Der Film "Lady With The Lamp" hat auf dem Pflegetag in Berlin seine Premiere gefeiert. Kongresspräsident und Bundesgeschäftsführer des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK), Franz Wagner, betonte bei seiner Eröffnungsrede die Botschaft des Films an Pflegende: "Setzt ein Zeichen für Veränderung! Raise Your Lamp! Lasst euer Licht scheinen, stellt es nicht unter den Scheffel. Gebt ein Signal. Weist den Weg!"
In dem rd. 2,5 Minuten langen Film unternimmt Florence Nightingale, deren 200. Geburtstag in diesem Jahr Anlass für das Jahr der Pflegenden und Hebammen war, eine Zeitreise. Aus der Mitte des 19. Jahrhunderts reist sie in die Gegenwart – und erlebt einen Mangel an ausreichend qualifizierten Pflegefachpersonen, der größer ist als jemals zuvor.
BibliomedPflege sprach mit DBfK-Präsidentin Christel Bienstein und Pflegefachperson Janine Wehrli, die im Video eine Komparsenrolle übernommen hat, über die Bedeutung des Kurzfilms.
"Seit dem 19. Jahrhundert hat sich an den Berufsbedingungen in der Pflege zwar vieles verändert, aber wenig verbessert."
Frau Bienstein, warum haben Sie sich entschieden, den Kurzfilm zu produzieren?
Wir wollten bewusst keinen klassischen Imagefilm machen, sondern die Zuschauerinnen und Zuschauer emotional ansprechen. Anlass zu dieser Form des Kurzfilms war natürlich der 200. Geburtstag von Florence Nightingale. Wir ziehen im Film eine Verbindung von ihrer Situation im 19. Jahrhundert zu der heutigen Situation. Man sieht, dass sich an den Berufsbedingungen zwar vieles verändert, aber wenig verbessert hat. Und Nightingale ist die Symbolfigur für eine Professionalisierung der Pflege, die auf Augenhöhe mit den anderen Berufsgruppen agiert, selbstbewusst und politisch ist.
"Setzt ein Zeichen für Veränderung" – so die Botschaft des Films. Ist sie als Weckruf an Pflegende gemeint? Müsste nicht eher die Politik in die Verantwortung genommen werden?
Die Botschaft ist vor allem als Bestärkung zu verstehen. Wir wollen und können für Politik und Gesellschaft sichtbar sein. Viele Pflegefachpersonen setzen sich täglich berufspolitisch ein – bei uns im DBfK, an ihrem Arbeitsplatz, in den Sozialen Medien, in Büchern und der Presse. All das ist gut und richtig. Je mehr von uns zeigen, was pflegepolitisch verändert werden muss, damit die Berufsbedingungen besser werden, desto besser. Der Film ist also insofern auch ein Weckruf an diejenigen, die befürchten, dass ihre Situation, ihre Forderungen und ihre Ideen nicht gehört würden. Wenn wir alle zusammen laut und sichtbar werden, kommt man nicht so einfach an uns vorbei.
"Wenn wir alle zusammen laut und sichtbar werden, kommt man nicht so einfach an uns vorbei."
Die aktuelle Situation ist für Pflegefachpersonen eine enorme Herausforderung. Glauben Sie, dass sich nun endlich etwas an den Rahmenbedingungen für die Profession Pflege ändern wird? Blicken Sie sorgenvoll in die Zukunft oder optimistisch?
In den vergangenen Monaten wurde viel versprochen und wenig gehalten. Der Applaus und die Wertschätzung sind schnell verflogen und haben keine Verbesserungen für die beruflich Pflegenden gebracht. Viel Grund für Optimismus gibt es aus dieser Perspektive also nicht. Allerdings haben die Pflegeberufe in diesem Jahr vermehrte Aufmerksamkeit erfahren. Vielen, die sich vorher nicht mit Pflege auseinandergesetzt haben, ist bewusst geworden, wie wichtig Pflege ist, und dass für eine gute Versorgung gut ausgebildete Pflegefachpersonen gebraucht werden. Bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr wird Pflegepolitik für uns als Berufsgruppe sicher ein Wahlkriterium sein. Aber auch all jene Wählerinnen und Wähler, die verstanden haben, dass wir die professionelle Pflege für ein funktionierendes Gesundheitssystem brauchen, können sich mit ihrem Kreuz für gute pflegerische Versorgung einsetzen – wenn auch ihnen das Klatschen nicht genug war. Wir jedenfalls werden darauf ein Licht werfen und unsere Stimme hörbar machen.
Frau Wehrli, Sie übernehmen eine kleine Rolle im Film. Warum war Ihnen das ein besonderes Anliegen?
Neben meiner hauptamtlichen Tätigkeit als Gesundheits- und Krankenpflegerin ist mir das berufspolitische Engagement sehr wichtig. Aus diesem Grund bin ich Mitglied im DBfK und darüber bin ich zu dieser Komparsenrolle gekommen.
Sie arbeiten derzeit auf einer COVID-19-Station in Niedersachsen. Wie erleben Sie die aktuelle Situation in der Pflege?
Die aktuelle Situation im Klinikalltag auf der COVID-19-Station beunruhigt mich zunehmend. Die Basis, also die Pflegefachpersonen vor Ort im Krankenhaus, in Heimen und ambulanten Pflegediensten, sind entscheidend bei der Behandlung von COVID-19-Erkrankten, bleiben jedoch leider bei vielen Entscheidungsprozessen außen vor und werden vor vollendete Tatsachen gestellt. Aus den Medien erfahre ich von den stetig steigenden Infektionszahlen und auch im Klinikalltag spiegelt sich dies wider. Dazu kommt, dass das Land Niedersachen die Pflegearbeitszeit auf 12 Stunden pro Tag und auf 60 Stunden pro Woche erhöht hat. Das alles zusammen führt zu einem enormen innerlichen Druck und Unruhe. Den Arbeitstag mit Bauchschmerzen zu beginnen, ist mittlerweile zur Normalität geworden. Die Ungewissheit, was mir am nächsten Tag bei der Arbeit begegnet, lässt mich nicht mehr gut schlafen. Der aktuelle Umgang mit uns "systemrelevanten" Pflegekräften spiegelt vielleicht die Versäumnisse sowie die tatsächliche Wertschätzung und Anerkennung – insbesondere auf der politischen Ebene – wieder.
"Die Ungewissheit, was mir am nächsten Tag bei der Arbeit begegnet, lässt mich nicht mehr gut schlafen."
Was erhoffen Sie sich von anderen Pflegenden durch den Kurzfilm?
Ich wünsche mir, dass sich uns zahlreiche Pflegende anschließen und wir gemeinsam für eine Pflege nach Corona kämpfen. Mich hat der Filmdreh motiviert und er gibt mir Kraft, weiter für das einzustehen, was für mich wirklich zählt: Gemeinsam stark sein und das enorme Potenzial der größten Berufsgruppe der Pflegenden zu nutzen, um für Verbesserungen einzustehen!
Der Film "Raise Your Lamp!" entstand im Rahmen der DBfK-Kampagne #PflegeNachCorona sowie in Zusammenarbeit mit dem Produktionsteam von Steintal, Regisseur Vincent Dolinsek und der Agentur mama Marketing.