Die Berufsgruppe der Pflegefachpersonen verliert an Mitsprache bzw. bleibt ihnen diese in entscheidenden Gremien verwehrt. Das betrifft die Auflösung der Pflegekammer Schleswig-Holstein und die fehlende Mitbestimmung im Sachverständigenausschuss zur Infektionsschutzbekämpfung der Bundesregierung.
Unfertige Berufsordnung für Pflegende
Zum 11. Dezember 2021 wird die Pflegekammer Schleswig-Holstein aufgelöst – so, wie im Mai dieses Jahres vom Landtag beschlossen. Was das für die Selbstverwaltung beruflich Pflegender bedeutet, verdeutlichte am Donnerstag der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) Nordwest:
Pflegefachpersonen in Schleswig-Holstein verlören Autonomie, politische Mitsprache, Regelungsbefugnisse zur Berufsordnung und zu Weiterbildungsverordnungen sowie die Augenhöhe zu anderen Berufsgruppen im Gesundheitssystem.
Politik, Krankenkassen, Verbände und Einrichtungen hätten keine Ansprechpartnerin mehr und "die politisch Verantwortlichen lassen kein Konzept erkennen, weder zur Ergebnissicherung noch dazu, wer künftig welche Aufgaben übernimmt", so die Kritik des Berufsverbands.
Unklar sei etwa, wie es mit der fast fertigen Berufsordnung weitergehe.
Die stellvertretende Vorsitzende des DBfK Nordwest, Swantje Seismann-Petersen, konkretisierte:
"Hier wurde zum ersten Mal eine solche Ordnung von Pflegenden für Pflegende erstellt. Sie hätte dringend fertiggestellt und verabschiedet werden müssen, damit beruflich Pflegenden ein Instrument zur Verfügung gestanden hätte, auf das sie sich bei ethisch-rechtlichen Fragestellungen hätten berufen können. Weil die Arbeitsbedingungen zum Teil unhaltbar sind, wäre es wichtig gewesen, hier den Rahmen beruflichen Handelns klar zu stecken."
Auch die Übertragung heilkundlicher Aufgaben erfolge zwar regelmäßig im Arbeitsalltag, sie sei jedoch weitgehend ungeregelt.
Abschlussbericht der Pflegekammer: viel angefangen, doch jetzt droht Stillstand
Ferner sei vom Bildungsausschuss der Pflegekammer eine Rahmenweiterbildungsordnung sowie ein deutschlandweit einmaliges Konzept zur Weiterbildung der hochkomplexen Kinderkrankenpflege entwickelt worden. Doch auch hier fehle nun die Fertigstellung und Verabschiedung, damit das Erarbeitete auch im Berufsalltag von Pflegenden ankommen könne.
"Die Landesregierung bietet für die Implementierung dieser wichtigen Ordnungen keinerlei Perspektiven. Eine Weiterentwicklung der Profession ist offenbar nicht gewollt. Die Verantwortlichen der Politik lassen jegliche Wertschätzung bezüglich der erbrachten Arbeit der Kammer vermissen."
Dabei habe die Kammer in "sehr kurzer Zeit" "unglaublich viel" auf den Weg gebracht, wie der nun veröffentlichte Jahres- und Abschlussbericht der Pflegekammer belege.
Die Politik sei jetzt gefordert, eine Vertretung der beruflichen Pflege zumindest in den entscheidenden Gremien wie Landeskrankenhausausschuss, Landesarbeitsgemeinschaft für Einrichtungsübergreifende Qualitätssicherung und Landespflegeausschuss sicherzustellen.
Pflegewissenschaft nicht involviert im Ausschuss zur Corona-Bekämpfung
Ignoranz wirft indes die Präsidentin des Deutschen Pflegerats (DPR), Christine Vogler, der Politik vor.
Die Profession Pflege sei im Sachverständigenausschuss zur Infektionsschutzbekämpfung und Evaluation nicht beteiligt. Die Namen der Mitglieder wurden in der Vorwoche veröffentlicht.
Vogler verdeutlichte am Donnerstag:
"Dabei ist es die Profession Pflege, die maßgeblich zur Bewältigung der Corona-Pandemie beiträgt. In der Sachverständigenkommission findet sich jedoch keine einzige Pflegewissenschaftlerin, kein einziger Pflegewissenschaftler wieder. Das zeigt nach wie vor die Ignoranz gegenüber der Pflege bei einer dringenden Problembewältigung nationalen Ausmaßes, trotz aller anderslautenden Bekundungen seitens der Politik."
Der DPR fordert deshalb "umgehend" eine Nachbenennung. Die Pflege sei aufgrund der Interprofessionalität, die in dieser Sachlage gefordert sei, zwingend zu beteiligen.