In Berlin bleiben regelmäßig viele Ausbildungsplätze in der Pflege unbesetzt. Auf dem Stundenplan der Berliner Schulen steht das Thema Pflege trotzdem noch zu selten. Das möchte die Berliner Krankenhausgesellschaft ändern.
In Berliner Klassenzimmern wird über die Zukunft gesprochen: Handwerk, IT, Polizei oder Gastronomie. Über Pflege? Eher selten. Dabei ist das Interesse vorhanden: Schulen suchen verstärkt Angebote zur Berufsorientierung und Schülerinnen sowie Schüler zeigen Neugier auf den Pflegeberuf. Trotzdem bleiben viele Ausbildungsplätze in Berlin unbesetzt. Eine Lücke, die nicht zu unterschätzen ist. Denn der Nachwuchsmangel betrifft inzwischen alle Branchen. Die Pflege steht heute im Wettbewerb mit anderen attraktiven Berufsfeldern um junge Talente. Umso wichtiger ist es, Pflege dort sichtbar zu machen, wo Berufsentscheidungen fallen: in den Schulen.
Dabei ist die Nachfrage nach dem Beruf, der Menschen durch Krankheit, Alter und Krisen begleitet, riesig: Allein in Berlin werden bis 2030 rund 10.000 zusätzliche Pflegekräfte benötigt. In der Berufsorientierung spielte Pflege jedoch bisher lediglich eine untergeordnete Rolle. Die Folge: Viele Jugendliche wissen nicht, welche spannenden Perspektiven der Pflegeberuf bietet. Wenn Pflegekräfte dringend benötigt werden, aber zu wenige junge Menschen Genaueres über die Pflegeausbildung wissen und den Beruf nicht in Betracht ziehen, entsteht eine Lücke, die wir uns schlicht nicht leisten können.
Mit ihrer Kampagne #PflegeJetztBerlin hat die Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG) diese Lücke erkannt und begonnen, sie zu schließen. Unter dem Motto "Pflege macht Schule" bringt die Kampagne das Berufsbild dorthin, wo Berufsorientierung tatsächlich stattfindet: in die Klassenzimmer der neunten und zehnten Klassen.
#PflegeJetztBerlin: Pflege sichtbar machen, Perspektiven zeigen
Seit 2019 setzt sich die BKG mit der Kampagne #PflegeJetztBerlin und einem breiten Maßnahmenbündel, dem 10-Punkte-Plan, für eine starke Pflege in der Hauptstadt ein. Pflege soll sichtbarer, wirksamer und politischer werden – und nicht zuletzt sollen die Pflegekapazitäten in Berlin gestärkt werden. Im Mittelpunkt stehen bessere Arbeitsbedingungen, mehr Wertschätzung und konkrete Maßnahmen zur Nachwuchsgewinnung.
Ein zentrales Handlungsfeld dabei ist die schulische Berufsorientierung. Denn wer junge Menschen für die Pflege gewinnen will, muss früh ansetzen. An Schulen kann Interesse entstehen, wenn der Pflegeberuf sichtbar und greifbar wird.
Genau hier knüpft das Kampagnenprogramm an. Mit Projekten wie den Ausbildungsbotschafterinnen und -botschaftern, dem Veranstaltungskalender Berufsorientierung, der Teilnahme am digitalen Elternabend der Bundesagentur für Arbeit sowie der Kooperation mit der Landesagentur "Partner Schule Wirtschaft (PSW)" hat die BKG in den vergangenen Jahren ein breites Spektrum an Maßnahmen zur Berufsorientierung und Fachkräftesicherung in der Pflege entwickelt und erfolgreich umgesetzt. Das Ziel besteht darin, Jugendliche frühzeitig für den Pflegeberuf zu begeistern, ihnen praxisnahe Einblicke zu ermöglichen und langfristig Nachwuchs für die Berliner Krankenhäuser zu gewinnen.
Pflege aus erster Hand: Ausbildungsbotschafter in Berliner Schulen
Seit 2024 bringt #PflegeJetztBerlin junge Auszubildende als Pflegeausbildungsbotschafterinnen und -botschafter direkt in Berliner Schulen. Begleitet und koordiniert durch die BKG berichten sie dort ehrlich, anschaulich und auf Augenhöhe, wie der Pflegeberuf wirklich ist.
Das Konzept orientiert sich am bewährten Modell der Industrie- und Handelskammer (IHK), wurde aber gezielt auf die Pflege übertragen. In einem eigens entwickelten Schulungskonzept lernen die Auszubildenden, wie sie ihren Berufsalltag lebendig vermitteln können – nicht als Reklame, sondern als echten Einblick in den Beruf.
In den Schulen führen sie praktische Übungen durch, lassen die Jugendlichen Puls und Blutdruck messen, Infusionsschläuche anfassen oder – bei den Schülerinnen und Schülern sehr beliebt – ihr Wissen im Pflege-Quiz testen. Nach drei Schulungsrunden stehen rund 30 Auszubildende aus elf Berliner Krankenhäusern und Trägern bereit, darunter das Unfallkrankenhaus Berlin, die DRK-Kliniken Berlin, die Charité – Universitätsmedizin Berlin, Vivantes, die Alexianer, die Park-Klinik Weißensee und das Deutsche Herzzentrum der Charité.
Bis Herbst 2025 erfolgten neun Schuleinsätze an sieben Berliner Schulen, bei denen etwa 350 Jugendliche erreicht wurden. Lehrkräfte berichten von großem Interesse, reger Beteiligung und konkreten Nachfragen nach Praktikumsplätzen oder einem Platz im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres. Nicht selten meldet sich nach einem Botschafter-Einsatz etwa die Hälfte der Jugendlichen, die sich vorstellen können, in der Pflege zu arbeiten.
Besonders die persönliche Nähe wirkt: Wenn Auszubildende im ähnlichen Alter von ihren Beweggründen für eine Tätigkeit in der Pflege erzählen, entsteht Vertrauen und oft auch Neugier (Peer-Ansatz). Die Jugendlichen interessieren sich besonders für:
- Arbeitsalltag und Lieblingsaufgaben,
- Einsatzbereiche auf unterschiedlichen Stationen,
- Umgang mit emotionalen Situationen,
- Rahmenbedingungen und
- unterschiedliche Karrierewege.
Orientierung leicht gemacht: Praktikum und Elternarbeit
Damit aus Interesse Erfahrung wird, hat #PflegeJetztBerlin eine eigene Praktikumsplattform entwickelt. Auf einer übersichtlichen Landingpage können Schülerinnen und Schüler sowie Eltern passende Praktikumsplätze in der Pflege in Berlin finden und direkt Kontakt aufnehmen. QR-Codes auf Flyern und Visitenkarten führen ohne Umwege dorthin – ein Angebot, das besonders bei Schulbesuchen und auf Berufsmessen gut ankommt.
Auch Eltern werden gezielt einbezogen. Beim digitalen Elternabend der Bundesagentur für Arbeit geben Pflegeauszubildende Einblicke in ihren Alltag und beantworten Fragen zu Ausbildungswegen, Karriereperspektiven, Einstiegsmöglichkeiten und den Anforderungen im Pflegealltag. Denn Eltern spielen eine Schlüsselrolle bei der Berufswahl ihrer Kinder. Sie sollen die Pflege als zukunftsfähige und vielfältige Branche wahrnehmen und ihre Kinder ermutigen, diesen Weg zu gehen.
Gemeinsam stark: Netzwerke und Kooperationen
Ein wichtiger Erfolgsfaktor der Kampagne ist die enge Zusammenarbeit mit Partnern aus den Bereichen Bildung und Wirtschaft. Über die Landesagentur PSW des Berliner Bildungssenats werden Schulen und Krankenhäuser systematisch vernetzt. Formate wie "Netzwerke vor Ort – Schulen treffen Unternehmen" bringen Lehrkräfte, Praxisanleitende und Ausbildungsleitungen zusammen. Dieser Austausch führt zu echten Kooperationen.
Auch die IHK Berlin unterstützt mit der Plattform Praktikum Berlin die Suche nach passenden Einsatzstellen, während die Jugendberufsagentur und das RKW Kompetenzzentrum Informationsmaterial verbreiten und den bundesweiten Erfahrungsaustausch fördern. So wächst ein stabiles Netzwerk, das die Pflege langfristig in der schulischen Berufsorientierung verankert.
Ein sichtbares Aushängeschild dieser Zusammenarbeit ist der Veranstaltungskalender "Berufsorientierungstage Pflege". Er bündelt berlinweit alle Angebote der Berliner Krankenhäuser – von Schnuppertagen bis zu Workshops. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie bewirbt den Kalender aktiv an Schulen und stärkt damit die Präsenz des Themas Pflege im schulischen Kontext.
Wirkung und Ausblick
Die bisherigen Maßnahmen zeigen Wirkung. Immer mehr Jugendliche interessieren sich für Pflegeberufe, viele Schulen melden ein steigendes Interesse an Kooperationen und Eltern vertrauen zunehmend den beruflichen Perspektiven. Praktikumsplätze werden häufiger nachgefragt.
Für die kommenden Jahre plant #PflegeJetztBerlin, das Programm weiter auszubauen: Mehr Schulen – darunter auch Förderschulen – sollen erreicht und Auszubildende der Pflegefachassistenz stärker integriert werden. Die Botschafter:innen bleiben dabei das Herzstück der Kampagne – sie machen Pflege sichtbar, greifbar und erlebbar.
Der trägerübergreifende Ansatz, die enge Zusammenarbeit mit Schulen und die Kooperationen machen das Berliner Modell zu einem Leuchtturmprojekt mit Vorbildcharakter für ganz Deutschland. Es zeigt sich: Nachhaltige Nachwuchsgewinnung in der Pflege gelingt nur, wenn sie dort ansetzt, wo Berufswahl entsteht – im Klassenzimmer.
Fazit: Pflege braucht Nachwuchs – und Sichtbarkeit ist der erste Schritt. Mit #PflegeJetztBerlin hat die BKG gezeigt, wie Berufsorientierung konkret wirken kann: durch Begegnung, Authentizität und Kooperation. #PflegeJetztBerlin gibt der Pflege den Platz in der Berufsorientierung, den sie verdient. Wenn junge Menschen Pflege nicht nur als Beruf, sondern als sinnstiftende Zukunftsperspektive erleben, entsteht Nachwuchsförderung – für sie und für die Gesundheitsversorgung in der Hauptstadt.