Zum ersten Mal seit Beginn der Corona-Pandemie liegt die 7-Tage-Inzidenz hierzulande bei einem Wert von über 300 – entsprechend eindringlicher und mahnender werden die Worte aus der Pflege. Der Deutsche Pflegerat (DPR) hat am Montag ein 4-Punkte-Papier für sofortige Maßnahmen zur Behebung des Personalmangels vorgelegt. Denn, wie DPR-Präsidentin Christine Vogler in Berlin sagte:
"Alle bisherigen Maßnahmen zur Behebung des Personalmangels in der Pflege sind lediglich Symptombehandlungen anstatt an die tatsächlichen Ursachen heranzugehen."
Rückwirkend für das Jahr 2021 und bis zum Ende des Pflegenotstands fordert der DPR einen Steuerfreibetrag von jährlich 18.000 Euro für professionell Pflegende, die direkt an den Patientinnen, Patienten und Pflegebedürftigen arbeiten. Dieser Ansatz sei direkt umsetzbar und führe sofort zu mehr Gehalt. Außerdem beinhalte dieser unmittelbare Anreiz keine finanzielle Belastung für Kostenträger, Patientinnen, Patienten und Pflegebedürftigen. Lohn- und Tarifverhandlungen seien dafür nicht nötig.
100 bis 150 % Zuschlag für Arbeit zu "ungünstigen" Zeiten
Zweitens benötige der Pflege- und Gesundheitssektor im Sinne einer wirksamen Work-Life-Balance und einer personalorientierten Wertschätzung neue Instrumente einer gerechten und zugleich refinanzierten Lohn- und Zuschlagsfindung.
Notwendig sei ein wesentlich höherer finanzieller Ausgleich für die "schlechten, ungünstigen" Arbeitszeiten der Mitarbeitenden. Weit über tarifliche Regelungen hinausgehende Zuschläge für Spätdienst und Nachtarbeit sowie für Arbeit am Wochenende und an Feiertagen müssten refinanziert werden. Dieser Zuschlag solle laut Vogler 100 bis 150 % betragen.
"Warum kann es nicht Mitarbeiter geben, die ausschließlich am Wochenende arbeiten und für diese ‚schlechten Zeiten‘ besonders gut bezahlt werden? Das entlastet andere professionell Pflegende und deren Familien."
Drittens fordert der DPR den Gesetzgeber auf, für innovative Projekte, deren Löhne deutlich über bestehende Tarifverträge hinausgehen, die Finanzierung sicherzustellen.
Personalbemessungsinstrumente umsetzen
Viertens müssten die bereits bestehenden Personalbemessungsinstrumente im Krankenhaus und in der Langzeitpflege "sofort vollumfänglich" umgesetzt werden. Das diene dem Personalaufbau und zeige Vertrauen und Wertschätzung.
"Wir sind zuversichtlich, dass diese vier Punkte dazu führen werden, private Lebensmodelle in einen besseren Einklang mit dem Arbeiten in der Pflege zu bringen. Und diese Arbeit attraktiver zu gestalten. Dann sind wieder mehr Menschen bereit, in der Pflege zu arbeiten und auch im Beruf zu bleiben."
Vogler hatte erst in der Vorwoche mit Krankenhausträgern, Ärzteschaft und Medizinischen Fachangestellten einen dringenden Appell an die Politik veröffentlicht.
Anhebung des Pflegeentgeltwerts
Derweil hat sich der Präsident der Pflegekammer Rheinland-Pfalz, Markus Mai, am Montag für eine zusätzliche Finanzierung ausgesprochen:
"Es muss jetzt dafür gesorgt werden, dass auch für die Corona-Versorgung freigehaltene Kapazitäten ausreichend finanziert werden, damit auch die Löhne überall gezahlt werden können."
Dies könne z. B. über eine "deutliche Anhebung" des Pflegeentgeltwerts gelingen, weil nur damit die Leistungsdynamik begrenzt werden könne und die Einrichtungen auch sinnvoll Ressourcen für die Versorgung der stetig wachsenden Zahl an COVID-19-Patientinnen und -Patienten vorhalten und bezahlen könnten.
Mai forderte zudem "die Überwindung des unsäglichen auf mengenorientierte Leistung bezogenen DRG-Systems zugunsten eines Systems, das Krankenhäuser und das bestehende Versorgungsumfeld als Einheit betrachtet".