• 25.04.2024
  • Bildung
Pflegeausbildung

Qualifizierte Leistungseinschätzung

Im Rahmen des Forschungsprojekts „HOPA – Hochschulische Praxisanleitung“ wird ein Instrument zur qualifizierten Leistungseinschätzung von Auszubildenden entwickelt.

Die Schwester Der Pfleger

Ausgabe 5/2024

Seite 70

Im Rahmen des Forschungsprojekts „HOPA – Hochschulische Praxisanleitung“ wird ein Instrument zur qualifizierten Leistungseinschätzung von Auszubildenden entwickelt.

Die qualifizierte Leistungseinschätzung ist ein Instrument zur Bewertung von Auszubildenden und gemäß § 6 Abs. 2 der Pflegeberufe-Ausbildungs- und -Prüfungsverordnung (PflAPrV) ein verbindlicher Bestandteil der Ausbildung. Somit ist jede Einrichtung verpflichtet, über den praktischen Einsatz eine Leistungseinschätzung zu erstellen, die dann die Grundlage für die Note der praktischen Ausbildung bildet. Wie eine Kompetenzbewertung im Rahmen der qualifizierten Leistungseinschätzung erfolgen soll, ist aber nicht näher definiert. Für die objektive und prozesshafte Bewertung von Kompetenzen sind bestimmte Aspe­­­­­­­­kte zu berücksichtigen (Textkasten).

 

Prozesshafte Kompetenzbewertung

Für die objektive und prozesshafte Bewertung von Kompetenzen sind folgende Aspekte zu berücksichtigen:

  • Kompetenzentwicklung. Die Auszubildenden beginnen als Anfängerin beziehungsweise Anfänger und lernen im Lauf der Ausbildung, komplexere Aufgaben zu übernehmen, um am Ende der Ausbildung über ein Fachkraftniveau zu verfügen. Die Bewertung muss diese Entwicklung abbilden.
  • Kompetenzmodelle. Kompetenzbewertungen sollten strukturiert und theoretisch geleitet sein. Es gibt Kompetenzbereiche und Kompetenzschwerpunkte, die in den Anlagen der Pflegeberufe-Ausbildungs- und -Prüfungsverordnung (PflAPrV ) und des Pflegeberufegesetzes (PflBG) definiert sind, sowie theore­tische Kompetenz- und Lernentwicklungsmodelle, die der Bewertung und idealerweise auch der Abschlussprüfung zugrunde liegen sollten.
  • Orte des Praxislernens. Auszubildende durchlaufen verschiedene Praxisphasen in unterschiedlichen Versorgungsbereichen. Die Anforderungen und Lernmöglichkeiten dieser verschiedenen Bereiche müssen im Bewertungsinstrument abgebildet werden.
  • Relevanz für Auszubildende. Bewertungen sollten auch der Förderung der Lernentwicklung der Aus­- zu­bildenden dienen, aus deren Sicht daher nachvollziehbar und fair sein und Entwicklungsbedarfe für nachfolgende Praxisphasen aufnehmen.

Befragung von Pflegeschulen

Im Rahmen des vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) beauftragten und von der Katholischen Stiftungshochschule München durchgeführten Projekts „HOPA – Hochschulische Praxisanleitung“ wurde in einem Teilprojekt ein Instrument zur qualifizierten Leistungseinschätzung entwickelt. HOPA ist ein Verbundprojekt der Katholischen Stiftungshochschule München und der Univer­sität Bremen Campus GmbH. Ziel ist, eine empirisch und theoretisch fundierte hochschulische Weiterbildung zur qualifizierten Praxisanleitung und ein Bewertungsinstrument zur qualifizierten Leistungseinschätzung in der generalistischen Pflegeausbildung zu entwickeln.

Um dabei die Expertise und Erfahrungen der Praxis einzubeziehen, wurden im vergangenen Jahr Pflegeschulen und Praxiseinrichtungen bundesweit befragt. Pflegeschulen wurden einbezogen, weil diese meist am Entwicklungsprozess beteiligt sind. Ziel war es, die Anforderungen aus deren Sicht zu erheben und die bereits genutzten Instrumente zu analysieren. In die Auswertung konnten die Rückmeldungen von 238 Schulen und 58 Bewertungsinstrumente und -dokumente einbezogen werden.

Im Fokus der Befragung der Pflegeschulen standen die Bedarfe der bewertenden Praxisanleitenden. Den Befragten ist es wichtig, dass das Instrument anwenderfreundlich, gut verständlich und unkompliziert im Ausbildungsalltag ausfüllbar ist. Gleichzeitig besteht der Wunsch nach einer Einbindung der Kompetenzen der Anlagen zur PflAPrV und des Rahmenausbildungsplans der Fachkommis­sion nach § 53 PflBG. Bei einem Großteil der bisher in der Praxis verwendeten Instrumente ist dies bereits Grundlage der Kompetenzmessung. Das Spannungsfeld zwischen der Anwenderfreundlichkeit und der Einhaltung hoher Beurteilungsstandards führt zu einem Validitäts-Praktikabilitäts-Dilemma. Dieses Dilemma kann nur durch eine adaptive Gestaltung des Bewertungsinstrumentes gelöst werden – also durch eine individuelle Anpassung des Instruments an die Anforderungen des Einsatzfelds, an die Lernmöglichkeiten im Handlungsfeld und an die Kompetenzen der Bewertenden.

Die Antworten der Befragten legen nahe, dass die Bewertungsinstrumente gemeinsam mit Praxisanleitenden zu entwickeln und Praxisanleitende in der Anwendung zu schulen sind.

Herausforderung eines einheitlichen Instruments

Praxisanleitende sind häufig mit mehreren Instrumenten konfrontiert, da Auszubildende verschiedener Träger unterschiedliche Bewertungsinstrumente mitbringen. Dies führt zu einem erhöhten Einarbeitungsaufwand und zu Unsicherheiten in der Bewertung. Der Bedarf an einem einheitlichen Instrument zur qualifizierten Leistungseinschätzung ist daher groß.

Hinzu kommen die unterschiedlichen Regelungen der Bundesländer zur Notengebung. In § 6 Abs. 1 PflAPrV wird den Ländern die Möglichkeit eröffnet, Näheres zur Notengebung zu regeln. Das hat zur Folge, dass einige Bundesländer regeln, welche Personen zu beteiligen und welche Kompetenzen wann und in welcher Weise zu beurteilen sind. Auch die Frage, ob Noten oder Punkte vergeben oder praktische Prüfungen durchgeführt werden, ist nicht einheitlich. Je nach Regelung sind Bewertungen durch Noten oder ein Punkteschema gefordert. Beteiligte Personen sind Praxisanleitende und/oder Lehrende der Pflegeschule. Die verschiedenen Länderregelungen erschweren die Entwicklung und den Einsatz eines bundesweit einheitlichen Instruments zur qualifizierten Leistungseinschätzung.

Die Heterogenität der verschiedenen Lernorte spiegelt sich in unterschiedlichen Bedarfen für Kompetenzbewertung wider. Nicht immer können alle Kompetenzen gleichermaßen erworben und beurteilt werden. Prä- oder postoperative Versorgung findet in der Regel im Krankenhaus statt, Biografie- und Lebensweltorientierung ist hingegen ein Schwerpunkt der Langzeitpflege. Beides wird jedoch als allgemeine und zu erlernende Kompetenz in der PflAPrV definiert. Es ist eine Gratwanderung zwischen Einheitlichkeit und Individualisierbarkeit, um die Gegebenheiten der einzelnen Einsatzorte und Handlungs­felder abzubilden.

Eine objektive und nachvollziehbare Kom­petenzbewertung in der qualifizierten Leistungseinschätzung ist anspruchsvoll. Eine gute Umsetzung kann gelingen, wenn folgende Faktoren berücksichtigt werden:

  • Bewertungskompetenzen. Praxisanleitende brauchen für die anspruchsvolle Tätigkeit der Bewertung von Lernentwicklung entsprechende Bewertungskompetenzen.
  • Blick auf den Auszubildenden. Qualifizierte Leistungseinschätzung sollte Kompetenzentwicklung und Lernpotenziale der Auszubildenden im Blick haben, um eine hohe Ausbildungsqualität zu ermöglichen.
  • Klare Bewertungskriterien. Noten sollten möglichst objektiv und aufgrund nachvollziehbarer Kriterien vergeben werden.
  • Individualisierung. Die unterschiedlichen Bedarfe von Einrichtungen und Pflegesettings müssen in einem Instrument zur qualifizierten Leistungseinschätzung berücksichtigt werden.
  • Teil der Gesamtausbildung. Die qualifizierte Leistungseinschätzung ist eines von mehreren Instrumenten für die Praxisanleitung und ergänzt situative Einzelbewertungen und Entwicklungsgespräche.

Instrument liegt bald vor

Im Projekt HOPA wird ein Instrument zur qualifizierten Leistungseinschätzung erarbeitet, das zum einen die gesetzlichen Vorgaben und zum anderen die in der Vorerhebung benannten Bedarfe der Praxis berücksichtigt. Es werden für den Orientierungseinsatz, die beiden Pflichteinsätze sowie für die pädiatrische und psychiatrische Versorgung Bewertungsinstrumente entwickelt. In den Prozess werden Experten und Expertinnen aus Pflegeschulen und Praxis einbezogen, um ein handlungsorientiertes und anwenderfreundliches Instrument zu entwickeln, das möglichst in der Breite angewendet wird.

Das Instrument wird voraussichtlich im Sommer 2024 einsetzbar sein. Das finale Instrument wird – so ist es im Forschungsauftrag festgelegt – in der Reihe „Discussion Paper“ des BIBB veröffentlicht und voraussichtlich im Lauf des Sommers dieses Jahres unter www.bibb.de abrufbar sein. Die Zeitschrift Die Schwester | Der Pfleger wird zu gegebener Zeit über die Veröffentlichung informieren.

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