In diesem Jahr wäre Marie Simon 200 Jahre alt geworden. Doch wenige kennen die "deutsche Nightingale". Ein Blick auf ihr Wirken.
"Mutter Simon", "die Helferin auf den Schlachtfeldern", "deutsche Nightingale", "Nightingale Allemande" – all diese Namen erhielt Marie Simon für ihre aufopfernde, humanitäre Tätigkeit auf den Schlachtfeldern des 19. Jahrhunderts. Doch wer war Marie Simon?
Sie stammt aus Doberschau, einem kleinen Ort in der sorbischen Oberlausitz, wo sie am 26. August 1824 geboren wurde. Später führte sie auf dem Dresdner Altmarkt ein Weißwarengeschäft mit ihrem Mann Anton Simon. Ihre zweite Passion war die Krankenpflege, die sie sich autodidaktisch aneignete und mit Hospitationen im Dresdner Diakonissenkrankenhaus und an der Uniklinik Leipzig vertiefte.
Erste Krankenpflegerin, die mit Rot-Kreuz-Armbinde Kriegsverletzte versorgte
Im Juni 1866 begann der Deutsche Krieg – Österreich gegen Preußen. Marie Simon reiste am 3. Juli spontan auf den Kriegsschauplatz, um die sächsischen Verwundeten dieser Schlacht zu versorgen und heimzuholen. Das Rote Kreuz wurde in Sachsen erst vier Wochen vor Kriegsausbruch gegründet und war auf so ein Ereignis noch gar nicht vorbereitet. Bereits hier zeigten sich die Talente von Marie Simon. Da sie der sorbischen Sprache mächtig war, konnte sie sich auch in Böhmen verständigen. Ebenso ihr Durchsetzungsvermögen zahlte sich aus. Sie wollte nicht nur die sächsischen, sondern auch die preußischen Verwundeten mitnehmen, was der Feldkommandant von Königgrätz vorerst verweigerte. Sie setzte ihn unter Druck und sagte, dass dann auch die Sachsen dablieben. Nach reiflicher Überlegung, und sicherlich auch dank der Hartnäckigkeit Marie Simons, übergab er ihr auch die Preußen.
Nach neusten Erkenntnissen ist sie die erste Krankenpflegerin, die mit einer Rot-Kreuz-Armbinde auf dem Schlachtfeld tätig wurde. Für ihre Verdienste erhielt Marie Simon gemeinsam mit Florence Nightingale auf der ersten Rot-Kreuz-Konferenz 1867 in Paris eine Goldmedaille des Kongresses der Genfer Konvention verliehen. Kronprinzessin Carola berief Marie Simon in das Direktorium des von ihr 1867 gegründeten Albertvereins, dem Landesfrauenverein des Roten Kreuzes. Sie betraute sie mit der Ausbildung des Schwesternnachwuchses.
Ausbildung von Pflegeauszubildenden vorangetrieben
1870 war wieder Krieg. Marie Simon wurde als Spionin verhaftet und musste sich wieder gegen hohe Militärs durchsetzen. Dafür heftete sie sich ihre zahlreichen Auszeichnungen ans Revers, um zu verdeutlichen, dass sie eine angesehene und geachtete Frau war, die etwas zu sagen hatte. Denn Auszeichnungen hatte sie ausreichend erhalten. Diese wurden ihr von Frankreich, Österreich, Preußen, Sachsen und Württemberg verliehen. Unter anderem erhielt sie als erste bürgerliche Frau den 1871 von König Johann gestifteten Sidonien-Orden verliehen. Sie richtete in Frankreich Verpflegungsanstalten ein, in denen sogar hochrangige Offiziere bis zu Bismarck essen gegangen sind. Über ihre Erlebnisse in Frankreich veröffentlichte sie 1872 ihre Briefe und Tagebuchblätter in "Meine Erfahrungen auf dem Gebiete der freiwilligen Krankenpflege im Deutsch-Französischen Kriege 1870 – 71".
Auch nach dem Krieg setzte sich Simon nicht zur Ruhe. Neben der Tätigkeit im Albertverein hatte sie unter anderem die Oberaufsicht über den Krankenpflegenachwuchs. Für diesen schrieb sie 1876 ein Lehrbuch: "Die Krankenpflege, theoretische und praktische Anweisungen".
Erste deutschsprachige Krankenpflegelehrbuch von Marie Simon verfasst
Eine Studentin der Evangelischen Hochschule in Dresden hat in ihrer Bachelorarbeit 2024 nachgewiesen, dass dies das erste deutschsprachige Krankenpflegelehrbuch war. Im Vorfeld wurden Krankenpflegelehrbücher von Florence Nightingale aus dem Englischen übersetzt oder von Ärzten wie Johann Friedrich Dieffenbach aus Berlin geschrieben.
In Loschwitz, heute ein Stadtteil von Dresden, errichtete Simon 1872 eine Heilstätte für Kriegsinvaliden von 1870/71, welche mit Unterbrechung bis 1919 bestand.
Bisher wurde Marie Simon lediglich mit einer Straßenbenennung in Dresden gewürdigt. Die Marie-Simon-Straße befindet sich in Loschwitz in der Nähe der von ihr gegründeten Heilstätte. Seit 2014 wird der Marie-Simon-Pflegepreis für Verdienste um die Krankenpflege verliehen.
Aktionen zum 200. Geburtstag von Marie Simon
In diesem Jahr begeht das Sächsische Rote Kreuz den 200. Geburtstag von Marie Simon mit einem Gedenkjahr, um die vergessene Heldin der humanitären Hilfe posthum zu würdigen. Sie hat den gleichen Stellenwert in der Pflegegeschichte wie Florence Nightingale. Im vergangenen Jahr wurde bereits ihr Grab auf dem Trinitatisfriedhof in Dresden restauriert.
- Anfang des Jahres wurde ihr Buch, welches sie über ihren Einsatz von 1870/71 geschrieben hat, neu aufgelegt.
- Am 3. Mai wurde im sächsischen Rot-Kreuz-Museum in Beierfeld ihr zu Ehren eine Sonderausstellung mit dem Titel „Kriegsschwestern – Frauen im Krieg“ eröffnet.
- Im August wird das Sommerfest des DRK-Landesverbands Sachsen Marie Simon in den Mittelpunkt stellen.
- Ebenfalls im August wird ihre Biographie des Dresdner Schriftstellers Jürgen Helfricht erscheinen.
- Am 24. August – zwei Tage vor ihrem 200. Geburtstag – wird in ihrem Geburtsort Doberschau durch den Landesfrauenrat ein „Frauenort“ eingeweiht.
- Im September findet die Jahrestagung der Museumsleiter der deutschen Rot-Kreuz-Museen in Beierfeld statt.
- Im November wird die Tagung „Krankenhauspflege in Kriegs- und Friedenszeiten aus historischer Perspektive“ der Sektion Historische Pflegeforschung der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft und des DRK-Landesverbands in Dresden veranstaltet.
Das Sächsische Rot-Kreuz-Museum Beierfeld
Das Museum entwickelte sich 1996 aus einer Exponatensammlung einiger geschichtsinteressierter Mitglieder des Roten Kreuzes in Beierfeld. Mittlerweile ist aus der kleinen Sammlung ein anerkanntes Museum geworden, das auch bei wissenschaftlichen Arbeiten unterstützt.