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Bedeutung der Generalistik für die Perinatalversorgung

Herausforderungen der Pflegeausbildung in der Pädiatrie

Die Perinatalbefragung des Deutschen Krankenhausinstituts gibt Aufschlüsse darüber, an welchen Stellschrauben die pädiatrische Vertiefung im Rahmen der Generalistik anzupassen ist.

Das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI) hat für die Deutsche Krankenhausgesellschaft die Auswirkungen der generalistischen Pflegeausbildung auf die Perinatalversorgung untersucht.

Mit dem im Jahr 2020 in Kraft getretenen Pflegeberufegesetz (PflBG) wurden die bisherigen Ausbildungsberufe Gesundheits- und Krankenpflege, Gesundheits- und Kinderkrankenpflege sowie Altenpflege zu einem Berufsbild zusammengefasst. Die dreijährige generalistische Ausbildung nach dem PflBG befähigt zur Pflege von Menschen aller Altersstufen und schließt mit der einheitlichen Berufsbezeichnung „Pflegefachfrau“ oder „Pflegefachmann“ ab. Wird zu Beginn der Ausbildung im Ausbildungsvertrag ein Vertiefungseinsatz in der pädiatrischen Versorgung vereinbart, kann sich die oder der Auszubildende nach § 59 Abs. 2 PflBG für das letzte Ausbildungsdrittel entscheiden, anstelle der Fortsetzung der bisherigen Ausbildung eine Ausbildung zum/zur Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger:in nach Maßgabe des § 60 mit dem Ziel durchzuführen, eine Erlaubnis nach § 58 Abs. 1 zu erhalten.

Demnach erfolgt die weitere Ausbildung mit der Maßgabe, dass die Kompetenzvermittlung speziell die Pflege von Kindern und Jugendlichen betrifft. Übt der oder die Auszubildende dieses sogenannte Wahlrecht nicht aus, so wird ein generalistischer Abschluss mit Vertiefung in der pädiatrischen Versorgung erworben. Bei einem generalistischen Abschluss mit Vertiefung Pädiatrie ist die praktische Ausbildung ebenfalls auf die Versorgung mit Kindern und Jugendlichen ausgerichtet, lediglich die theoretische Ausbildung wird generalistisch durchgeführt [1, 2].

Im Rahmen der Perinatalbefragung zur pflegerischen Strukturqualität hat das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI) gefördert von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) die Auswirkungen der generalistischen Pflegeausbildung auf die Perinatalversorgung untersucht.

Hintergrund der Studie bildet die Qualitätssicherungs-Richtlinie Früh- und Reifgeborene (QFR-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses (GB-A), die unter anderem verbindliche Mindestanforderungen für die pflegerische Strukturqualität regelt, wie Qualifikationen der Pflegekräfte und Pflegepersonalschlüssel [3].

Die Studie umfasste drei repräsentative Teilbefragungen. Es beteiligten sich zwischen Mitte April und Mitte Juni 2023 in zwei Tranchen insgesamt 141 Perinatalzentren (Rücklaufquote 67 %) und 78 Pflegeschulen (Rücklaufquote 60 %), welche bis zum Inkrafttreten des PflBG die Ausbildung in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege nach dem Krankenpflegegesetz (KrPflG) angeboten haben [4].

Weniger Ausbildungsabschlüsse in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege

Die generalistische Pflegeausbildung hat zu einem deutlichen Rückgang der Ausbildungsabschlüsse in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege zugunsten des generalistischen Abschlusses mit Vertiefungseinsatz Pädiatrie geführt. Zum Befragungszeitpunkt hatten nur noch 46 % der Krankenhäuser mit Perinatalzentrum Auszubildende im letzten Ausbildungsdrittel mit dem angestrebten Abschluss „Gesundheits- und Kinderkrankenpflege“ nach dem PflBG. Bei Inkrafttreten des PflBG waren es noch fast 100 %.

90 % der Krankenhäuser mit Perinatalzentrum als Träger der praktischen Ausbildung hatten dagegen entweder selbst oder in Kooperation mit anderen Einrichtungen Auszubildende mit dem Vertiefungseinsatz in der pädiatrischen Versorgung gemäß PflBG.

Von den Pflegeschulen, die vormals die Ausbildung in der Kinderkrankenpflege nach dem KrPflG vorgehalten haben, haben 9 % weder eine Vertiefung im Bereich der pädiatrischen Versorgung noch den Ausbildungsabschluss in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege nach dem PflBG angeboten. Zwischen 2019, dem Jahr vor Inkrafttreten des PflBG, und 2023 nahmen die Absolventenzahlen für die Gesundheits- und Kinderkrankenpflege in den befragten Schulen um insgesamt 64 % ab.

Pädiatrische Vertiefung beliebt bei Auszubildenden

Unabhängig vom Abschluss in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege trifft die pädiatrische Vertiefung aber auf Interesse bei den Auszubildenden. Zum Befragungszeitpunkt hatten zwar 17 % der Schulen keine Auszubildenden im ersten oder zweiten Ausbildungsjahr, die im Ausbildungsvertrag einen Vertiefungseinsatz in der pädiatrischen Versorgung vereinbart haben. In den meisten übrigen Schulen war die Zahl der Auszubildenden mit (vereinbarter) pädiatrischer Vertiefung im Jahr 2023 jedoch vergleichbar mit der Gesamtzahl der Auszubildenden in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege im Jahr 2019. 96 % der ehemaligen Schulen für Kinderkrankenpflege, die die pädiatrische Vertiefung anbieten, wollen dies auch in Zukunft tun.

Perinatalzentren bewerten Auswirkungen der Generalistik kritisch

Die Perinatalzentren schätzen die Auswirkungen der generalistischen Pflegeausbildung auf die neonatologische Intensivpflege äußerst kritisch ein. Die große Mehrheit der Befragten erwartet, dass die Generalistik die Deckung des Personalbedarfs, die Einhaltung von Personalschlüsseln und Fachweiterbildungsquoten, die fachliche Qualität sowie die Personalakquise beeinträchtigen wird (Abb. 1).

Generalistik schmälert Nachwuchspotenzial in der Perinatalversorgung

Die Zahl der Bewerber:innen, der Auszubildenden und Absolvent:innen mit einer pädiatrischen Vertiefung wird sowohl aus Sicht der Perinatalzentren als auch der Ausbildungsstätten künftig geringer ausfallen als der Bedarf (Abb. 2). Des Weiteren schätzt auch die große Mehrheit der Perinatalzentren (93 %) den Einarbeitungsaufwand in der neonatologischen Intensivpflege für Absolventen:innen der generalistischen Ausbildung mit Vertiefung im Bereich der pädiatrischen Versorgung höher ein.

Pflegeschulen sind optimistischer als Perinatalzentren

Allerdings haben die Perinatalzentren bislang noch kaum Erfahrungen mit den Auszubildenden und Absolventen nach PflBG sammeln können. Im Unterschied dazu fällt die Einschätzung der Ausbildungsstätten, die über mehrjährige Erfahrungen mit der generalistischen Ausbildung verfügen, weniger kritisch aus. Die Mehrzahl der befragten Schulen sieht ganz im Gegensatz zu den Perinatalzentren keine Verschlechterungen in der schulischen Qualifikation sowie der fachlichen Qualität der Auszubildenden, verglichen mit der Ausbildung nach KrPflG (Abb. 3).

 

Gleichwohl sind die Ausbildungsstätten genauso wie die Perinatalzentren mehrheitlich skeptisch, ob die aktuellen Ausbildungszahlen den künftigen Bedarf decken oder die Stellenbesetzungsprobleme in der neonatologischen Intensivpflege dauerhaft lösen werden (vergleiche Abb. 2). Dies gilt umso mehr, als die Bewerberzahlen für die Pflegeausbildung speziell für den Bereich der pädiatrischen Versorgung tendenziell rückläufig sind.

Umsetzung der Richtlinie für Früh- und Reifgeborene erschwert

Die Perinatalbefragung hat gezeigt, dass es bei den Auszubildenden nach wie vor Interesse an einer pädiatrischen Qualifikation in Form entsprechender Vertiefungseinsätze gibt. In vielen ehemaligen Kinderkrankenpflegeschulen haben sich die entsprechenden Ausbildungszahlen im Vergleich zur Ausbildung in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege nach dem KrPflG näherungsweise stabilisiert. Es bleibt aber zunächst offen, ob sich diese Entwicklung fortsetzt. Dagegen spricht zum einen, dass ein Teil dieser Schulen schon heute die pädiatrische Vertiefung nicht mehr anbietet. Zum anderen gehen sowohl die befragten Ausbildungsstätten als auch die Perinatalzentren selbst mehrheitlich von nicht bedarfsgerechten Bewerberzahlen für die Pflegeausbildung mit pädiatrischer Vertiefung aus.

Darüber hinaus reicht ein entsprechender Abschluss nach dem PflBG – im Unterschied zum entsprechenden Abschluss nach dem KrPflG – nicht mehr aus, um die Anforderungen an die pflegerische Strukturqualität gemäß QFR-RL zu erfüllen. Nach aktueller Rechtslage müssen Absolvent:innen in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege nach dem PflBG oder mit generalistischem Abschluss als Pflegefachfrau oder Pflegefachmann mit pädiatrischer Vertiefung mindestens 1.260 Stunden in der direkten neonatologischen oder pädiatrischen Akutversorgung absolviert haben [3]. In der generalistischen Pflegeausbildung ist diese Stundenzahl über die Pflicht- und Vertiefungseinsätze in der pädiatrischen Versorgung nicht zu erreichen. Auch die Vorgabe, wonach in jeder Schicht einer neonatologischen Intensiveinheit (mindestens) ein:e Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger:in mit einer Fachweiterbildung im Bereich der pädiatrischen Anästhesie- und Intensivpflege eingesetzt werden muss, erschwert die Umsetzung der Richtlinie. Fachweitergebildete mit pädiatrischer Vertiefung aber ohne Abschluss in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege erfüllen diese Vorgabe nicht.

Die bisher unzureichende Anpassung der QFR-RL an das PflBG schmälert damit tendenziell das Nachwuchspotenzial an Pflegefachpersonen für die Perinatalversorgung. Deswegen sind die Verantwortlichen in der Politik gefragt, den Bedarf an Pflegekräften für die neonatologische Intensivpflege durch innovative Einarbeitungs-, Fort- und Weiterbildungskonzepte zu decken. In jedem Fall sollte der Zugang zur neonatologischen Versorgung nicht noch mit zusätzlichen Anforderungen wie dem 1.260-Stunden-Nachweis beeinträchtigt werden. Angesichts der deutlich rückläufigen Abschlüsse in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege im Rahmen der Generalistik ist es auch nicht mehr angemessen, Vorgaben der Richtlinie an einen entsprechenden Abschluss zu koppeln.

Vielmehr sollte eine pädiatrische Vertiefung auch ohne formalen Abschluss in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege ausreichen, um einschlägige Vorgaben der Richtlinie einzuhalten. Darüber hinaus wird auch die Möglichkeit zu prüfen sein, inwieweit und unter welchen Bedingungen Absolventen ohne pädiatrische Vertiefung die Option erhalten sollen, in der neonatologischen Versorgung tätig werden zu können.

 
  1. PflAPrV. Pflegeberufe-Ausbildungs- und -Prüfungsverordnung vom 2. Oktober 2018 (BGBl. I S. 1.572), die durch Artikel 10 des Gesetzes vom 19. Mai 2020 (BGBl. I S. 1018) geändert worden ist.

  2. PflBG. Pflegeberufegesetz vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2.581), das zuletzt durch Artikel Artikel 9a des Gesetzes vom 11. Juli 2021 (BGBl. I S. 2.754) geändert worden ist.

  3. Gemeinsamer Bundesausschuss (GB-A). Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Reifgeborenen gemäß § 136 Absatz 1 Nummer 2 SGB V in Verbindung mit § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 13 SGB V in der Fassung vom 20. September 2005, zuletzt geändert am 17. Dezember 2020 und am 16. Februar 2023.

  4. Blum K., Parloh A. Perinatalbefragung zur pflegerischen Strukturqualität. Gutachten des Deutschen Krankenhausinstituts im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Düsseldorf: DKI; 2024. Im Internet: www.dki.de/fileadmin//user_upload/2024-02_Perinatalbefragung_final.pdf; Zugriff: 16.08.2024.

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