Digitale Dokumentation, smarte Sturzerkennung und partizipative Projektarbeit: Die Seniorenhilfe Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel (SMMP) zeigt, wie Innovation in der Pflege gelingen kann. Mit gezielter Mitarbeitereinbindung und praxisnahen Pilotprojekten entstehen Lösungen, die sowohl die Lebensqualität der Bewohnenden als auch die Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals verbessern.
Die Altenpflege sieht sich mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert – insbesondere, wenn es darum geht, die Lebensqualität pflegebedürftiger Menschen zu verbessern und gleichzeitig die Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals zu optimieren. Digitale Lösungen und neue Arbeitsmodelle können dabei wertvolle Unterstützung leisten.
Die Seniorenhilfe Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel (SMMP) in Nordrhein-Westfalen hat in den vergangenen Monaten verschiedene Ansätze praktisch erprobt. Besonders die KI-basierte, digitale Sprachdokumentation "Voize" und der smarte Raumsensor "Livy Care" spielen dabei eine zentrale Rolle. Sie zeigen Chancen und wichtige Aspekte bei der Einführung solcher Technologien auf.
Schritt für Schritt zur sprachgesteuerten Pflegedokumentation
Im Mai 2023 hat die erste Einrichtung der Seniorenhilfe SMMP im Seniorenzentrum Haus Maria in Geseke die KI-basierte und sprachgesteuerte Pflegedokumentation "Voize" eingeführt. Der Impuls dazu kam von Mitarbeitenden, die die Technologie auf einer Fachmesse entdeckt und ihr Potenzial erkannt hatten.
Die ersten Erfahrungen zeigten schnell, wie wichtig eine gezielte Begleitung ist. Ohne speziell geschulte Voize-Coaches fehlten zunächst feste Ansprechpartner; dies führte bei einigen Mitarbeitenden zu Unsicherheiten. Technik allein reicht also nicht – entscheidend ist, wie sie in den Alltag integriert wird.
Um den Einsatz zu erleichtern, entwickelte das Team ein umfassendes Schulungskonzept und führte Voize-Coaches ein – Mitarbeitende aus den Einrichtungen, die als Multiplikatoren geschult wurden. Sie stehen als feste Ansprechpersonen zur Verfügung und organisieren den Austausch im Team. Dieses Vorgehen steigerte Akzeptanz und Nutzung der Technologie deutlich.
Aktuell wird "Voize" bereits in fünf stationären Einrichtungen der Seniorenhilfe eingesetzt. Eine übergreifende Coaching-Gruppe sorgt für den kontinuierlichen Erfahrungsaustausch und unterstützt die Weiterentwicklung.
Erkenntnisse aus der Praxis: Die Erfahrungen zeigen, dass regelmäßige Erinnerungen und Nachfragen notwendig sind, um die Technologie konsequent zu nutzen. Ebenso wichtig ist eine verlässliche technische Basis, zu der auch ein stabiles WLAN gehört. Feste Termine und klare Vorgaben helfen dabei, Rückmeldungen systematisch zu erfassen. Und nicht zuletzt braucht es Geduld, denn Veränderungen müssen erst im Pflegealltag ankommen, bevor sie selbstverständlicher Teil der Routine werden.

Ein Pilotprojekt zur KI-gestützten Sturz- und Hilferuf-Erkennung
Im August 2023 startete im Seniorenzentrum Haus Maria Regina in Wadersloh-Diestedde ein Pilotprojekt mit dem KI-gestützten System "Livy Care". Das System erkennt Stürze und Hilferufe automatisch und ermöglicht so frühzeitige Interventionen. Seit diesem Zeitpunkt werden gemeinsam mit der Universität Bielefeld valide Daten erhoben und Ergebnisse wissenschaftlich ausgewertet.
In der ersten Phase konnten bereits mehr als 150 Stürze erfasst und somit schnell reagiert werden. Erste Auswertungen der Universität Bielefeld zeigen außerdem, dass sich die Mitarbeiterzufriedenheit bereits ein Jahr nach der Einführung spürbar verbessert hat. Dies belegt, dass die Technologie nicht nur den Bewohnenden zugutekommt, sondern auch die Arbeitsbedingungen verbessert.
Ein zentraler Erfolgsfaktor war die aktive Einbindung der Pflegenden. In Fallbesprechungen und Teamsitzungen wurden Bedenken aufgegriffen, Fragen beantwortet und die Bedienung gemeinsam geübt. Dieser transparente Austausch stärkt das Verständnis, die Teamdynamik und die Akzeptanz des Systems.
Aufgrund der positiven Erfahrungen wird nun getestet, inwieweit "Livy Care" auch die häusliche Situation positiv beeinflussen kann. Zudem wird das System kontinuierlich weiterentwickelt. Eine neue Funktion zur Vitalzeichenkontrolle steht kurz vor der Einführung und ermöglicht eine engere Begleitung der Bewohnenden sowie ein schnelleres Reagieren auf Veränderungen.
Das Projekt zeigt eindrücklich, dass innovative Technologien in der Pflege gleich doppelt wirken: Sie erhöhen die Sicherheit der Bewohnenden und steigern gleichzeitig die Zufriedenheit der Mitarbeitenden.
"Pflegeattraktiv": Mitgestaltung durch Mitarbeitende
Im Rahmen der Zertifizierung "Pflegeattraktiv" werden derzeit sechs innovative Projekte entwickelt, um die Arbeitsbedingungen im Seniorenzentrum Haus St. Martin in Herten-Westerholt attraktiver zu gestalten. Ein zentraler Ansatz dabei ist, die Mitarbeitenden von Anfang an aktiv zu beteiligen. Sie bestimmen selbst, welche Themen relevant sind und wie diese umgesetzt werden. Unterstützt durch die Zertifizierungsstelle "Pflegezert" können Teams eigene Ideen in Projektgruppen entwickeln und umsetzen.
In diesen Gruppen können sich die Mitarbeitenden entsprechend ihren Interessen und Stärken einbringen. Sie arbeiten eng mit der Pflegedienstleitung, der Einrichtungsleitung und weiteren Führungskräften zusammen, um konkrete Projekte voranzubringen. Ein Beispiel ist die Projektgruppe "Arbeitszeiten", die verschiedene Modelle wie eine 4-Tage-Woche testet, um die am besten geeignete Lösung zu ermitteln.
Auch kleinere Maßnahmen zeigen bereits Wirkung: Die Projektgruppe "Kommunikation" hat die Organisation der Dienstübergaben optimiert. Solche Veränderungen verdeutlichen, dass es bei dem Projekt nicht nur um neue Modelle geht, sondern vor allem um die Mitgestaltungsmöglichkeiten der Mitarbeitenden, die direkt am Pflegealltag beteiligt sind.
Wer aktiv an der Gestaltung seiner Arbeitswelt beteiligt ist, fühlt sich wertgeschätzt und erlebt, dass seine Ideen zählen. Dieser Ansatz stärkt nicht nur die Zufriedenheit des Teams, sondern auch die Pflegequalität insgesamt.
Um diese Erfahrungen weiterzugeben, plant die Seniorenhilfe eine Mitarbeiterumfrage zu den Inhalten der verschiedenen Projektgruppen in den anderen stationären Einrichtungen. Die Einrichtungsgruppe will so künftig noch stärker die Mitarbeitenden einbinden und ihre Stimmen in die Weiterentwicklung der Arbeitsmodelle einfließen lassen.
Fazit: Innovation braucht Zusammenarbeit und Geduld
Die Erfahrungen mit digitalen Technologien und neuen Arbeitsmodellen bei der Seniorenhilfe SMMP zeigen deutlich: Erfolge und Herausforderungen gehen Hand in Hand. Die Grundlage für erfolgreiche Projekte sind kontinuierliche Evaluation, regelmäßiger Austausch und die aktive Einbindung der Mitarbeitenden – Technik und Mitgestaltung ermöglichen gleichermaßen Fortschritt.