Die Personaluntergrenzen in der Intensivpflege sind aus Sicht der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) bei weiter steigender Zahl von Corona-Fällen nicht mehr haltbar. Wenn Kliniken, von denen viele rote Zahlen schrieben, die Vorgaben unterschritten, drohten ihnen empfindliche Strafen. Die Vorgaben müssten ausgesetzt werden, um gemischte Teams bilden zu können und insgesamt bei weiterem Anstieg der Fallzahlen noch möglichst viele Patientinnen und Patienten versorgen zu können.
Mehr Flexibilität beim Personaleinsatz gefordert
Die Pandemie dauere schon viel länger als gedacht und hinterlasse Spuren beim Personal, das am Limit arbeite. BWKG-Vorstandsvorsitzende Heiner Scheffold sagte deshalb am Mittwoch:
"Die Kliniken brauchen in der Pandemie mehr Flexibilität beim Personaleinsatz."
Außerdem forderte die BWKG eine Finanzierung, wenn Kliniken auch über den eigenen Bedarf Pflegepersonal für die Arbeit in der Intensivstation weiterbilden.
Darüber hinaus bräuchten die Kliniken im Jahr 2021 vom Bund und vom Land finanzielle Hilfen im gleichen Umfang wie 2020.
"Wer fordert, wieder mehr Intensivbetten für Covid-19-Patienten vorzuhalten, muss auch für eine auskömmliche Finanzierung sorgen."
Das Versprechen Spahns im März 2020, dass wirtschaftliche Folgen für die Krankenhäuser ausgeglichen werden, sei nicht erfüllt worden. Es könnte der Eindruck entstehen, dass er die Corona-Krise für Krankenhausschließungen nutze.
Aussetzen erhöht Arbeitsverdichtung
Kritik zum erneuten Aussetzen der Pflegepersonaluntergrenzen kommt von der Gewerkschaft Verdi. Scheffolds Forderung führe zu weiterer Arbeitsverdichtung.
Verdi-Gesundheitsexpertin Irene Gölz sagte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur:
"Wer fordert, die Personaluntergrenzen auszusetzen, ohne eine Entlastung zu schaffen, versucht die Probleme auf dem Rücken der Beschäftigten auszutragen."
Die Personaluntergrenzen sollten lediglich eine gefährliche Versorgung verhindern, so Gölz. Ein wirklich entlastendes Konzept, orientiert am Pflegebedarf der Patientinnen und Patienten, liege Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bereits seit Anfang 2020 vor, ohne dass er darauf reagiert habe.
Das Personal leide nicht unter zu geringer Bezahlung, sondern unter Stress. Um den Exodus aus dem Beruf zu verhindern, müssen nach Angaben von Gölz mehr Stellen geschaffen werden.