dynamisierung der Teilleistungen der sozialen Pflegeversicherung sowie dem Ausbau der Pflegevorsorgefonds aus. Auch müssten die Bundesländer ihrer finanziellen Verantwortung zur Übernahme der Investitionskosten der Pflegeeinrichtungen nachkommen.

IPAG fordert Kernsanierung statt bloßer Reform

Nicht nur eine Reform, sondern eine "Kernsanierung" fordert hingegen der Think Tank IPAG, hinter dem das Institut für Pflege, Altern und Gesundheit steht. Sein Ziel: Gesundheitsversorgung menschenzentriert, interprofessionell und regional auszurichten, unterstützt durch gut ausgebildete Fachkräfte in den Gemeinden. Jürgen Drebes, Experte für die Versorgung von Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen, Community Health Nursing und Case Management sowie IPAG-Mitglied, sagte im Übergabe-Podcast am Wochenende: 

"Wir müssen das Gesundheitssystem komplett neu ausrichten, nicht nur reformieren, sondern restaurieren. Es braucht eine Kernsanierung, um den Anforderungen der heutigen Gesellschaft gerecht zu werden."

Die Umstrukturierung könne nur mit Unterstützung der Politik gelingen. Sie müsse Gesetze erlassen, die den Gesundheitsberufen mehr Selbstverwaltung und Entscheidungsfreiheit ermöglichten.

Weniger Pflegeheime, steigende Eigenanteile

Der Verband der Ersatzkassen bekräftigte kürzlich seine Forderung, einen Finanzausgleich zwischen sozialer und privater Pflegeversicherung einzuführen. Zwar gebe es einen gesetzlich festgelegten Einheitsbeitragssatz, die Lasten seien aufgrund des höheren Einkommensniveaus und des geringeren Pflegebedürftigkeitsrisikos in der privaten Pflegeversicherung jedoch unterschiedlich verteilt. 

Der Arbeitgeberverband Pflege hatte zu Jahresanfang in einer "Deutschlandkarte Heimsterben" über 800 Angebotseinschränkungen, Insolvenzen und Schließungen in der Altenpflege zusammengetragen. Der pflegerischen Versorgung prognostizierte der Verband noch in diesem Jahr den Kollaps.

Nach Zahlen des Verbands der Ersatzkassen vom 1. Juli zahlen zu Pflegende im Bundesdurchschnitt monatlich einen Eigenanteil von 2.871 Euro im ersten Aufenthaltsjahr in einem Pflegeheim. Das sind 211 Euro mehr als ein Jahr zuvor (1. Juli 2023: 2.660 Euro).
 

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