Ausländisches Fachpersonal wird künftig leichter nach Deutschland kommen können. Das sieht ein Gesetzesbeschluss des Bundestags vor, den der Bundesrat vergangenen Freitag gebilligt hat. Das Gesetz soll dem aktuellen Fachpersonalmangel, insbesondere auch in der Pflege, entgegenwirken.
Reform der Fachpersonaleinwanderung kommt
Dafür sieht die Reform ein neues System mit drei Säulen vor:
- Fachkräftesäule: Sie bildet das zentrale Element. Im Mittelpunkt steht der Fachkräftebegriff, der eine Gleichwertigkeit der ausländischen Berufsqualifikation verlangt. Künftig kann eine Fachperson jede qualifizierte Beschäftigung ausüben. Das Gesetz senkt die bestehenden Gehaltsschwellen der sogenannten „Blauen Karte EU“ ab und erleichtert die Bedingungen für Berufsanfänger, ebenso die Regelungen zur Mobilität und zum Familiennachzug. Es setzt die erforderliche Voraufenthaltsdauer für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis für Inhaber einer Blauen Karte EU sowie für Fachpersonal und deren Familienangehörige herab. Ausländische Studierende erhalten erweiterte Nebenbeschäftigungsmöglichkeiten. Das Gesetz vereinfacht zudem den Wechsel zwischen Aufenthalten zu Bildungs- und zu Erwerbszwecken.
- Erfahrungssäule: Die Einreise und die Aufnahme einer qualifizierten Beschäftigung ohne einen in Deutschland formal anerkannten Abschluss wird für alle Berufsgruppen geöffnet. Voraussetzung ist eine zweijährige einschlägige Berufserfahrung, ein Mindestgehalt sowie eine im Herkunftsland staatlich anerkannte mindestens zweijährige Ausbildung.
- Potenzialsäule: Das Gesetz führt die „Chancenkarte“ als neuen Aufenthaltstitel ein, der auf einem Punktesystem basiert und Arbeitskräften zur Arbeitsplatzsuche einen gesteuerten Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht. Dafür müssen Arbeitnehmende zunächst eine Vorqualifikation nachweisen und über deutsche Sprachkenntnisse auf dem Niveau A 2 oder englische Sprachkenntnisse auf dem Niveau B 2 verfügen. Das Potenzial für eine nachhaltige Arbeitsmarktintegration wird anhand festgelegter Kriterien, unter anderem Qualifikation, deutsche Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug, ermittelt.
Pflegemanagement: Chancenkarte erleichtert Aufenthaltserlaubnis für Pflegehilfspersonal
Das Gesetz sei "besonders im Hinblick auf den wachsenden Bedarf an Fachkräften in verschiedenen Branchen, einschließlich der Pflege, von großer Bedeutung", urteilte der Bundesverband Pflegemanagement. Die auf Basis eines Punktesystems aufgebaute Chancenkarte erleichtere die Aufenthaltserlaubnis für Pflegehilfspersonal und sei damit ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Auch die Entfristung der Westbalkanregelung und die damit zusätzlich möglichen Einwanderungen sowie die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung für Personen ab 45 Jahren, die mit ihrem hohen Fachwissen zunehmend Bedeutung für die Pflege haben würden, sei positiv zu werten.
Beides seien längst überfällige Schritte, um den Bedarf an Pflegepersonal "zumindest entgegenzukommen".
Bundesweit einheitliche Standards festlegen
Allerdings sei "alarmierend", dass Behörden immer noch unnötig komplizierte und einzelfallbezogene Anforderungen an Pflegefachpersonen aus dem Ausland stellten, die selbst erfahrene Agenturen "vor schier unüberwindbare Herausforderungen" stelle.
Der Verband teilte in der vergangenen Woche mit:
"Es ist an der Zeit, einen bundesweit einheitlichen Standard für Anträge und die erforderlichen Unterlagen festzulegen, um schnellere Prozesse und Entscheidungen seitens der Behörden sicherzustellen."
Die Behörden müssten befähigt und angewiesen werden, als Dienstleister der Arbeitgebenden tätig zu werden, um diese aktiv bei der Bewältigung des zunehmenden Fachpersonalmangels zu unterstützen.
Auch sei auf die "längst überfällige Refinanzierung von Integrationsfachkräften in den Einrichtungen" einzugehen, um die Einreise, das Ankommen und die Integration der Pflegefachpersonen aus dem Ausland zu begleiten und die Einarbeitung in das neue Arbeitsfeld sicherzustellen.
"Die geplante Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes kann nur dann ihr volles Potenzial entfalten, wenn die Behörden sich endlich ihrer Verantwortung stellen und die erforderlichen Unterstützungsmaßnahmen leisten."
Weniger Bürokratie und mehr Pragmatismus fordern Verbände schon länger beim Thema Fachpersonalgewinnung aus dem Ausland. Das bayerische Kabinett hatte Anfang des Jahres eine "Fast Lane" beschlossen, die aufenthaltsrechtliche Verfahren und berufsrechtliche Anerkennungsverfahren miteinander verzahnen und beschleunigen soll. Sie ist ab Juli in Kraft getreten. Bayerns Gesundheits- und Pflegeminister Klaus Holetschek (CSU) spricht schon jetzt von einem Erfolgsprojekt. Innerhalb einer Woche seien 34 Anträge eingegangen.
Schnellere Prozesse in Bayern
Sie stammten von Pflegefachpersonen aus Bosnien und Herzegowina, Indonesien, Philippinen sowie Ungarn. Bei sechs Anträgen hätte bereits die Gleichwertigkeit festgestellt werden können. Die ersten Feststellungsbescheide seien am 3. Juli versandt worden. In den Fällen, in denen die volle Gleichwertigkeit festgestellt worden sei, müssten im nächsten Schritt nur noch weitere persönliche Nachweise erfolgen – beispielsweise ein Sprachzertifikat und ein Führungszeugnis. Danach könne die Erlaubnisurkunde zum Führen der Berufsbezeichnung erteilt werden. Damit stehe dann der Arbeitsaufnahme als Pflegefachperson nichts mehr im Weg.