• 23.07.2021
  • Bildung
Tutoren für die hochschulische praktische Pflegeausbildung

Pflegestudierende begleiten

Pflegetutoren sollen die Praxiserfahrung und -reflexion Studierender fördern.

Die Schwester Der Pfleger

Ausgabe 8/2021

Seite 68

Pflegestudierende benötigen neben der klassischen Anleitung in der Praxis Ansprechpartner, die sie unterstützen, ihre Kompetenzen zu entwickeln, und ihnen als Rollenvorbilder dienen. Dafür eignen sich Pflegetutoren, hochschulisch qualifizierte Pflegefachpersonen mit einer speziellen Weiterbildung. Diese sollen die Praxiserfahrung und -reflexion Studierender fördern.

Die Professionalisierung der Gesundheitsberufe schreitet voran. Aus einem auf traditionellem Wissen beruhenden, primär von weib­licher Fürsorge geprägten Handeln, entwickelt sich die Pflege zunehmend zu einer eigenen Wissenschaft. In den 1990er-Jahren richtete sich die aufkommende Diskussion über die Professionalisierung der Pflege v. a. auf die Einrichtung von Studiengängen für Leitungs- und Lehrpositionen [1].

Geleitete Praxis

Die „geleitete Praxis“ umfasst eine systematische Begleitung von Studierenden in den unterschiedlichen Feldern der Pflege und dient, zusätzlich zu den Praxisanleitungen, der Erweiterung von Kompetenzen. „Die Studierenden lernen dabei, ihre eigene berufliche Praxis wissenschaftlich zu reflektieren, Probleme zu identifizieren und ggf. Pflegeentwicklungsprojekte auf den Weg zu bringen. Die Aufgaben in der ,geleiteten Praxis‘ sind gezielt auf die einzelnen Studien­angebote der Hochschule zugeschnitten, bauen aufeinander auf und nutzen die Kenntnisse und erworbenen Fähigkeiten der jeweils vorausgegangenen Studienangebote“ [9].

Professionalisierung in der Pflege – der Weg über die Akademisierung

Mit dem Voranschreiten der Akademisierung hat sich bis heute ein breites Angebot an Pflegestudiengängen entwickelt. Zum Winter­semester 2018/19 gab es bundesweit insgesamt 144 pflegerische Studiengänge. Von diesen enden 112 mit einem Bachelorabschluss [2]. Seit Beginn des Jahres 2020 ist es dank des neuen Pflegeberufereformgesetzes (PflBRefG, 2017) zudem möglich, über eine akademische Ausbildung die Berufszulassung in der Pflege zu erwerben. Das Handlungsfeld dieser hochschulisch ausgebildeten Pflegefachpersonen ist bislang noch nicht ausreichend etabliert, obwohl hierzu bereits Empfehlungen, mögliche Tätigkeitsprofile sowie Aufgabenbeschreibungen vorliegen [3, 4]. Laut Ausbildungs- und Prüfverordnung für die Pflegeberufe (PflAPrV, 2018) sind für die Zeit der praktischen Einsätze der Pflegestudierenden sowohl Praxisanleitungen als auch Praxisbegleitungen sicherzustellen.

Trotz dieser gesetzlichen Festlegungen gibt es in der hochschulischen Pflegeausbildung noch einige Herausforderungen, die einen zusätzlichen strukturellen Handlungsbedarf für die Umsetzung dieser Vorgaben, v. a. in der Praxis, nötig machen [5]. Die Praxisbegleitung muss z. B. das Hochschulpersonal übernehmen. Bislang fehlen jedoch ausreichende Ressourcen für diese Tätigkeit [6]. Die hochschulisch qualifizierte Pflegefachperson soll künftig auch die Praxisanleitung übernehmen. Allerdings hat der Gesetzgeber in der PflAPrV festgelegt, dass die Bundesländer bis 2029 abweichende Regelungen an die Qualifikation der Praxisanleitung stellen können.

In der traditionellen Pflegeausbildung kommt der Praxisanleitung zudem eine „Brückenfunktion“ zwischen Praxis und Lehre zu. Für die hochschulische Pflegeausbildung bleibt aufgrund der Rahmenbedingungen die Frage bestehen, ob sich mit dieser auch eine gleichwertige Vernetzung zwischen Hochschule und Praxis schaffen lässt. Eine weitere Aufgabe besteht darin, die Studierenden in der beruf­lichen Identitätsbildung zu unterstützen. Denn Pflegestudierende treffen in der Praxis nicht selten auf Skepsis oder auf zu hohe Erwartungen [7]. Diese Einstellungen Dritter und die fehlende Umsetzung der Rollendefinition haben zur Folge, dass den Studierenden in der direkten Patientenversorgung Rollenvorbilder fehlen, an denen sie sich orientieren können [6].

Weiterbildungsinhalte des Wittener Pflege Tutoriums

Die Fortbildung zur Tutorin bzw. zum Tutor teilt sich in zehn Treffen innerhalb von vier Blöcken auf, die inhaltlich aufeinander aufbauen. Die Weiterbildung sollen die Teilnehmenden befähigen,

  • die neuen Berufskompetenzen der Studierenden in den grundständigen/primären Bachelor- studiengängen Pflege zu kennen,
  • die Studierenden bei der Entwicklung neuer Kompetenzen und beim Einfinden in die neue Berufsrolle zu unterstützen,
  • in der Organisation als Vermittler zwischen Studierenden, Patientinnen und Patienten, dem Management und der Hochschule auftreten zu können und die Wissenszirkulation zu fördern.

Zwei wesentliche Aspekte werden während der Weiterbildung besonders gefördert:

1. Bedeutung der Entwicklung von Kompetenzen mit den dafür notwendigen Lehr- und Lernmethoden.

2. Kompetenzen der Tutorin bzw. des Tutors zu Coaching, Beratung und Moderation in der „geleiteten Praxis“ [9].

Neue Wege der Begleitung Pflegestudierender

Ziel der hochschulischen Pflegeausbildung ist es u. a., die Studierenden zum kritischreflek­tiven und analytischen Denken zu befähigen (PflBRefG). Um die im Gesetz geforderten Kompetenzen der Studierenden anbahnen zu können, bedarf es deshalb spezieller Angebote – auch im Rahmen ihrer praktischen Ausbildung [8]. Dies bedeutet, dass die Studierenden in der Praxis – neben der Anleitung im klassischen Sinne – Ansprechpartnerinnen und -partner mit einem wissenschaftlichen Kontext benötigen. Diese unterstützen sie dabei, die geforderten akademischen Kompetenzen zu entwickeln, und dienen gleichzeitig als Praxisvorbilder.

Pflegetutorinnen und -tutoren (im Folgenden: Tutoren) sind an dieser Stelle sinnvoll einsetzbar. Sie haben die Aufgabe, Studierende in der Praxis zu begleiten. Dafür schaffen sie strukturierte Angebote, um die erlebten Pflegesituationen gemeinsam zu reflektieren und daraus resultierend die Pflegepraxis wissenschaftlich fundiert weiterzuentwickeln [8]. Pflegetutoren sind hochschulisch qualifizierte Pflegefachpersonen, die eine spezielle Weiterbildung absolviert haben (Textkasten: Geleitete Praxis).

Weiterbildung zur akademisch qualifizierten Begleitung

Das erste Weiterbildungsprogramm dieser Art entwickelten Prof. Christel Bienstein und Dr. Anneke de Jong an der Universität Witten/Herdecke: das Wittener Pflege Tutorium (Textkasten: „Weiterbildungsinhalte des Wittener Pflege Tutoriums“). Diese Weiterbildung für bereits hochschulisch qualifizierte Pflegefachpersonen mit klinischer Erfahrung soll zu einer gelingenden Praxiserfahrung und -reflexion Pflegestudierender beitragen. Seit November 2014 haben mehr als 60 Tutoren diese Weiterbildung durchlaufen und sind für die Arbeit im Praxisfeld bereit.

Im Rahmen einer Online-Befragung sollten diese im vergangenen Jahr das Gelingen, die Hindernisse und bisher erlebten Herausforderungen beschreiben. Die Ergebnisse geben interessante Hinweise auf Anpassungsbedarfe in der Praxis. Etwa ein Drittel der Absolventinnen und Absolventen berichtete über ihre Erfahrungen. Die Weiterbildung zum Tutor empfanden alle als sinnvoll und inhaltlich wertvoll. Insbesondere eine didaktische und pädagogische Schwerpunktsetzung ist aus Sicht der Absolventinnen und Absolventen für die Weiterbildung wichtig und erweitert die Kompetenzen für das praktische Arbeiten mit Studierenden, aber auch mit ausgebildeten akademisch Pflegenden nach dem beruflichen Einstieg. Mit der neuen Gesetzgebung erwarten die Befragten einen steigenden Bedarf an weitergebildeten Pflegetutoren.

Zwei wichtige Aspekte rücken für das Gelingen der hochschulisch praktischen Pflegeausbildung in den Vordergrund:

  • Die Differenzierung zwischen der Praxisanleitung – durch speziell weitergebildete Pflegefachpersonen – und der geleiteten Praxis durch Tutoren. Beide Tätigkeitsprofile gehen mit unterschiedlichen Rollen und Aufgaben in der hochschulischen Pflegeausbildung einher.
  • Sofern Tutorinnen und Tutoren in der direkten Versorgung angestellt sind, benötigen sie unbedingt große Unterstützung vom Pflegemanagement als Basis für die Um­setzung von Tutorien in der hochschulisch praktischen Ausbildung.

Die Befragung der Tutoren weist auf einen deutlichen Trend hin: Der Bedarf an Unterstützung der Pflegestudierenden in den Praxiseinrichtungen ist enorm. An dieser Stelle erscheint das Wittener Pflege Tutorium mit der „geleiteten Praxis“ einen wichtigen Baustein in der Akademisierung darzustellen.

Tagung für Praxisanleitende der beruflichen und hochschulischen Pflegeausbildung

Am 5. November 2021 findet von 9.00 bis 17.00 Uhr im Alfried Krupp Krankenhaus Essen eine Tagung, ggf. als Hybridveranstaltung, für Praxisanleitende der beruflichen und hochschulischen Pflegeausbildung statt.

Referentinnen und Referenten sind u. a. Prof. Christel Bienstein und Dr. German Quernheim sowie Organisatoren aus dem Bundesinstitut für Berufsbildung und dem Alfried Krupp Krankenhaus Essen.

Anmeldung: www.krupp-krankenhaus.de/fachtagung-praxisanleiter.html

Tutoren als Vermittler zwischen den Akteuren

Neu sind die Antworten der Befragten bzw. die Erkenntnisse aus den Befragungen nicht. Im Abschlussbericht der Qualitätskriterien für hochschulisches Praxislernen (QUAHOPP) führen die Autorinnen und Autoren z. B. auf, dass am Ort der praktischen Studienphase eine Ansprechperson für Pflegewissenschaft/ -forschung etabliert sein muss, die von Studierenden für fachliche Fragen kontaktierbar ist [10]. Abbildung 1 zeigt, welche Akteure in den Prozess der Begleitung von Studierenden in einem Krankenhaus einzubinden sind. Auf die Bereiche der ambulanten Pflege und der stationären Langzeitpflege ist dies ebenfalls übertragbar.

Zur gelingenden Begleitung bedarf es jedoch v. a. reflexiver Pflegeexpertinnen und -experten auf der Ebene des Pflegemanagements, die die Qualifikation der Studierenden erkennen und die Weiterbildung fördern. Neben den personellen Ressourcen benötigt die praktische Ausbildung außerdem Zeit und Raum, die zur Verfügung zu stellen sind. „Geleitete Praxis“ im Sinne von Tutorien wird dringend für die Verknüpfung und Integration der Studierenden mit den unterschiedlichen Akteuren in Einrichtungen benötigt.

Die hohe Bedeutung hochschulisch qualifizierter Pflegefachpersonen sollte in Stationsleitungs- und Teamsitzungen regelmäßig Thema sein. Informationen über die Studiengänge, Ergebnisse aktueller Untersuchungen und derzeitige Forschungsentwicklungen können in diesem Zusammenhang kommuniziert und diskutiert werden. Nur so wird eine Kultur in der Pflege sowie professionsübergreifend geschaffen, die neuem Wissen gegenüber offen ist. Um dieses Ziel zu unterstützen, sollten Hochschulen möglichst eine Weiterbildung für Tutoren einrichten.

[1] Cassier-Woidasky A. Pflegequalität durch Professionsentwicklung: Eine qualitative Studie zum Zusammenhang von professioneller Identität, Pflegequalität und Patientenorientierung. Frankfurt: Mabuse-Verlag Wissenschaft; 2007

[2] Heitmann D, Reuter C. Pflegestudiengänge in Deutschland. Eine Übersicht. Pflege Zeitschrift 2019; 72 (8): 59–61

[3] Deutscher Pflegerat e. V., Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft e. V. Arbeitsfelder akademisch ausgebildeter Pflegefachpersonen; 2014

[4] Verband der Pflegedirektorinnen und -direktoren der Uniklinika (VPU) in NRW. Einsatz akademisch ausgebildeter Pflegefachpersonen in der Praxis; 2015

[5] Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft e. V., Deutscher Pflegerat e. V. Gemeinsames Statement. Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft und Deutscher Pflegerat zur Situation der primärqualifizierenden Pflegestudiengänge an den deutschen Hochschulen. Berlin; März 2021

[6] Darmann-Finck I, Reuschenbach B. Akademisierung in der Pflege – Weg aus der Angebotsmisiere. Gesundheits- und Sozialpolitik 2019; 73 (4–5): 78–83

[7] Bohrer A. „Ach, Du bist so ein Bachelor! Anleitung von Studierenden in der Berufspraxis. In: Brinker-Meyendriesch E, Arens F. (Hrsg.): Diskurs Berufspädagogik Pflege und Gesundheit. Wissen und Wirklichkeiten zu Handlungsfeldern und Themenbereichen. Berlin: wvb; 2016: 210–232

[8] Jakob N, Kaiser A, Schell H. Praxislernen im Pflegestudium. Teil 1: Professionalisierung in der Pflegepraxis: Anleitung von Studierenden – Erste innovative Schritte. PADUA 2019; 14 (1): 29–34

[9] Bienstein C, Jong de A. Fortbildung zum Tutor/zur Tutorin. Modulreader. Skript herausgegeben durch die Autorinnen im Rahmen der Weiterbildung 2019. Universität Witten/Her­decke: Wittener Pflege Tutorium; 2015

[10] Reuschenbach B, Latteck ÄD, Helmbold A, Nick C. Qualitätskriterien für hochschulisches Praxislernen – Ergebnisse des Forschungsprojektes QUAHOPP. Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft, Dekanekonferenz Pflegewissenschaft, Josef und Luise Kraft Stiftung (Hrsg.); 2020

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