Der bereits von Januar auf Juli verschobene Start der Einführungsphase für das neue Personalbemessungsinstrument in Krankenhäusern – PPR 2.0 – droht, auf den letzten Metern im Bundesrat blockiert zu werden. Ein Antrag von Bayern im Gesundheitsausschuss des Bundesrats hat am Mittwoch für ordentlich Wirbel und Unverständnis in der Pflegebranche gesorgt.
Bayern blockiert Einführung der PPR 2.0
In sieben Punkten erläutert der Freistaat in seinem BibliomedPflege vorliegenden Antrag, warum der Bundesrat der PPR 2.0 nicht zustimmen solle. So könne die geplante Personalbemessung zwar eine Entlastung des Pflegepersonals darstellen. Allerdings bestehe die Herausforderung der Krankenhäuser bereits heute darin, ausreichend Pflegepersonal zu akquirieren und zu halten. Daher seien in einem ersten Schritt zunächst Maßnahmen zu ergreifen, um die in den Krankenhäusern vorhandenen personellen Ressourcen zu stärken.
Der bereits bestehende Personalmangel in der Pflege könne auch mittelfristig nicht durch ein Personalbemessungsinstrument behoben werden, da dieses kein zusätzliches Personal generiere, sondern infolge der zusätzlichen Prüf- und Meldepflichten vielmehr weitere personelle Kapazitäten für bürokratische Tätigkeiten binde.
Pflege kämpft seit 2019 für ein neues Personalbemessungsinstrument
Es bestünden "gravierende Bedenken" angesichts des mit der Umsetzung der PPR 2.0 dauerhaft einhergehenden "massiven zusätzlichen" bürokratischen Aufwands.
Mit neun zu fünf Stimmen und zwei Enthaltungen hat nun nach AOK-Angaben der Gesundheitsausschuss im Bundesrat empfohlen, das Thema bei der nächsten Sitzung der Länderkammer am 22. März nicht zu behandeln.
2023 ist die PPR 2.0 bereits in Modellversuchen erprobt worden. Seit 2019 haben Deutscher Pflegerat (DPR), Deutsche Krankenhausgesellschaft und Gewerkschaft Verdi für die Einführungsphase eines neuen Personalbemessungsinstruments in Krankenhäusern gekämpft. Von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) seinerzeit ignoriert, brachte sein Nachfolger Karl Lauterbach (SPD) die entsprechende Pflegepersonalbemessungsverordnung (PPBV) auf den Weg.
Pflegerat: PPBV wichtigste Signal für verbesserte Arbeitsbedingungen
Das Entsetzen in der Pflegebranche ist groß angesichts der Blockadehaltung im Bundesrat. Der jetzige Antrag aus Bayern sei "beschämend" und "inakzeptabel", kritisierte der DPR am Donnerstag. Er sei "strikt abzulehnen, da er (…) den Bemühungen um eine bessere Personalsituation in unseren Krankenhäusern widerspricht und mit massiver Desinformation einhergeht". DPR-Präsidentin Christine Vogler betonte:
"Die Pflegepersonalbemessungsverordnung ist bundesweit das wichtigste Signal für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege im Krankenhaus. Die Verordnung führt dazu, dass mehr Menschen einen Pflegeberuf in Betracht ziehen und mehr Mitarbeiter:innen gewonnen werden können. Die Verordnung sendet mit der Umsetzung der PPR 2.0 ein klares Signal für positive Veränderungen in der Berufsgruppe."
Internationale Studien, wie in Kalifornien, hätten ausführlich den Einsatz von Personalbemessungsinstrumenten untersucht und gezeigt, dass dies zu einer Verringerung der Arbeitsbelastung und einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen führt.
Die angeblich hohe Bürokratie sei eine unbegründete Behauptung. Die PPR 2.0 sei bereits digital und benutzerfreundlich umsetzbar. Es sei beschämend, die vermeintliche Bürokratie als Argument gegen die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Sicherstellung der Versorgung zu verwenden.
DBfK: Schwarzer Tag für professionelle Pflege droht
Auch der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) äußerte sich verärgert über den Antrag aus Bayern. DBfK-Präsidentin Christel Bienstein sagte:
"Die PPR 2.0 ist aktuell das einzige Instrument, mit dem wir Pflegequalität in den Krankenhäusern sicherstellen können. Es ist ein lernendes Instrument, das weiterentwickelt wird. Dafür muss die PPBV jetzt kommen. (…) Dass wir ohne eine verbindliche Personalbemessung keinen Personalaufbau in den Kliniken schaffen, haben wir nun lange genug beobachtet."
Sollte die PPBV tatsächlich abgelehnt werden, sei das ein "schwarzer Tag für die professionelle Pflege". Es werde eine wichtige Maßnahme blockiert, ohne Alternativen zu präsentieren.
"Was auch immer Bayern damit erreichen will, es geht auf Kosten der beruflich Pflegenden und der Pflegequalität."
Verdi spricht von Affront
Verdi findet gleichfalls deutliche Worte der Kritik. Der Antrag Bayerns sei "ein Affront gegen die Beschäftigten der Krankenhäuser". Verdi-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler sagte:
"Auch Bayerns Staatsregierung hat in Sonntagsreden immer wieder erklärt, die Überlastung der Pflegekräfte müsse überwunden werden. Doch jetzt will sie die entscheidende Maßnahme zur Entlastung auf den letzten Metern sabotieren. Diese Politik ist verlogen und unverantwortlich."
Die PPR 2.0 ist Teil des bereits am 1. Januar 2023 in Kraft getretenen Krankenhauspflegeentlastungsgesetzes.