Der Deutsche Ethikrat hat sich in einer am Mittwoch veröffentlichten Ad-hoc-Empfehlung für eine Ausweitung der Impfpflicht über die kürzlich vom Bundestag beschlossene bereichsbezogene Impfpflicht hinaus ausgesprochen. Damit kommt der Rat einer Bitte der Bundesregierung sowie der Ministerpräsidentinnen und -präsidenten von Anfang Dezember nach, eine Einschätzung zu den ethischen Aspekten einer allgemeinen gesetzlichen Impfpflicht abzugeben.
Hohe Impfquote entscheidend im Kampf gegen Corona
Laut Ethikrat ist eine hohe Impfquote entscheidend, "um in eine kontrollierte endemische Situation" zu gelangen.
Aktuell stoße das Gesundheitssystem vielerorts an seine Grenzen. "Virusvarianten wie Omikron und erwartbar weitere Varianten des Virus nötigen Sachverständige dazu, ihre Einschätzungen zum künftigen Pandemieverlauf immer wieder aufs Neue zu überprüfen", betonte der Ethikrat.
Dennoch sei eine gesetzliche Impfpflicht stets eine "erhebliche Beeinträchtigung rechtlich und moralisch geschützter Güter". Eine Ausweitung sei deshalb nur zu rechtfertigen, wenn sie gravierende negative Folgen möglicher künftiger Pandemiewellen wie eine hohe Sterblichkeit, langfristige gesundheitliche Beeinträchtigungen signifikanter Teile der Bevölkerung oder einen drohenden Kollaps des Gesundheitssystems abzuschwächen oder zu verhindern vermöge.
Impfpflicht "kein Allheilmittel"
Eine Impfpflicht sei allerdings auch "kein Allheilmittel gegen die Pandemie", sondern nur als Teil einer umfassenden, evidenzbasierten, differenzierten und vorausschauenden Pandemie-Gesamtstrategie zu erwägen.
Weitere Maßnahmen wie eine "flächendeckende Infrastruktur mit sehr vielen niedrigschwelligen Impfangeboten und ausreichend Impfstoff" seien nötig.
Der Ethikrat empfiehlt zudem eine direkte Einladung von Impfverpflichteten, ein datensicheres nationales Impfregister sowie kontinuierliche Evaluation und Begleitforschung.
Über die konkrete Ausgestaltung einer erweiterten Impfpflicht herrscht im Ethikrat jedoch Uneinigkeit:
- 7 Ratsmitglieder plädieren dafür, eine Ausweitung der Impfpflicht auf erwachsene Personen zu beschränken, die bezüglich COVID-19 besonders vulnerabel sind (etwa Ältere und Vorerkrankte). Sie halten ein risikodifferenziertes Vorgehen für das mildere und damit verhältnismäßigere Mittel, um eine Überlastung des Gesundheitssystems, speziell der Intensivstationen, zu vermeiden.
- 13 Ratsmitglieder befürworten die Ausweitung auf alle in Deutschland lebenden impfbaren Erwachsenen. Sie gehen davon aus, dass dies notwendig ist, um das Ziel einer nachhaltigen, dauerhaft tragfähigen und gerechten Beherrschung der Pandemie zu erreichen.
Brandbrief wegen einrichtungsbezogener Impfpflicht
In Unterfranken haben sich derweil mehrere Pflegeeinrichtungen von Arbeiterwohlfahrt, Caritas und Diakonie in einem gemeinsamen Brandbrief an den Landtag gewandt: Die auf den Gesundheitssektor beschränkte Impfpflicht habe "katastrophale Auswirkungen" auf die Arbeit der Altenpflege, heißt es darin, wie das regionale Nachrichtenportal "inFranken" am Mittwoch berichtet hat.
Sowohl die stationären Einrichtungen als auch die ambulanten Pflegedienste würden schon jetzt unter der ab März 2022 geltenden Impfpflicht leiden. Die ersten Kündigungen gingen ein, sodass bereits an Weihnachten mit Lücken im Dienstplan zu rechnen sei.
Welche Auswirkungen das Ausscheiden der Mitarbeitenden für das übrige Personal habe und welche zusätzlichen Konsequenzen drohten, sei aktuell nicht überschaubar.
Noch in dieser Woche wollen die Unterzeichnenden des Brandbriefs eine Überlastungsanzeige gegen die Pflegekassen erstatten.