Das Amt der oder des Pflegebevollmächtigten steht auf der Kippe. Über die Hintergründe und möglichen Folgen sprachen wir mit Andreas Westerfellhaus, der das Amt 2018 bis 2022 innehatte.
Herr Westerfellhaus, die wahrscheinliche nächste Bundesregierung will die Hälfte aller Beauftragtenstellen des Bundes streichen. Glauben Sie, dass das Amt der oder des Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung davon betroffen ist?
Ja, alles deutet darauf hin. Meine Quelle möchte ich aus Vertraulichkeitsgründen nicht nennen, aber sie ist verlässlich. Mich erschüttert es, dass die Koalitionäre der Pflege so wenig Bedeutung beimessen. Eigentlich wäre es notwendig, das an sich schon schwache Amt des Pflegebevollmächtigten aufzuwerten und mit mehr Kompetenzen auszustatten – etwa in der Funktion eines Staatsministers für Pflege im Kanzleramt. Leider sehen wir eine gegenteilige Entwicklung: Schon bei meiner Nachfolgerin wurden Ressourcen gestrichen: Während ich das Amt als Vollzeitstelle ausführen konnte, musste Claudia Moll beide Funktionen – Bundestagsabgeordnete und Pflegebevollmächtigte – unter einen Hut kriegen. Wenn das Amt nun komplett gestrichen wird, weil man es für überflüssig hält, dann ist das natürlich ein verheerendes Signal.
Warum halten Sie das Amt des Pflegebevollmächtigten für schwach?
Als Pflegebevollmächtigter ist man für die Belange sowohl der pflegebedürftigen Menschen als auch der beruflich Pflegenden zuständig. Es ist zwar richtig, Pflege umfänglich zu denken, aber es ist schwierig, der großen Erwartungshaltung gerecht zu werden. Die eigentliche Schwäche des Amtes besteht aber in der beratenden Funktion. Die Bundesministerien und -behörden müssen den Pflegebevollmächtigten zwar bei allen Gesetzes-, Verordnungs- und sonstigen wichtigen Vorhaben mit Pflegebezug beteiligen, aber was daraus folgt, steht auf einem völlig anderen Blatt. Das zeigt sich auch an meiner eigenen Amtszeit: So ist es zwar erfolgreich gelungen, die Berufsautonomie im Pflegeberufegesetz zu verankern. Hingegen blieb es beim politischen Kompromiss, es vorerst bei den Berufsabschlüssen der Alten- und Kinderkrankenpflege zu belassen – auch wenn ich mich sehr für eine Generalistik ohne Kompromisse eingesetzt habe.
CDU, CSU und SPD haben vor rund zwei Wochen ihren Koalitionsvertrag präsentiert. Darin enthalten sind viele Vorhaben, die für die Pflege einen Fortschritt darstellen, etwa die Verankerung der Pflege im Gemeinsamen Bundesausschuss und die Fortführung der von der Vorgängerregierung begonnenen Pflegegesetze. Dennoch war die Reaktion der Pflegekammern und -verbände eher verhalten. Wie bewerten Sie den Koalitionsvertrag?
Ein Koalitionsvertrag enthält Aussagen darüber, welche Themen eine Regierung in der nächsten Legislaturperiode angehen will. Aber: In Koalitionsverträge wurde schon viel reingeschrieben, was nicht umgesetzt wurde – und es wurde viel gemacht, was nicht drinstand. Entscheidend für die Pflege ist also nicht, was im Koalitionsvertrag steht, sondern das, was sich jetzt hinter den Kulissen sortiert und was im parlamentarischen Alltag dann auf den Weg gebracht wird. Angesichts der enormen Bandbreite an Themen, bei denen Spitzenpolitiker sprechfähig sein müssen, kann man nicht erwarten, dass sie sich mit pflegefachlichen Details auskennen. Hierfür braucht es schlicht einen Übersetzer, der sich möglichst viel Gehör verschafft. Daher mein eindringlicher Appell, das Amt des Pflegebevollmächtigten unbedingt beizubehalten – oder besser einen Staatsminister für Pflege zu etablieren. Erlauben Sie mir an dieser Stelle bitte noch eine kurze persönliche Anmerkung: Ich werde häufig gefragt, ob ich für das Amt des Pflegebevollmächtigten noch mal zur Verfügung stehen würde. Es geht mir bei diesem Thema – und auch bei diesem Interview, das wir gerade führen –, um die Sache und nicht um meine Person. Wenn das Amt des Pflegebevollmächtigten gestrichen wird, dann habe ich wirklich Sorge, wie es in der kommenden Legislatur mit unserer Profession weitergeht.