• 26.09.2022
  • Praxis
HQGplus-Studie

Die Akademisierung schreitet voran

Das DIP hat als Projektpartner des Wissenschaftsrats eine Studie zur Situation der hoch­schulischen Qualifizierung von Gesundheitsfachpersonen durchgeführt.

Die Schwester Der Pfleger

Ausgabe 10/2022

Seite 8

2012 sprach sich der Wissenschaftsrat für eine partielle Akademisierung der Gesundheitsberufe aus. Eine Arbeitsgruppe soll nun den Umsetzungsstand analysieren und Empfehlungen zur weiteren Entwicklung der Gesundheitsfachberufe erarbeiten. Zur Vorbereitung führte das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung (DIP) als Projektpartner des Wissenschaftsrats eine Studie zur Situation der hoch­schulischen Qualifizierung von Gesundheitsfachpersonen durch. Das Forschungsteam stellt die Ergebnisse in diesem Artikel vor.

Mit der „HQGplus-Studie zu Hochschulischen Qualifikationen für das Gesundheitssystem – Update“ [1] liegen erstmals quantitative und qualitative Erhebungen zur Situation der hochschulischen Qualifizierung von Gesundheitsfachpersonen in Deutschland vor. Im Zentrum der Untersuchung stehen die Berufsgruppen Pflege, Hebammen sowie die Therapieberufe Physio-, Ergo- und Logopädie. Die HQGplus-Studie setzt sich aus einer Hochschulbefragung, einer Befragung von Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen sowie Experteninterviews zusammen. Die quantitative Erhebung erfolgte im Jahr 2020, die qualitative Erhebung im Jahr 2021.

Ziel der HQGplus-Studie ist insbesondere die Analyse des Umsetzungsstands der „Empfehlungen zu hochschulischen Qualifikationen für das Gesundheitswesen“ des Wissenschaftsrats aus dem Jahr 2012 [2], die u. a. den Ausbau von Studiengängen in den Gesundheitsfachberufen adressierten (Textkasten: Die Empfehlungen des Wissenschaftsrats 2012). Der Wissenschaftsrat ist das wichtigste wissenschaftspolitische Beratungsgremium in Deutschland. Es berät Bund und Länder in Fragen der inhaltlichen und strukturellen Weiterentwicklung des Hochschulsystems sowie der staatlichen Förderung von Forschungseinrichtungen.

Die Hochschulbefragung erfasste vorrangig Studiengänge, die primär für patienten- bzw. klientennahe Aufgaben qualifizieren. Nicht erfasst wurden Studienangebote, die überwiegend lehrerbildende, ökonomische bzw. managementorientierte oder technische Qualifikationsziele verfolgen. Angelehnt an die Empfehlungen des Wissenschaftsrats aus dem Jahr 2012, differenzierte die HQGplus-Studie zwischen den verschiedenen Studienformaten der Studiengänge. Auf der Bachelorebene wurden insgesamt vier Studienformate unterschieden:

  • Primärqualifizierend. Qualifizierung zu einem staatlich geregelten Gesundheitsfachberuf durch erfolgreiches Absolvieren eines Hochschulstudiums; das Studium findet an Hochschulen verbunden mit Praxisphasen an kooperierenden Praxiseinrichtungen statt; es besteht eine enge inhaltliche und strukturelle Verzahnung zwischen Hochschule und Praxispartnern; die Verantwortung für den theoretischen und praktischen Teil des Studiums liegt bei der Hochschule. Die staatliche Prüfung findet an der Hochschule statt. Abschluss: akademischer Grad Bachelor und Berechtigung zum Führen einer Berufsbezeichnung auf der Grundlage eines Berufsgesetzes; durch enge Verzahnung jedoch als ein Abschluss zu werten.
  • Ausbildungsintegrierend. Qualifizierung durch Integration von schulischen und hochschulischen Ausbildungsanteilen; drei Lernorte (Hochschule, Berufsfachschule, Praxispartner) mit unterschiedlichen Verantwortlichkeiten; die Curricula sind inhaltlich und strukturell aufeinander abgestimmt. Abschluss: akademischer Grad (Hochschule) und Berechtigung zum Führen der Berufsbezeichnung auf der Grundlage eines Berufsgesetzes, staatliche Prüfung an Berufsfachschule (zwei Abschlüsse).
  • Ausbildungsbegleitend. Qualifizierung zu einem staatlich geregelten Gesundheitsfachberuf durch berufliche Ausbildung mit parallelem Hochschulstudium (zumeist um ein Jahr versetzt); keine inhaltliche und strukturelle Abstimmung der theoretischen Ausbildung/Studium; formale Kooperation der Hochschule und beruflichen Schule; Verantwortung und Begleitung der praktischen Ausbildung erfolgt i. d. R. durch die Berufsfachschule oder Schule für Gesundheit. Abschluss: akademischer Grad (Hochschule) und unabhängig hiervon Berechtigung zum Führen der Berufsbezeichnung (staatliche Prüfung an Berufsfachschule).
  • Additiv. Studium, das auf einer abgeschlossenen Berufsausbildung in einem Gesundheitsfachberuf aufbaut. Praktische Tätigkeit neben dem Studium kann gefordert, möglich oder auch ausgeschlossen sein. Abschluss: akademischer Grad.

Die Empfehlungen des Wissenschaftsrats 2012 (Auszug)

  • Der Wissenschaftsrat [hält es] für zunehmend wichtig, dass die mit besonders komplexen Aufgaben betrauten Angehörigen der Gesundheitsfachberufe ihr eigenes pflegerisches, therapeutisches oder geburtshelferisches Handeln auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnis reflektieren, die zur Verfügung stehenden Versorgungsmöglichkeiten hinsichtlich ihrer Evidenzbasierung kritisch prüfen und das eigene Handeln entsprechend anpassen können.
  • Der Wissenschaftsrat ist vor diesem Hintergrund der Auffassung, dass eine Weiterentwicklung der für die Gesundheitsfachberufe üblichen Ausbildung an berufsbildenden Schulen nicht ausreicht, um die erforderlichen Fähigkeiten und Kompetenzen zu vermitteln.
  • Der Wissenschaftsrat empfiehlt daher, das in komplexen Aufgabenbereichen der Pflege, der Therapieberufe und der Geburtshilfe tätige Fachpersonal künftig an Hochschulen auszubilden. Die hochschulische Ausbildung sollte in erster Linie in Form von primärqualifizierenden, patientenorientierten Studiengängen mit dem Ziel eines zur unmittelbaren Tätigkeit am Patienten befähigenden Bachelor-abschlusses erfolgen.
  • Vor dem Hintergrund der üblichen Größe multidisziplinärer Teams hält es der Wissenschaftsrat für sinnvoll, 10 bis 20  % eines Ausbildungsjahrgangs in den hier betrachteten Gesundheitsfachberufen akademisch zu qualifizieren.
  • Ferner sollten Studienangebote entwickelt werden, die für ausgebildete, erfahrene Kräfte attrak- tive Möglichkeiten zur akademischen Weiterbildung für spezialisierte patientenorientierte Aufgaben sowie für Tätigkeiten in der Lehre und im Gesundheitsmanagement eröffnen.

Quelle: Wissenschaftsrat. Empfehlungen zu hochschulischen Qualifikationen für das Gesundheitswesen. Köln; 2012

Ergebnisse

Bestehendes Studienangebot. An der Hochschulbefragung beteiligten sich 78 Hochschulen. Dies entspricht einer Ausschöpfungsquote von 87,6 %, sodass von einer repräsentativen Darstellung auszugehen ist. Differenziert nach Hochschultyp machen Universitäten (n = 21) einen Anteil von 26,9 % der antwortenden Hochschulen aus. Mit 71,8 % sind Fachhochschulen bzw. Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) (n = 55) stärker in der Stichprobe vertreten. Neben diesen beiden Hochschultypen hat sich eine Pädagogische Hochschule an der Hochschulbefragung beteiligt (1,3 %).

Eine Entwicklung des Angebots an Bachelorstudiengängen mit patienten- bzw. klientennahem Qualifikationsziel ist seit den Empfehlungen des Wissenschaftsrats im Jahr 2012 deutlich erkennbar, wenngleich stärker an Fachhochschulen/HAW als an Universitäten. Primärqualifizierende Bachelorstudiengänge rangieren jedoch über alle Fachgebiete hinweg nach ausbildungsintegrierenden und additiven Bachelorstudiengängen an dritter Stelle.

Von den erfassten 180 Studiengängen entfallen 75 auf die Pflegewissenschaft (41,7 %). Darauf folgen Studiengänge der Physiotherapie (40), Hebammenwissenschaft (18) und Ergotherapie (9). Zudem existieren 14 Kombinationsstudiengänge.

Die Zahl der Absolvierenden der Bachelorstudiengänge für 2019 liegt in der Pflegewissenschaft bei 719. Nur für die Hebammenwissenschaft ist im Zeitraum 2017 bis 2019 eine Zunahme sowohl der Studienanfän- gerinnen und Studienanfänger als auch der Absolvierendenzahlen zu beobachten.

Die Akademisierungsquote, also der Anteil der Pflegenden in hochschulischer Qualifizierung gemessen an der Anzahl aller Auszubildenden in der Pflege, liegt (mit einem auf patientennahe Tätigkeiten ausgerichteten Studienziel) bei 3 %. Bezogen auf die neuen und primärqualifizierenden Pflegestudiengänge liegt die Quote im untersuchten Zeitpunkt in 2019 lediglich bei 0,4 %. Insofern ist die Akademisierungsquote von 10 bis 20 %, die der Wissenschaftsrat im Jahr 2012 empfahl, in der Pflege nur in Ansätzen realisiert. Pflegende ohne hochschulische Qualifizierung werden durch die akademisierten Pflegenden damit mittel- und auch langfristig weder eine Entwertung noch eine Verdrängung erfahren.

Es sind nur sehr wenige disziplinspezifische Masterstudiengänge mit einem auf patienten- und klientennahe Tätigkeiten ausgerichteten Qualifikationsziel etabliert, die entsprechend niedrige Absolvierendenzahlen im Jahr 2019 hervorbringen: In der Pflegewissenschaft sind es 32; in den Kombinationsmasterstudiengängen (meist Pflege- kombiniert mit Hebammenwissenschaft) gibt es 15 Absolvierende.

Mit Blick auf den Verbleib der Bachelorabsolvierenden der erhobenen Studiengänge verdeutlichen die Daten, dass drei Viertel der Absolvierenden direkt in der unmittelbaren Gesundheitsversorgung tätig werden und ein Viertel ein weiteres Studium aufnimmt. Im Umkehrschluss geht nur ein sehr geringer Anteil der Absolvierenden einer nichtpatientennahen Beschäftigung nach.

Geplantes Studienangebot. Von den antwortenden Hochschulen wurden Informationen zu konkret geplanten Studiengängen in der Pflege-, Therapie- und Hebammenwissenschaft zum 31. Dezember 2019 erhoben, die primär für patienten- bzw. klientennahe Aufgabenbereiche qualifizieren. Da die Erhebung für diese geplanten Studienangebote im Jahr 2020 erfolgte, konnten bereits konkrete Planungen einbezogen werden, mit denen Hochschulen auf das Inkrafttreten des Pflegeberufe- und des reformierten Hebammengesetzes am 1. Januar 2020 reagierten. Allerdings sind diese angesichts einer dynamischen Entwicklung seit Verabschiedung dieser Gesetze als Momentaufnahme zu verstehen.

Von 78 antwortenden Hochschulen gaben 50 an, im Zeitraum von 2020 bis 2022 die Einrichtung weiterer gesundheitsbezogener Studienangebote, die zu einer patienten- und klientennahen Tätigkeit qualifizieren, zu planen. Entsprechende Studienangebote sind an der Hälfte aller antwortenden Universitäten und an zwei Drittel der antwortenden Fachhochschulen/HAW in Planung. Vorgesehen sind dort insgesamt 64 Studienangebote, hauptsächlich in den Fachbereichen Pflegewissenschaft (30) und Hebammenwissenschaft (24).

Der Großteil aller geplanten Studiengänge sind mit 86 % Bachelorstudiengänge, zwei Drittel von ihnen im primärqualifizierenden Studienformat. Die umfänglichen Planungen zu primärqualifizierenden Studiengängen spiegeln den durch die gesetzlichen Regelungen des Pflegeberufe- und des Hebammen-gesetzes eröffneten Handlungskorridor für die Hochschulen in der Pflege- sowie der Hebammenwissenschaft wider.

Auf Masterniveau sind neun Studienangebote in Planung, davon fünf in der Pflegewissenschaft.

Gelingensbedingungen für die Einführung bzw. Etablierung von primärqualifizierenden Studiengängen. In der Hochschulbefragung beantworteten 51 der erfassten 78 Hochschulen (65,4 %) die offene Frage nach den Rahmenbedingungen für die erfolgreiche Einführung bzw. Etablierung von primärqualifizierenden Studiengängen. Mit acht Nennungen sind aus Sicht der antwortenden Universitäten ausreichendes und adäquat qualifiziertes Personal an den Hochschulen wie in den Versorgungseinrichtungen die wichtigste Voraussetzung für die Einführung bzw. Etablierung von primärqualifizierenden Bachelorstudiengängen. Zum erforderlichen Personal gehören Professorinnen und Professoren, wissenschaftliche Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter über Verwaltungskräfte bis zu Praxisbegleiterinnen und Praxisbegleitern an der Hochschule und Praxisanleiterinnen und Praxisanleitern in den Versorgungseinrichtungen.

Die 37 antwortenden Fachhochschulen/HAW erwähnen mit 25 Nennungen am häufigsten die Finanzierung als Einflussfaktor auf die erfolgreiche Einführung bzw. Etablierung von primärqualifizierenden Studiengängen, gefolgt von in ausreichender Anzahl und entsprechendem Umfang qualifiziertem Personal an Hochschulen und Versorgungseinrichtungen für die Begleitung und Anleitung der studentischen Praxiseinsätze (23 Nennungen). Zu den Rahmenbedingungen einer erfolgreichen Einführung bzw. Etablierung von primärqualifizierenden Studiengängen zählen aus Sicht der Fachhochschulen/HAW des Weiteren die Verfügbarkeit der erforderlichen Infrastrukturen für Studium und Lehre (22 Nennungen), die rechtlichen Grundlagen sowie die Vergütung der studentischen Praxiseinsätze und eine qualifikationsadäquate Bezahlung der Gesundheitsfachpersonen (jeweils 13 Nennungen).

In Interviews gaben zehn Expertinnen und Experten Auskunft über die Bedingungen einer gelingenden Einführung bzw. Eta­blierung primärqualifizierender Studiengänge. Die interviewten Vertreterinnen und Vertreter der Pflegewissenschaft (n = 5) sehen vor allem eine politische Entscheidung und rechtliche Absicherung als notwendige Gelingensbedingung für die Einführung bzw. Etablierung von primärqualifizierenden Studiengängen an – hier wurden häufig Finanzierungsaspekte genannt, die eine Anpassung des Pflegeberufsgesetzes erforderlich machen (Finanzierung der Praxisanleitung, Finanzierung der Studiengänge, Vergütung der studentischen Praxiseinsätze). Die Interviewten gaben als konkrete Folge der fehlenden Vergütung der studentischen Praxiseinsätze an, dass sich eine mangelnde Konkurrenzfähigkeit der hochschulischen gegenüber der fachschulischen Qualifizierung ergebe. In der Konsequenz würden die Studienplätze in der Pflegewissenschaft nicht ausreichend nachgefragt, was wiederum Auswirkungen auf die politische Unterstützung des Ausbaus weiterer primärqualifizierender Pflegestudiengänge habe.

Die interviewten Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftler deuteten als weiteren gesetzlichen Anpassungsbedarf auf die Rahmenbedingungen der praktischen Ausbildung hin: Der Workload von 2.300 Praxisstunden im primärqualifizierenden Pflegestudium, der sich aus der europäischen Übereinkunft zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen ergibt, eröffne keine Möglichkeit, Praxisstunden z. B. analog zum Praktischen Jahr von Medizinstudierenden am Ende des Studiums zu konzentrieren.

Darüber hinaus sei keine Vergütung der Praxiseinsätze der Studierenden der Pflegewissenschaft vorgesehen, was der Attraktivität eines primärqualifizierenden Studiengangs entgegenstehe. Hier sind bereits Aktivitäten in einzelnen Bundesländern zu erkennen, so werden z. B. in Bayern Stipendien vergeben, um die Studienangebote gegenüber einer finanzierten Ausbildung konkurrenzfähig auszugestalten.

Ebenso zeigten die interviewten Expertinnen und Experten aus der Pflegewissenschaft wenig Verständnis für die Begrenzung der praktischen Ausbildungsanteile auf 5 bis 10 %, die in Skills Labs erbracht werden können. Die Befragten hoben hier auch die Notwendigkeit von kompetenzgerechten Aufgaben- und Tätigkeitsprofilen hervor, die gelegentlich von der Forderung nach Substitution ärzt- licher Aufgaben für hochschulisch qualifizierte Pflegefachpersonen begleitet wurden.

Forschung. In den Studiengängen mit patienten- bzw. klientennahem Qualifikationsziel sind Forschungsaktivitäten in unterschied- licher Intensität feststellbar. Hochschulen in Deutschland sind bislang allenfalls punktuell an internationalen Forschungsprojekten und Konsortien beteiligt.

Für die Pflegewissenschaft gaben die 46 antwortenden Hochschulen, darunter elf Universitäten, 34 Fachhochschulen/HAW und eine Pädagogische Hochschule, folgende Forschungsschwerpunkte an: Unter den insgesamt 28 Schwerpunktnennungen durch Universitäten ist das Thema „Pflege alter und hochaltriger Menschen“ (n = 6) am häufigsten vertreten, gefolgt von Methoden (n = 4), Pflegesystem im Umbruch (n = 3) und Bildung in der Pflege (n = 3). Bei den Fachhochschulen/HAW und der Pädagogischen Hochschule sind insgesamt 92 Nennungen (83 ohne Doppelung) zu verzeichnen, von denen jeweils zwölf auf die Themen „Versorgungsforschung“, „Bildung in der Pflege“ und „Pflege alter und hochaltriger Menschen“ entfallen. Im Unterschied zur „Pflege alter und hochaltriger Menschen“ finden sich zu den anderen beiden Themenschwerpunkten des Gesundheitsforschungsrats nur sehr wenige Nennungen. Mit Blick auf die Themen der Agenda Pflegeforschung fällt auf, dass die „Pflege von Kindern und Jugendlichen“ weder bei Universitäten noch Fachhochschulen/HAW der Stichprobe als Forschungsschwerpunkt genannt wird.

Ausblick

Die vorliegenden Ergebnisse zeigen einerseits, dass die Akademisierung in den Pflege- und Therapieberufen weiter voranschreitet. Andererseits wird deutlich, dass die Empfehlungen aus dem Jahr 2012 auch heute – zehn Jahre später – noch lange nicht erreicht sind. Dies wird auch in naher Zukunft nicht möglich sein. Daher bedarf es weiterer Anstrengungen – seitens der Länder, der Träger und der Hochschulen. Eine Ausnahme bildet das Hebammenwesen, in dem künftig primärqualifizierend an Hochschulen ausgebildet wird. Wenn die Akademisierung dauerhaft gelingen und stabilisiert werden soll, bedarf es jedoch auch in diesem Beruf eines strukturierten Aufbaus an Masterstudienprogrammen und Promotionsmöglichkeiten.

Angesichts der zunehmend komplexen Gesundheitsversorgung und der „doppelten“ demografischen Herausforderungen – die der Bevölkerung und die der Gesundheitsfachpersonen – sind akademische Angebote entscheidend, um attraktive Qualifizierungsangebote auch an höher qualifizierte Schulabsolventinnen und -absolventen zu adressieren. Die Akademisierung der Gesundheitsfachberufe ist daher eine wichtige Strategie, um deren Professionalisierung voranzutreiben und sie mit einer hohen Anerkennung und Wertschätzung in der Gesellschaft zu verorten. Ferner lassen sich angesichts einer erwartbaren Verknappung an Kapazitäten innovative Konzeptentwicklungen und erweiterte Aufgaben- und Verantwortungsbereiche in der Pflege, Therapie und in der Geburtshilfe nur realisieren, wenn entsprechende Qualifikationen in breiter Fläche erworben werden können.

Die Strukturen in den Hochschulen selbst zeigen auf, dass fehlende Kapazitäten und Begrenzungen in der Qualifizierung des eigenen Nachwuchses auch dazu führen, dass in den Hochschulen selbst Lücken entstehen können. Dies mindert den notwendigen Aufwuchs an Programmen sowie die Steigerung von Studierendenzahlen.

Die Wechselwirkungen der hemmenden Faktoren zeigen gleichsam wie die förderlichen auf, dass eine erfolgreiche Akademisierung nur im Zusammenspiel von gestaltender Politik, Hochschulentwicklung und Praxis-trägern gelingen kann.

[1] Wissenschaftsrat. HQGplus-Studie zu Hochschulischen Qualifikationen für das Gesundheitssystem – Update. Quan-titative und qualitative Erhebungen der Situation in Studium, Lehre, Forschung und Versorgung. Im Internet: www.wissenschaftsrat.de/download/2022/9541-22.pdf? __blob=publicationFile&v=12; Zugriff: 01.08.2022

[2] Wissenschaftsrat. Empfehlungen zu hochschulischen Qualifikationen für das Gesundheitswesen Köln; 2012. Im Internet: www.wissenschaftsrat.de/download/ archiv/2411-12.html; Zugriff: 01.08.2022

Die Autorinnen und Autoren:

Prof. Dr. Frank Weidner

Vorsitzender des geschäftsführenden Vorstands

Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung (DIP)

Susanne Sachs

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung (DIP)

Moritz Hüsken

Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung (DIP)

Daniel Tucman

Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung (DIP)

Prof. Dr. Michael Isfort

Projektleiter (DIP) HQGplus-Studie

Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung (DIP)

m.isfort@dip.de

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