Krankenhausträger, Ärzteschaft, Pflegende und Medizinische Fachangestellte sehen die rasante Ausbreitung des Corona-Virus in Deutschland mit großer Sorge. In einem gemeinsamen Appell von Freitag fordern sie Bund und Länder zu Sofortmaßnahmen gegen die drohende Überlastung des Gesundheitssystems auf. Gleichzeitig sei aber auch die Gesellschaft als Ganzes gefordert, Verantwortung zu übernehmen.
Gemeinsam Gesundheitssystem vor Überlastung schützen
Deutsche Krankenhausgesellschaft, Bundesärztekammer, Deutscher Pflegerat (DPR), Bundespflegekammer und Verband medizinischer Fachberufe drängen u. a. auf:
- 2-G-Regelungen (geimpft oder genesen) als zwingende Zutrittsvoraussetzungen zu Angeboten des öffentlichen Lebens, um diese "wirksam zu kontrollieren"
- zusätzliche Antigen-Schnelltests zur 2-G-Regelung für Aktivitäten mit besonders hohem Infektionsrisiko, v. a. in Regionen mit hohen Infektionsraten
- eine allgemeine und für Arbeitgeber durchsetzbare 3-G-Regel am Arbeitsplatz, wie von der Bundesregierung angekündigt
Die am Donnerstag vom Deutschen Ethikrat empfohlene Prüfung einer Impfpflicht gegen Covid-19 für Mitarbeitende in besonderer beruflicher Verantwortung begrüßen die genannten Verbände in ihrem Appell ausdrücklich.
Ethikrat empfiehlt berufsbezogene Impfpflicht
Der Ethikrat teilte mit:
"Der Rat empfiehlt angesichts der gegenwärtigen pandemischen Situation nun ohne Gegenstimme bei drei Enthaltungen eine ernsthafte und rasche Prüfung einer berufsbezogenen Impfpflicht in Bereichen, in denen besonders vulnerable Menschen versorgt werden."
Konkret nannte das Gremium Menschen, die schwer oder chronisch Kranke sowie hochbetagte Menschen versorgen – "wie ärztliches und pflegendes Personal, aber auch Mitarbeitende des Sozialdienstes, der Alltagsbegleitung oder der Hauswirtschaft".
Diese trügen "eine besondere Verantwortung dafür, die ihnen Anvertrauten nicht zu schädigen". "Gleiches gilt für Institutionen und Einrichtungen, die dafür verantwortlich sind, die dort versorgten Menschen keinen vermeidbaren gesundheitlichen Gefahren auszusetzen."
Rat verweist auf Schutzpflichten gegenüber Menschen aus Hochrisikogruppen
Der Ethikrat empfehle der Bundesregierung, "unverzüglich eine hinreichend differenzierte gesetzliche Regelung für eine berufsbezogene Impfpflicht zu prüfen und gegebenenfalls eine praktikable und effektive Umsetzung vorzubereiten".
Dabei müssten "vielfach diskutierte Sorgen um etwaige negative Konsequenzen einer solchen Maßnahme, etwa Berufsausstiege in den betroffenen Berufsgruppen", berücksichtigt werden. Diese seien aber "im Rahmen der Schutzpflichten gegenüber Menschen aus Hochrisikogruppen zu bewerten".
Der Rat äußerte die Hoffnung, "dass bereits die Diskussion um die Einführung einer gesetzlichen Impfpflicht als ein Signal in den Institutionen wahrgenommen wird, zügig effektive, aufsuchende Impfkampagnen mit zielgruppenspezifischer Information und Aufklärung für die verschiedenen Berufsgruppen zu organisieren".
Appell-Unterzeichnende unterstzützen Ethikrat-Empfehlung
Der Ethikrat betonte zudem, dass die – auf Freiwilligkeit, Information, Überzeugungsarbeit und Vertrauensbildung beruhende – Impfstrategie "unverändert" wichtig bleibe. Die Anstrengungen, möglichst alle Menschen von der Notwendigkeit der Impfung zu überzeugen, sollten verstärkt werden.
Wenn die Bundesregierung der Empfehlung des Ethikrats folgen sollte, wollen die Unterzeichnenden des Appells dies unterstützen und sich an der Umsetzung beteiligen.
DPR-Präsidentin Christine Vogler hielt am Donnerstag fest:
"Die isolierte, verkürzte Debatte um die Impfpflicht einer einzelnen Gruppe, die der Pflegenden, ist somit vom Tisch."
Allerdings dürfe die Aufzählung der vom Ethikrat genannten Berufsgruppen längst nicht abschließend sein. Es müsse geklärt werden, nach welchen eindeutigen Kriterien eine mögliche Auswahl von Berufsgruppen bzw. der in diesen Bereichen Beschäftigten erfolge. Die Kriterien müssten nachvollziehbar und juristisch sauber definiert sein.
Vogler fordert klare Gesetzgebung
Auch forderte Vogler eine eindeutige und einheitliche Gesetzgebung, um klare Verhältnisse zu schaffen. Die diskutierten Sorgen um negative Konsequenzen einer solchen Maßnahme müssten dabei berücksichtigt werden.
"Es muss deutlich werden, dass bei der Bekämpfung der Pandemie zwischen der individuellen Freiheit des Einzelnen und dem Schutz der Gesamtbevölkerung abzuwägen ist. Festzuhalten ist, dass es bei der Diskussion um eine Impfpflicht nicht einzig um die Profession Pflege, sondern vielmehr um das Gesamtinteresse der Bevölkerung geht."