Die Personalsituation auf deutschen Intensivstationen hat sich im Vergleich zu 2018 erneut "deutlich" verschlechtert. Darauf hat die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) in der Vorwoche hingewiesen.
Ein Drittel denkt über Jobwechsel nach
Ca. ein Drittel der Intensivpflegefachpersonen denke darüber nach, den Beruf in den kommenden 12 Monaten zu verlassen.
Die Sektion Pflege der DGIIN ist besorgt: Das gesamte Gesundheitssystem werde an seine Belastungsgrenze gebracht. Die zur Aufrechterhaltung des Regelbetriebs nötig Zahl an Pflegefachpersonen werde "absehbar" und "dauerhaft" unterschritten werden.
Die professionelle Fachpflege auf Intensivstationen könne nicht einfach von fachfremdem Personal kompensiert werden, verdeutlichte DGIIN-Vorstandsmitglied und Sprecher der Sektion Pflege, Carsten Hermes. Deshalb seien verbindliche Personalschlüssel nötig, die sich am tatsächlichen Bedarf und nicht lediglich an einer Untergrenze orientierten.
Verbindliche Personalschlüssel nötig
Die derzeit erneut aufkommende Debatte um die Aussetzung der Pflegepersonaluntergrenzen zeige, wie wenig Wertschätzung der anspruchsvollen Arbeit hoch spezialisierter Pflegender entgegengebracht werde. Eine solche Aussetzung führe unweigerlich zu einer weiteren Steigerung der ohnehin enormen Arbeitsbelastung, was gleichzeitig eine Verschlechterung der Versorgungsqualität mit sich brächte.
Der stellvertretende DGIIN-Sektionssprecher, Tobias Ochmann, sagte:
"Die Intensivpflege in Deutschland steht nun an einem Scheideweg. Die hohe Motivation und Freiwilligkeit unter den Intensivpflegenden, wie noch zu Beginn der ersten Welle, wird sich sicher nicht mehr wiederholen. Wenn jetzt keine Maßnahmen zur Stärkung der Pflege getroffen werden, lässt sich die Abwärtsspirale, in der sich die professionelle Pflege derzeit befindet, immer schwerer aufhalten."
Die permanente Missachtung der Forderungen zur Verbesserung der Situation in der Intensivpflege seitens der Politik und der Kliniken werde unweigerlich zum flächendeckenden Pflexit führen, der mancherorts bereits bedrohliche und nachhaltige Ausmaße angenommen habe, so Ochmann und Hermes.
Modellrechnung zeigt Entwicklung auf Intensivstationen
In der Vorwoche hatte bereits eine Blitzumfrage des Deutschen Krankenhausinstituts im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft belegt, dass sich die Corona-Pandemie verschärfend auf den Pflegepersonalmangel der Intensivstationen auswirkt.
Die sich zuspitzende Situation hat auch die Debatte um eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen wieder entfacht.
Wie könnte die Auslastung der Intensivstationen in den kommenden Wochen aussehen? Das zeigen aktuelle Berechnungen des Leiters des Intensivregisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Christian Karagiannidis, gemeinsam mit dem Mathematiker der RWTH Aachen, Andreas Schuppert. Ihre Modellrechnung geht im günstigsten Fall von 3.500 COVID-19-Intensivpatientinnen und -patienten aus. Dazu müsste jedoch das Infektionsgeschehen schlagartig gebremst werden.