• 24.11.2023
  • Management
Ältere Beschäftigte in der Pflege

Bleiben oder gehen?

Die Schwester Der Pfleger

Ausgabe 12/2023

Seite 60

Wie erleben ältere Beschäftigte ihre letzten Berufsjahre und wie stellen sie sich den Übergang in den Ruhestand vor? Unter welchen Umständen können sie sich vorstellen, länger im Beruf zu bleiben? Eine repräsentative Studie der Bergischen Universität Wuppertal gibt Aufschluss.

Der Anteil älterer Menschen in der Bevölkerung steigt immer weiter an. Somit erhöht sich in Deutschland nicht nur die Zahl pflege­bedürftiger Menschen, sondern auch der Anteil der Pflegepersonen, die älter sind als 50 Jahre. Der Anstieg älterer Beschäftigter ist insbesondere auf die zahlenmäßig große Generation der sogenannten Babyboomer zurückzuführen, die in den nächsten 10 bis 15 Jahren in den Ruhestand geht [1].

Mehr als bei anderen Berufsgruppen zeigt sich bei älteren Beschäftigten in der Pflege eine lebenslange Belastung durch psychisch und physisch schwere Arbeit. Diese Belastungen führen bei älteren Pflegepersonen nicht nur zu überdurchschnittlich hohen Krankenständen [2], sondern auch dazu, dass viele Beschäftigte ihren Beruf frühzeitig verlassen, etwa durch einen Berufswechsel oder einen frühen Eintritt in die Erwerbsminderungsrente [1].

Es stellt sich somit die Frage, wie ältere Beschäftigte, die noch in der Pflege tätig sind, auf ihre letzten Erwerbsjahre und ihren Übergang in den Ruhestand blicken. Bis zu welchem Alter würden sie gerne arbeiten? Aus welchen Gründen möchten sie möglicherweise früher in den Ruhestand gehen? Und wie kann Arbeit gestaltet werden, damit die Beschäftigten länger im Beruf bleiben?

Antworten gibt die repräsentative Ko­hortenstudie „lidA – leben in der Arbeit“ der Bergischen Universität Wuppertal. In den Jahren 2011, 2014, 2018 und 2022/2023 wurden ältere Menschen aus ganz Deutschland mittels persönlicher Interviews zu Hause beziehungsweise 2022 und 2023 auch per Telefon zu ihren Arbeitsbedingungen, ihrer Gesundheit, ihrem Blick auf den Ruhestand sowie weiteren Themen befragt. Zuletzt konnten 8.884 Personen der drei Geburtsjahrgänge 1959, 1965 und 1971 befragt werden. Sie waren zum Befragungszeitpunkt etwa 63, 57 oder 51 Jahre alt. Von den Befragten waren 292 Personen in der Krankenpflege, 103 in der Altenpflege und 6.752 in anderen Berufen tätig.

Bis zu welchem Alter möchten ältere Beschäftigte arbeiten? Etwa zwei von drei älteren Beschäftigten (66 %), die nicht in der Pflege tätig sind, möchten maximal bis zum 64. Lebensjahr arbeiten. In den Pflege­berufen liegen die Anteile sogar noch etwas höher: 69 % der in der Altenpflege Beschäftigten und 74 % der in der Krankenpflege Beschäftigten möchten maximal bis zum 64. Lebensjahr erwerbstätig bleiben. Insgesamt möchten nur sehr wenige ältere Beschäftigte bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter von 67 Jahren arbeiten (Altenpflege: 15 %, Krankenpflege: 7 %, andere Berufe: 13 %). Ergebnisse im Längsschnitt zeigen jedoch auch, dass Beschäftigte mit der Zeit und mit zunehmendem Alter ihren Wunschzeitpunkt des Ruhestandsübergangs anpassen und in den allermeisten Fällen erhöhen [3].

Aus welchen Gründen möchten ältere Beschäftigte früh in den Ruhestand gehen? Bei den­jenigen, die maximal bis zum 64. Lebensjahr arbeiten möchten, wurde nachgefragt, aus welchen Gründen sie zu diesem frühen Zeitpunkt in den Ruhestand gehen möchten. Zu ins­gesamt zwölf Gründen konnten die Beschäftigten aussagen, ob diese eine große Rolle für ihren Wunsch spielen, früh aus dem Arbeits­leben auszusteigen [4]. Der von allen Beschäftigten am häufigsten genannte Grund ist der Wunsch nach „mehr freier Zeit“ (Kranken­pflege: 83 %, Altenpflege: 68 %, andere Berufe: 83 %). Auch die Aussage „irgendwann muss Schluss sein“ wird von sehr vielen Beschäftigten als Grund genannt (Altenpflege: 65 %, Krankenpflege: 73 %, andere Berufe: 64 %).

Beim Vergleich der Beschäftigten, die in der Pflege und in anderen Berufen arbeiten, fällt auf, dass die Gründe, „die Arbeit ist zu anstrengend“ (Altenpflege: 66 %, Krankenpflege: 76 %, andere Berufe: 45 %) sowie „gesundheitliche Probleme“ (Altenpflege: 57 %, Krankenpflege: 54 %, andere Berufe: 41 %) von Pflegenden deutlich häufiger genannt werden. Hier lässt sich zwischen den Gruppen ein statistisch signifikanter Unterschied feststellen.

Weitere häufig genannte Gründe für den frühen Ausstiegswunsch waren das „Erreichen einer ausreichenden finanziellen Absicherung“, dass „der Partner oder die Partnerin dann auch aufhört zu arbeiten“, die „Möglichkeit, ohne Abschläge in die Rente zu gehen“ sowie die „Betreuung von Kindern, Enkelkindern oder pflegebedürftigen Personen“ [3, 4].

Wie kann die Arbeit gestaltet werden, damit Beschäftigte länger im Beruf bleiben? Die älteren Beschäftigten, die maximal bis zum 64. Lebensjahr arbeiten möchten, wurden ebenfalls gefragt, ob sie unter bestimmten Umständen doch noch länger erwerbstätig bleiben würden (Abb. 1). Die Ergebnisse zeigen: Insgesamt würden 77 % der nicht in der Pflege Beschäftigten unter verschiedenen Umständen länger arbeiten, als sie zuvor ausgesagt haben. Bei Beschäftigten in der Pflege sind die Anteile noch etwas höher: So würden zum Beispiel etwa 74 % der in der Altenpflege Beschäftigten länger arbeiten, wenn sie „frei bestimmen könnten, wie viel sie arbeiten“; bei den nicht in der Pflege Beschäftigten sind dies nur etwa 66 %. Auch würden etwa 65 % der in der Altenpflege Beschäftigten länger arbeiten, wenn sie „frei bestimmen könnten, wann sie arbeiten“. Dies gaben nur 56 % der Beschäftigten in anderen Berufen an.

 

Ähnlich zu den Gründen für einen frühen Ausstiegswunsch ist auffällig, dass deutlich mehr Pflegende als Beschäftigte anderer Berufsgruppen aussagten, sie würden länger arbeiten, „wenn die Arbeit nicht zu anstrengend wäre“ (Altenpflege: 66 %, Krankenpflege: 61 %, andere Berufe: 50 %). Hinzu kommt, dass von den meisten Beschäftigten etwa vier Umstände gleichzeitig genannt wurden. Hier liegt die Annahme nahe, dass sich diese Umstände auch gleichzeitig ändern müssten, wenn Arbeitgebende ihre Beschäftigten länger in der Arbeit halten möchten.

Schlussfolgerung. Die aktuellen Ergebnisse aus der lidA-Studie zeigen, dass ein Großteil der älteren Beschäftigten in Deutschland gerne früh in den Ruhestand gehen würde. Im Vordergrund steht dabei der Wunsch nach Selbstbestimmung durch mehr freie Zeit. Aber auch belastende Arbeit und gesundheitliche Probleme werden von den Beschäftigten, insbesondere von Beschäftigten in der Pflege, als Ausstiegsgrund genannt.

Die Ergebnisse verdeutlichen auch, dass der Ruhestandsübergang ein Prozess ist, der sich verändern kann. So passen die Beschäftigten ihren Wunsch nach einem bestimmten Ausstiegsalter mit dem Älterwerden an und auch Veränderungen ihrer Arbeits­bedingungen können dazu führen, dass die Beschäftigten länger im Erwerbsleben verbleiben möchten. Auch hier ist die Selbstbestimmung in der Arbeit zentral, insbesondere der Einfluss darauf, wie viel und wann man arbeitet.

Wenn Arbeitgeber im Gesundheitsdienst wollen, dass ihre älteren Beschäftigten länger im Unternehmen verbleiben, sollten sie frühzeitig regelmäßige individuelle Gespräche mit den Pflegenden suchen, die deren Perspektive in der Arbeit und ihrem Leben zum Thema haben. Auf diese Gespräche sollten passende Maßnahmen folgen. Individuell passende Maßnahmen in der Arbeitsplatzgestaltung erhöhen die Selbstwirksamkeit der Beschäftigten und die Bereitschaft, länger im Beruf zu verbleiben.

 

[1] Nurmeksela A, Välimäki T, Kvist T et al. Extending ageing nurses‘ working lives: A mixed-methods systematic review. J Adv Nurs 2023; 79: 2119–2135

[2] Ehegartner V, Kirschneck M, Wilhelm EM et al. PFLEGEprevent – Präventiv der Arbeitsbelastung von Pflegekräften begegnen. Gesundheitswesen 2021; 83: 374–383

[3] Ebener M, Garthe N, Hasselhorn HM. Warum wollen ältere Beschäftigte früh in die Rente? Ergebnisse der lidA-Kohortenstudie aus 2022/23. Broschüre; 2023

[4] Hasselhorn HM, Ebener M. Frühzeitiger Ausstieg der Babyboomer aus dem Erwerbsleben – Ergebnisse der lidA-Studie. DRV 2023; 02: 152–174

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