Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK), der Deutsche Pflegerat (DPR) und die Pflegegewerkschaft BochumerBund kritisieren die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vorgesehene temporäre Aussetzung der Pflegepersonaluntergrenzen (PPUG) und den Vorschlag, Pflegefachpersonen aus anderen Abteilungen in der Kinderheilkunde einzusetzen.
PPUG seien die unterste rote Linie, um noch eine sichere Versorgung der Patientinnen und Patienten im Krankenhaus gewährleisten zu können, mahnte DBfK-Präsidentin Christel Bienstein am Freitag in Berlin.
"Wir reden also dann bereits nicht mehr von fachlich fundierter und aktivierender Pflege. Wenn selbst diese rote Linie in Frage gestellt wird, dann ist es das falsche Zeichen für die Pflegefachpersonen und gefährdet die Patient:innen im Krankenhaus. In Engpässen müssen Personalkapazitäten geschaffen werden, indem Leistungen wie beispielsweise elektive Eingriffe verschoben werden."
Praceus: "Kinder sind keine kleinen Erwachsenen"
Ähnlich äußerte sich die Pflegegewerkschaft BochumerBund. PPUG seien keine bloße Empfehlung. Deren Aussetzung führe zu einer defizitären Versorgung aller Patientinnen und Patienten, heißt es in einer Pressemitteilung der Gewerkschaft vom Freitag.
Und die Versorgung von Kindern durch fachfremde Kolleginnen und Kollegen sei aufgrund einer vollkommen anderen Physiologie ebenso wenig zu empfehlen. Dazu sagte die Bundesvorsitzende des BochumerBunds, Nina Praceus, selbst Fachgesundheits- und Kinderkrankenpflegerin:
"Kinder sind keine kleinen Erwachsenen."
Dramatische Situation der Kinder-Intensivmedizin
Auch der DPR bezeichnet den Ansatz, Pflegepersonal aus den Erwachsenenbereichen in die Kinderstationen zu verschieben und die PPUG in allen Bereichen eines Krankenhauses auszusetzen, als falsch.
Die Versorgung schwerkranker Kinder könne seit Langem kaum noch gesichert werden. Die Situation in Deutschlands Kinderkliniken und Kinderintensivstationen zeige ein dramatisches Bild, beschreibt DPR-Präsidentin Christine Vogler die aktuell äußerst schwierige Lage der Kinder-Intensivmedizin.
"Es fehlt Kinderkrankenpflegepersonal, daher werden Betten gesperrt und es gibt Finanzierungsprobleme. Es darf nicht sein, dass in Deutschland Kinder nicht wohnortnah versorgt werden, weil wir es nicht schaffen, dass genügend qualifiziertes Pflegepersonal für sie da ist."
Der DPR fordert daher "mehr Kolleginnen und Kollegen und eine sofortige Verbesserung der Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals auch in der Kinder-Intensivmedizin, um zumindest mittelfristig die katastrophale Versorgung zu verbessern".
Dringend müsse zusätzliches Personal in die Kinderkliniken entsandt werden, z. B. Sanitätsdienste der Bundeswehr oder Rettungsdienste.
"Benötigt werden zudem fundierte Zahlen. Erstmalig wird in Deutschlands Kinderkliniken mit der durch das Krankenhauspflegeentlastungsgesetz eingeführten Kinder-PPR 2.0 und Kinderintensiv-PPR erhoben, wie viel Pflegepersonal tatsächlich in den Kinderkliniken fehlt, um die nötigen Leistungen erbringen zu können."
DIVI-Umfrage: Kaum noch freie Intensivbetten in Kinderkliniken
Rund 40 % der verfügbaren Betten in Kinderkliniken können laut einer aktuellen Umfrage der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) nicht belegt werden.
Die DIVI hatte bundesweit 130 Kinderkliniken angeschrieben und von 110 zum Stichtag 24. November Rückmeldung erhalten. 43 der 110 Kinderkliniken haben demnach kein einziges Bett mehr auf der Normalstation frei. "Lediglich 83 freie Betten gibt es generell noch auf pädiatrischen Kinderintensivstationen in ganz Deutschland – das sind 0,75 freie Betten pro Klinik, also weniger als eines pro Standort", heißt es in der Pressemitteilung der DIVI aus der Vorwoche.
Die Situation der Kinderkliniken in Deutschland sei alarmierend. Die 110 rückmeldenden Häuser wiesen insgesamt 607 Intensivbetten für Kinder aus. Von diesen könnten insbesondere wegen Personalmangel lediglich 367 Betten (60,5 %) betrieben werden. 47 Kliniken hätten null verfügbare Betten, 44 Kliniken je ein freies Bett gemeldet. 46,4 % der an der Umfrage teilnehmenden Kliniken haben laut DIVI insgesamt 116 Patientinnen und Patienten abgelehnt – an nur einem Tag.
Die DIVI fordert daher "die sofortige Optimierung von Arbeitsbedingungen in den Kinderkliniken, den Aufbau telemedizinischer Netzwerke zwischen den pädiatrischen Einrichtungen und den Aufbau von spezialisierten Kinderintensivtransport-Systemen".