• 26.01.2024
  • Bildung
Hochschulische Pflegeausbildung

Den Berufsstart erleichtern

Über das vom Bundesinstitut für Berufsbildung beauftragte Projekt "Hochschulische Pflegeausbildung und Berufseinstieg (HPABE)".

Die Schwester Der Pfleger

Ausgabe 2/2024

Seite 68

Das vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) beauftragte Projekt „Hochschulische Pflegeausbildung und Berufseinstieg (HPABE)“ hat zum Ziel, Einrichtungen beim Einsatz hochschulisch qualifizierter Pflegefachpersonen zu unterstützen. 

Die mit dem Inkrafttreten des Pflegeberufe­gesetzes (PflBG) regelhaft angebotenen primärqualifizierenden Pflegestudiengänge zielen darauf ab, den Anteil von hochschulisch qua­lifizierten Pflegefachpersonen (HQP) in der Praxis zu erhöhen. 2012 empfahl der Wissenschaftsrat, 10 bis 20 Prozent eines Aus­bildungsjahrgangs künftig akademisch zu qualifizieren [1].

Mehr als zehn Jahre später ist diese Quote längst nicht erreicht. So zeigte eine wissenschaftliche Untersuchung zur Einbindung von Pflegefachpersonen mit Hochschulabschlüssen an deutschen Universitätskliniken, dass der Anteil im Jahr 2021 bei lediglich 2,1 Prozent lag [2]. Hinzu kommt, dass Konzepte zur Einbindung von HQP in die Versorgungseinrichtungen häufig noch fehlen [1].

Dies verdeutlicht die dringende Notwendigkeit einer praxisorientierten Unterstützung der beteiligten Akteure, um attraktive Arbeitsbedingungen für HQP zu schaffen – sowohl in den Praxiseinrichtungen als auch in den Hochschulen.

HQP gut einbinden

Das Projekt „Hochschulische Pflegeausbildung und Berufseinstieg (HPABE)“ beschäftigte sich daher mit der Identifikation von Faktoren, die den Berufseinstieg und den Praxisverbleib von HQP hemmen, aber auch fördern. Das Projekt wurde vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Auftrag gegeben und von November 2021 bis Oktober 2023 unter der Leitung des Forschungsinstituts Betriebliche Bildung gGmbH (f-bb) (Kristin Hecker) gemeinsam mit der Uni Bremen Campus GmbH (Prof. Dr. Ingrid Darmann-Finck) und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Prof. Dr. Patrick Jahn) durchgeführt. Gemeinsam mit den relevanten Interessengruppen – darunter Studiengangsabsolventen, Pflegemanager, Praxisanleiter und Akteure der Hochschullehre – wurden zunächst vier übergeordnete Themenfelder herausgearbeitet, die als Voraussetzung für eine gelingende Implementierung der HQP fungieren:

  • Akzeptanz für HQP in den Einrichtungen fördern, zum Beispiel zwischen beruflich und hochschulisch qualifizierten Pflegefachpersonen
  • Orientierung und Struktur aufbauen, die HQP in den beruflichen Alltag integrieren
  • Unterstützung und Begleitung für HQP bereitstellen, zum Beispiel zur Erleichterung des Berufsstarts der HQP
  • Anreize für HQP schaffen, um sie nachhaltig ins Versorgungsnetzwerk zu integrieren

Um diese Grundvoraussetzungen zu erreichen, wurde ein Implementierungskonzept ent­wickelt, das Versorgungseinrichtungen praxisorientierte Maßnahmen zur Unterstützung des Berufseinstiegs und der Beschäftigung von HQP bereitstellt.

Die Erkenntnisse gruppieren sich entlang von sechs Handlungsfeldern. Jedes Handlungsfeld ist dabei so aufgebaut, dass seine Bedeutung, mögliche Maßnahmen und prak­tische Umsetzungsmöglichkeiten dargestellt werden. Das Implementierungskonzept verweist beispielsweise auf die Notwendigkeit eines Orientierungsrahmens, in dem für die Einbindung von HQP erforderliche Bedingungen und Strukturen festgelegt werden. Dabei kann sich ein solcher Prozess an den PDCA-Zyklus (Plan, Do, Check, Act) anlehnen (Abb. 1).

Gestaltung von praktischen Studienphasen. Der Abstimmung von hochschulischen und prak­tischen Studienphasen kommt eine große Bedeutung zu: Wenn HQP reibungslos im beruflichen Alltag ankommen sollen, braucht es bereits während des primärqualifizierenden Studiums eine gute Kooperation zwischen den Hochschulen und den Praxiseinrichtungen. Zielformulierungen aus Modulhandbüchern können zum Beispiel manchmal recht abstrakt sein und müssen daher gegebenenfalls in Austauschprozessen konkretisiert werden.

Die Projektergebnisse zeigen, dass die Benennung fester Ansprechpersonen in den Einrichtungen und Hochschulen eine zentrale Rolle spielt. Diese übernehmen eine wichtige Scharnierfunktion und können zum Beispiel an der Entwicklung und Abstimmung von Praxisaufträgen mitwirken, gemeinsame Lehrveranstaltungen organisieren oder regelmäßige Austauschtreffen planen.

Strukturen und Rahmenbedingungen für HQP. Es ist eine große Herausforderung, HQP in ein multiprofessionelles Arbeitsumfeld zu integrieren. Hieraus ergeben sich auch auf Or­ganisationsebene nötige Veränderungen, die den Pflegeeinrichtungen einiges abverlangen. So können sich Entscheidungsstrukturen oder Zuständigkeiten ändern, aber auch neue Arbeitsplatzausstattungen nötig werden. Größere Veränderungsprozesse wie diese sollten möglichst durch festgelegte Strukturen und Prozesse standardisiert und in Form von Organigrammen, Tätigkeitsbeschreibungen und Dienstplänen fixiert werden. Hierfür ist eine kontinuierliche Begleitung aller Mitarbeitenden notwendig, zusammen mit einer offenen Kommunikation. Die Führungs- und Managementebene muss den Veränderungsprozess angemessen und transparent moderieren. Auch muss sie Fachverantwortungen fest­legen. Im Implementierungskonzept wird daher beispielsweise empfohlen, einen Orientierungsrahmen zu entwickeln sowie Workshops mit allen Funktionsebenen anzubieten. Beide Maßnahmen können dabei helfen, Beschäftigte von Anfang an mitzunehmen und damit nicht nur Transparenz herzustellen, sondern auch Akzeptanz zu fördern.

Aufgaben- und Tätigkeitsprofile. Noch immer herrscht viel Unklarheit in Bezug auf die Kompetenz- und Einsatzfelder von HQP: Was unterscheidet die Aufgaben der HQP von denen der beruflich qualifizierten Pflegefachper­sonen? Das Implementierungskonzept beinhaltet eine Aufstellung von zehn möglichen, konkreten Aufgabenfeldern, welche die Absolventen nach einer angemessenen Einarbeitungsphase übernehmen können. Fünf betreffen die direkte und fünf die indirekte Pflege [3]. Aufgabenbereiche der direkten Pflege (Tätigkeiten unmittelbar an und mit zu pflegenden Menschen) fokussieren „hochkomplexe Pflegesituationen“, die sich in der Regel der unmittelbaren Anwendung routinierter und vorhersehbarer Prozesse entziehen. Daher erfordern diese die spezifischen Fähigkeiten der HQP, wissenschaftsbasiert zu arbeiten und neue Problemlösungen zu entwickeln, in besonderer Weise.

Hochkomplexe Pflege­situationen weisen folgende Merkmale auf: „mehrere pflegerische und medizinische Diagnosen, zusätzlicher Einfluss psychosozialer Dimensionen, hochgradig iterative Verläufe, daraus resultierende Notwendigkeit von interprofessionellem Handeln“ [3]. Das Implementierungskonzept gibt eine Übersicht über die konkrete Bedeutung dieser Merkmale in ambulanten sowie stationären Akut- und Langzeitpflegeeinrichtungen, orientiert an den Ausführungen der Ausbildungsoffensive Pflege [4].

 

Projektwebsite HPABE

Das vollständige Implementierungskonzept kann auf der HPABE-Projektwebsite des Bundesinstituts für berufliche Bildung (BIBB) eingesehen werden:

Einarbeitungs- und Onboardingkonzepte. Eine akademische Qualifikation sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei HQP in aller Regel um Menschen handelt, die neu in den Beruf einsteigen. Eine konsequente Begleitung der Einstiegsphase in Beruf und Betrieb ist daher unabdingbar. Auch hier ist die zielführende Zusammenarbeit aller Beteiligten gefragt. Transparente Strukturen sowie klar definierte Vorgehensweisen können dabei helfen und sind ebenfalls wirksame Mittel, um die Mit­arbeiterbindung zu stärken.

Das Implementierungskonzept gibt Einblicke, welche Aspekte für einen solchen Prozess hilfreich sein können. Wie in allen Berufsgruppen braucht es festgelegte Ansprechpersonen, die sich konkreter Aufgaben im Rahmen der Einbindung und Vorstellung neuer Mitarbeitender annehmen. Darüber hinaus sollte der Leistungsgrad der Arbeitsaufgaben für HQP sukzessive gesteigert werden, um eine Überforderung zu vermeiden. Während für große Einrichtungen die Möglichkeit besteht, ausgefeilte Traineeprogramme zu entwickeln, gibt es auch niedrigschwellige Möglichkeiten: Ob als Tandem oder mit einem Mentor, HQP profitieren von der Bildung von Zweierteams.

Unterstützung bei der Rollenbildung und -weiterentwicklung. Da primärqualifizierende Studiengänge erst seit 2020 regelhaft angeboten werden, sind aktuell auch entsprechend wenige Vorbilder („Role Models“) verfügbar. HQP benötigen somit eine gezieltere und proaktive Unterstützung in der Entwicklung eines eigenen Berufsrollenbildes. Dieses wird idealerweise bereits im Studium veranlagt und schließlich im Arbeitsalltag gestärkt. Dabei wachsen HQP an und mit ihren Aufgaben.

Das Implementierungskonzept empfiehlt regelmäßige Austauschformate zwischen allen Beteiligten – innerhalb und außerhalb der eigenen Einrichtung. Das kann gemeinsame Supervisionen und/oder Reflexionsseminare mit Vorgesetzten beinhalten wie auch Treffen zwischen fertig ausgebildeten und im Studium befindlichen HQP oder den Aufbau von Alumni-Netzwerken. Auch Laufbahnmodelle können Entwicklungsmöglichkeiten für HQP transparent in den Einrichtungen aufzeigen. Dabei kann perspektivisch die fachliche Expertise der HQP gestärkt werden.

Autonomie, Gestaltungsräume und Perspek­tiven. Eine längerfristige Bindung an Betrieb und Beruf wird maßgeblich durch das An­gebot von Gestaltungsspielräumen begünstigt. Hier kann es insbesondere hilfreich sein, in­dividuelle Interessen zu fördern, was bereits im Studium durch das Führen von Sondierungsgesprächen mit den Studierenden ermöglicht wird. Um Gestaltungsräume anzubieten, ist ebenso eine spezifische Grundhaltung des Unternehmens von Bedeutung, die die Innova­tionskultur stärkt und fördert. So können zum Beispiel Mitarbeiter mit Innovationspreisen oder ähnlichen Anreizen motiviert werden, ihre Visionen proaktiv einzubringen.

[1] Wissenschaftsrat. Perspektiven für die Weiterentwicklung der Gesundheitsfachberufe. Wissenschaftliche Potenziale für die Gesundheitsversorgung erkennen und nutzen. Köln; 2023

[2] Bergjan M, Tannen A, Mai T et al. Einbindung von Pflegefachpersonen mit Hochschulabschlüssen an deutschen Universitätskliniken: ein Follow-up-Survey. Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen 2021; 163 (4): 47–56

[3] Darmann-Finck I, Hülsmann L, Nikolajev S. Aufgabenprofile für Pflegefachpersonen mit Bachelorabschluss in Deutschland. Das Gesundheitswesen 2023; doi.org/10.1055/a-2098–3357

[4] Arbeitsgruppe der Ausbildungsoffensive Pflege. Aufgabenprofile akademisch qualifizierter Pflegefachpersonen. Moderation Diakonie Deutschland; 2023. Im Internet: www.pflegeausbildung.net/fileadmin/de.altenpflegeausbildung/ content.de/user_upload/231010_Empfehlungen_AQP_final. pdf; Zugriff: 23.11.2023

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