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Pflegereform

Zukunftspakt Pflege: Eckpunkte, Streit und offene Fragen

Bund und Länder planen eine grundlegende Finanzreform der Pflegeversicherung bis Ende 2026. Die Eckpunkte liegen nun vor, Verbände üben aber scharfe Kritik. Zeitplan und Auswirkungen für Pflegende.

Bund und Länder peilen eine grundlegende Finanzreform der Pflegeversicherung bis Ende kommenden Jahres an. Das System müsse neu aufgestellt werden, sagte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) nach der abschließenden Sitzung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Zukunftspakt Pflege" am Donnerstagabend in Berlin: "Untätigkeit ist keine Option mehr." In einem Ergebnispapier werden Optionen für Maßnahmen bei Einnahmen und Ausgaben mit den Finanzfolgen aufgeführt. Leistungen sollten kritisch überprüft werden; zugleich betonte Warken: "Wir werden niemandem Leistungen kürzen, die nachweislich ihren Nutzen haben." Die Systematik mit fünf Pflegegraden soll beibehalten werden, ebenso der Grundsatz, dass die Pflegeversicherung – anders als die Krankenversicherung – nur einen Teil der Kosten trägt. Als Stellschraube werden Verbesserungen bei der Vorsorge genannt, um Pflegebedürftigkeit zu vermeiden oder später eintreten zu lassen. Eine nächste Bund-Länder-Runde zu Finanzierungsfragen ist im Februar 2026 geplant; das Reformgesetz soll "möglichst Ende 2026" in Kraft treten.

GKV-Spitzenverband: "unverbindliche Optionen" statt angekündigte Eckpunkte

Zur Stabilisierung der Pflegefinanzen stellt der Bund in diesem Jahr ein Darlehen von 500 Millionen Euro bereit; im kommenden Jahr sollen weitere 3,2 Milliarden Euro folgen. Der Beitrag bleibt Anfang 2026 stabil. Hamburgs Gesundheitssenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) brachte die Einbeziehung aller Einkunftsarten in die Finanzierung ins Gespräch, Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sieht die Stabilisierung der häuslichen Pflege als zentrale Aufgabe. Aus der Opposition kritisierte der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen, der Bericht bleibe bei Lösungen unverbindlich; Linken-Politikerin Evelyn Schötz sprach von einem "mutlosen Papier". Der GKV-Spitzenverband zeigte sich enttäuscht: Aus angekündigten Eckpunkten seien "unverbindliche Optionen" geworden, so Verbandschef Oliver Blatt. 

DPR: "Pflege als verantwortliche Akteurin kaum sichtbar"

Der Deutsche Pflegerat hatte bereits vor wenigen Tagen die bekannt gewordenen Eckpunke als unzureichend kritisiert. Besonders kritisch bewertet der DPR, dass Steuerungsmacht weiterhin bei Kassen, Ländern und Kommunen liegt, während Pflegekammern und der DPR nicht eingebunden seien: "Über Pflege wird viel gesprochen – aber nicht mit der Profession als gleichberechtigter Akteurin", sagte DPR-Präsidentin Christine Vogler und ergänzte am Freitag: "Das Papier beschreibt vieles, was wir seit Jahren wissen – es bleibt aber bei einer unverbindlichen Sammlung von Möglichkeiten stehen." Die Pflege sei als verantwortliche Akteurin kaum sichtbar, obwohl sie große Verantwortung trage. Vogler warnte vor Risiken bei Personal- und Qualitätsvorgaben: Mehr Flexibilität dürfe nicht zu abgesenkten Qualifikationsniveaus führen. Der DPR fordert verbindliche Entscheidungen zur Begrenzung der Eigenanteile, eine tragfähige Finanzierung, erweiterte pflegerische Kompetenzen und die Verankerung der Pflege in sektorenübergreifenden Strukturen. "Wir reden hier nicht nur über die Arbeitsbedingungen einer Berufsgruppe, sondern über die Frage, wie wir Pflege und Gesundheitsversorgung für kommende Generationen sichern", so Vogler. 

DBfK sieht Chancen, warnt vor fehlender Verankerung

Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) erkennt in den Eckpunkten des Zukunftspakts wichtige Ansätze wie Prävention, Rehabilitation und digitale Entlastung. Präsidentin Vera Lux betonte: "Das Ziel jedes pflegerischen Handelns muss es sein, Autonomie und Selbstständigkeit soweit es geht zu fördern, zu erhalten bzw. wiederherzustellen." Der DBfK sieht darin ein Leitbild für vorausschauende Pflege, warnte jedoch, dass diese Ansätze nur wirken können, wenn pflegerische Leistungen verbindlich im Leistungsrecht verankert und vergütet werden. Ohne klare Rahmenbedingungen und erweiterte Kompetenzen für Pflegefachpersonen bleibe die Chance ungenutzt. Lux forderte zudem eine Stärkung der ambulanten Pflege durch Anerkennung von Leistungen wie Anamnese, Fallsteuerung und Angehörigenberatung als eigenständige, vergütete Aufgaben.

bpa: "Register der Ratlosigkeit"

Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) bezeichnete die veröffentlichten Eckpunkte als "Register der Ratlosigkeit". Präsident Bernd Meurer kritisierte, die Arbeitsgruppe verschiebe Lösungen durch Prüfaufträge und stelle "völlig lebensfremde Vorschläge" in den Raum. "Die Kostenträger sollen gleichzeig eigene Versorgungsangebote entwickeln, für die dann aber geringere Anforderungen gelten. Was für ein Irrweg." Hemmnisse wie unklare Refinanzierungen, schleppende Zahlungen, mangelnde Digitalisierung und regulatorische Hürden würden "maximal benannt, aber nicht wirksam angegangen". Meurer forderte "sofort Beratungen über ein Versorgungssicherungsgesetz".

VKAD: "Pflege braucht kein weiteres Sammelpapier von prüfbaren Optionen"

Auch der Verband katholischer Altenhilfe (VKAD) sieht den Abschlussbericht kritisch. Geschäftsführer Andreas Wedeking sprach am Freitag von einem Papier voller "Andeutungen ohne Verbindlichkeit" und warnte vor wachsenden Liquiditätsrisiken durch lange Bearbeitungszeiten in der Sozialhilfe und ausstehende Zahlungen. Nötig seien "schnelle Entscheidungen statt Liquiditätsrisiken" – etwa Abschlagszahlungen, um Einrichtungen vor Engpässen zu schützen. "Die Pflege braucht kein weiteres Sammelpapier von prüfbaren Optionen, sondern ein Reformpaket, das eindeutig regelt, was kommt, wer es finanziert und ab wann es gilt."

Verdi: "echte Reformen fehlen"

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi bewertete den Bericht als Stückwerk. Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler kritisierte, echte Reformen für eine dauerhaft stabile Finanzbasis fehlten; weder die Übernahme von Investitions- und Ausbildungskosten durch Bund oder Länder noch die Einbeziehung weiterer Einkommensarten fänden sich im Abschlussbericht. Die diskutierte verpflichtende private Vorsorge sei eine Idee "aus der neoliberalen Mottenkiste". Verdi forderte unter anderem die Deckelung der Eigenanteile in der stationären Pflege (Sockel-Spitze-Tausch) und warnte vor Verschlechterungen bei Personalausstattung und Bezahlung unter dem Vorwand der Flexibilisierung.

Eckpunkte, Zeitplan, Auswirkungen auf die Versorgung

Der Korridor für die Reform ist gesetzt:

  • Prüfung der Leistungsstruktur,
  • Festhalten an fünf Pflegegraden und am Teilkaskoprinzip,
  • Vorsorge als präventive Stellschraube sowie
  • zeitnahe finanzpolitische Klärungen.

Für beruflich Pflegende bleibt damit aber vorerst offen, ob und wie Personalausstattung, Refinanzierungswege und Prozessanforderungen im Alltag betroffen sind – die Arbeitsgruppe benennt Handlungsfelder, legt jedoch noch keine verbindlichen Maßnahmen fest. 

Offene Punkte für die Pflegepraxis

Für Pflegende bleibt entscheidend, welche konkreten Maßnahmen am Ende umgesetzt werden: Wie werden Leistungen überprüft, ohne den Versorgungsstandard zu gefährden? Welche Refinanzierungswege sichern Personal und Qualität? Und wie greifen Vorsorgeelemente in den Alltag der ambulanten und stationären Pflege? Bis zur nächsten Bund-Länder-Runde im Februar und dem avisierten Gesetzeszeitpunkt Ende 2026 dürfte die Praxis mit weiterhin hoher Unsicherheit planen müssen. 

Bibliomed | dpa

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