Seit 1. März gelten Neuregelungen für die Arbeits- und Fachkräfteeinwanderung nach Deutschland. Bereits seit November 2023 greifen Änderungen bei der Zuwanderung von Hochschulabsolventen im Rahmen der "Blauen Karte". Die Bundesregierung sieht fehlende Fachkräfte als zentrales Risiko für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Die jetzt in Kraft getretenen Regelungen sollen mehr Nicht-EU-Bürger auf den hiesigen Arbeitsmarkt locken.
Aufenthaltsmöglichkeit dank berufspraktischer Erfahrungen
Mit der Aufenthaltsmöglichkeit für Ausländer aufgrund berufspraktischer Erfahrung tritt an diesem Freitag ein Herzstück des Gesetzes zur Fachkräfteeinwanderung in Kraft. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) sagte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin:
"Fachkräfte mit Abschluss und Berufserfahrung können dann auch ohne vorheriges Anerkennungsverfahren einreisen und in Deutschland arbeiten."
Innenministerin Nancy Faeser und Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) werteten den Schritt als einen wichtigen Baustein, um der Fachkräftelücke in Deutschland etwas entgegenzusetzen.
Bruttojahresgehalt von mindestens 40.770 Euro
Menschen aus Drittstaaten können künftig bereits dann in Deutschland arbeiten, wenn sie mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und einen im Herkunftsland staatlich anerkannten Berufs- oder Hochschulabschluss haben. Sie müssen also noch keine in Deutschland anerkannte Ausbildung vorweisen. Das soll Bürokratie einsparen und Verfahren verkürzen. Das Arbeitsplatzangebot in Deutschland muss ein Bruttojahresgehalt von mindestens 40.770 Euro zusichern – bei Tarifbindung des Arbeitgebers genügt eine Entlohnung entsprechend des Tarifvertrags.
Wenn die Berufsqualifikation weiterhin anerkannt werden muss – wie etwa in vielen Gesundheits- und Pflegeberufen – und sich Fachkräfte und Arbeitgeber zu einer Anerkennungspartnerschaft verpflichten, dann kann das Verfahren künftig auch erst nach der Einreise nach Deutschland begonnen werden. Arbeitgeber und die angehende Fachkraft verpflichten sich dabei, nach der Einreise die Anerkennung zu beantragen und das Verfahren aktiv zu betreiben. Der Arbeitnehmer kann sich dabei in Deutschland nebenher nachqualifizieren oder schon arbeiten.
Auch kurzzeitige Beschäftigung internationaler Fachkräfte möglich
Grundvoraussetzungen für die Anerkennungspartnerschaft sind ein Arbeitsvertrag und eine im Ausbildungsstaat anerkannte, mindestens zweijährige Berufsqualifikation oder ein Hochschulabschluss. Darüber hinaus sind deutsche Sprachkenntnisse auf Niveau A2 erforderlich.
Zur Deckung von zeitweilig besonders hohem Arbeitskräftebedarf wird eine kontingentierte kurzzeitige Beschäftigung ermöglicht. Für Arbeitgeber sei dies eine gute Möglichkeit, ausländische Fachkräfte anzuwerben und bis zu acht Monate einzustellen, so Innen- und Arbeitsministerium. Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber tarifgebunden ist. Die Bundesagentur für Arbeit hat dazu für das Jahr 2024 ein Kontingent von 25.000 festgelegt.
Keine Vorrangprüfung mehr für die Berufausbildung
Auch in anderen Bereichen gibt es Änderungen. So können – angesichts der Engpässe in der Pflege – künftig auch qualifizierte Pflegehilfskräfte nach Deutschland kommen und hier arbeiten. Voraussetzung ist, dass die Ausbildung zur Pflegehilfskraft in Deutschland erworben oder anerkannt ist. Nicht-EU-Ausländer dürfen Nebenjobs ausüben und erhalten mehr Zeit, um ihre berufliche Qualifikation anerkennen zu lassen, wenn sie zu Bildungszwecken oder für Sprachkurse nach Deutschland kommen. Ausländische Studierende und Auszubildende sollen leichter neben dem Studium oder der Studien- oder Ausbildungsplatzsuche jobben können. Bei der Berufsausbildung wird eine bestehende Vorrangprüfung abgeschafft. Ausbildungsbetriebe können damit ihre freien Ausbildungsplätze schneller besetzen. Für geduldete Personen, die ihren Lebensunterhalt sichern können, wird zudem eine Aufenthaltserlaubnis zur Berufsausbildung eingeführt.
"Paradigmenwechsel in der Einwanderungspolitik"
Dass Personen aus Drittstaaten künftig eine Beschäftigung in Deutschland aufnehmen können, ohne vorher Qualifikationen anerkennen lassen zu müssen, nannte der Migrationsexperte Martin Lange am ZEW Mannheim "einen Paradigmenwechsel in der Einwanderungspolitik". Allerdings müsse ein "unverhältnismäßig hohes Einkommen" nachgewiesen werden. "Hier sollte die Bundesregierung nachbessern, um mehr Zuwanderung über diesen Kanal zu ermöglichen", so Lange. Der große Wurf sei die Reform dennoch nicht, da die Einwanderung aus Drittstaaten viel attraktiver gestaltet werden müsste: Administrative Hürden und hohe Verdienstschwellen müssen abgebaut werden, forderte Lange.
Die Anwerbung und Einbindung ausländischen Pflegepersonals laufen hierzulande bislang eher holprig. Neben langwierigen bürokratischen Prozessen stehen internationale Pflegende einer Arbeit in Deutschland vermehrt kritisch gegenüber.
Quelle: dpa/Bibliomed