Ausländische Pflege- und Haushaltshilfen, die nach Deutschland vermittelt werden, um Seniorinnen und Senioren in ihren Wohnungen zu betreuen, haben einen Anspruch auf Mindestlohn. Das entschied das Bundesarbeitsgericht am Donnerstag in einem Grundsatzurteil in Erfurt.
Mindestlohn auch für Bereitschaftszeiten
Der Mindestlohn gelte auch für Bereitschaftszeiten, in denen die zumeist aus Osteuropa stammenden Frauen Betreuung auf Abruf leisteten, urteilten die höchsten deutschen Arbeitsrichter. Der Vorsitzende Richter Rüdiger Linck sagte nach Angaben der Süddeutschen Zeitung in der Verhandlung:
"Auch Bereitschaftsdienstzeit ist mit dem vollen Mindestlohn zu vergüten."
Für den Präzedenzfall beim Bundesarbeitsgericht sorgte eine Frau aus Bulgarien, die nach eigenen Angaben eine über 90-jährige Seniorin in deren Berliner Wohnung 24 Stunden täglich an 7 Tagen in der Woche betreut hat. In ihrem Vertrag stand lediglich eine Arbeitszeit von 30 Stunden wöchentlich.
Die Höhe der Nachzahlung, die die Klägerin von ihrer bulgarischen Firma erhalten muss, soll vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg erneut geprüft werden, entschieden die Bundesrichter. Sie verwiesen den Fall der Frau, die als "Sozialassistentin" in Bulgarien eingestellt und 2015 nach Deutschland vermittelt worden war, an das Landesarbeitsgericht zurück.
"Ausbeuterische Zustände"
Schätzungen nach sind hierzulande zwischen 300.000 und 600.000 ausländische Pflegende in der Versorgung betreuungsbedürftiger älterer Menschen im häuslichen Umfeld tätig.
Die Gewerkschaft Verdi, die die Klägerin unterstützte, spricht von teilweise ausbeuterischen Zuständen. Verdi-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler betonte:
"Das derzeitige System basiert auf der Ausbeutung ausländischer Kolleginnen und garantiert keine sachgemäße Pflege."
Auch der Bundesverband der Betreuungsdienste und das Deutsche Institut für Menschenrechte beklagen teils rechtlich unhaltbare Arbeitsbedingungen. Die Frauen verdienten wenig Geld, arbeiteten rund um die Uhr, hätten keine Urlaubsanspruch und oft auch keine Privatsphäre.
"Armageddon" in der häuslichen Pflege erwartet
Der Sozialverband VdK fürchtet laut den Zeitungen der Funke Mediengruppe nach dem Urteil ein "Armageddon" in der häuslichen Pflege.
Auch der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sagte im ZDF:
"So nachvollziehbar die Entscheidung auch ist. Das Urteil löst einen Tsunami aus für alle, die daheim auf die Unterstützung ausländischer Pflegekräfte angewiesen sind."