• 25.05.2023
  • Bildung
Forschungsprojekt

Patientensicht auf die Praxisanleitung

Die Schwester Der Pfleger

Ausgabe 6/2023

Seite 68

Ein Teilaspekt des Projekts HOPA (Hochschulische Praxis­anleitung) beschäftigt sich mit der Rolle der Patienten in der Praxisanleitung für Auszubildende in der Pflege. Der Beitrag untersucht die Perspektive der zu Pflegenden und was im Rahmen der Praxisanleitung zu beachten ist.

Die Praxisanleitung ist ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung künftiger Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner, um pflegerische Tätigkeiten zu erlernen und Kompetenzen zu überprüfen. Das Pflegeberufegesetz hat den Umfang der Praxisanleitung neu geregelt. Gleichzeitig lebt die Praxisanleitung von der Beteiligung der Pflegebedürftigen und deren Sicht auf die Praxisanleitung. Dieser Aspekt ist in einem personzentrierten Verständnis von Pflege zu beachten, damit Patientinnen und Patienten nicht zu „Versuchsobjekten“ und rechtliche und ethische Anforderungen erfüllt werden.

Internationale Studien zur Patientenperspektive auf die Praxisanleitung in der medizinischen Ausbildung zeigen, dass die Mehrheit der zu Pflegenden eine Beteiligung an der Praxisanleitung befürwortet. Dies gilt jedoch nicht für alle Personen und in allen Situationen. Bei Planung, Durchführung und Evaluation der Praxisanleitung sind einige Punkte zu beachten.

Im Rahmen des Projekts „HOPA – Hochschulische Praxisanleitung“ (Textkasten: Projekt „HOPA – Hochschulische Praxisanleitung“) im Auftrag des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) hat das Projektteam zunächst die internationale Literatur zur Sicht der zu Pflegenden ausgewertet. Hier zeigt sich: Es gibt viele Anregungen aus der Medizin, aber wenige Studien zur Rolle der Patienten in der Pflegeanleitung [1].

Projekt „HOPA – Hochschulische Praxisanleitung“

Im Projekt HOPA, einem Verbundprojekt der Katholischen Stiftungshochschule München und der Univer sität Bremen Campus GmbH, werden eine empirisch und theoretisch fundierte hochschulische Weiterbildung zur qualifizierten Praxisanleitung und validierte Instrumente zur Bewertung der Praxis - anleitung (inklusive qualifizierter Leistungseinschätzung) in der generalistischen Pflegeausbildung entwickelt. Die Bewertung der Praxisanleitung aus Sicht der Pflegebedürftigen ist ein Baustein des Projekts.

Personenzentrierung in der Praxisanleitung

Der Anspruch einer individuellen, bedarfs­gerechten und aktivierenden Versorgung ist Kennzeichen eines professionellen Pflegeverständnisses. Klassische Theorien und Modelle, wie die fördernde Prozesspflege nach Krohwinkel, die personzentrierte Gesprächsführung nach Rogers oder der personzentrierte Ansatz nach Kitwood betonen, wie wichtig es ist, die zu pflegenden Personen unmittelbar am Pflegeprozess zu beteiligen.

Auch der Experten­standard „Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz“ greift die personzentrierte Beziehungsgestaltung auf [2]. Die Umsetzung dieser Pflegemodelle kann mittels Pflegeorganisationsformen wie Bezugspflege oder Primary Nursing gelingen. Zentral ist dabei immer, dass der pflegebedürftige Mensch mit seinen Bedürfnissen und Wünschen im Mittelpunkt des Pflegeprozesses steht.

Eine personzentrierte Pflege, die den Betroffenen einbezieht, kann unter Berücksichtigung folgender Aspekte gelingen:

  • rechtzeitige und ausreichende Information über geplante Pflegemaßnahmen,
  • Zustimmung der zu pflegenden Person zu den geplanten Maßnahmen,
  • Beteiligung der zu pflegenden Person an Entscheidungen,
  • situative Berücksichtigung der Bedürfnisse der zu pflegenden Person,
  • Beteiligung der zu pflegenden Person bei der Erstellung der Pflegeplanung,
  • gemeinsame Bestimmung von Pflege­zielen, denn Patientenziele sind oft keine Pflegeziele und umgekehrt,
  • Einholen von Rückmeldung nach der Versorgung, um die vorgenommenen Maßnahmen zu evaluieren.

Die Beteiligung der zu Pflegenden in jedem Schritt des Pflegeprozesses und die Berücksichtigung von deren Sichtweise sollten auch in Anleitungssituationen (Textkasten: Praxis­anleitung in der generalistischen Pflegeausbildung) umgesetzt werden.

Praxisanleitung in der generalistischen Pflegeausbildung

  • integraler Bestandteil der praktischen Ausbildung
  • gesetzliche Verankerung in § 4 Pflegeberufe-Ausbildungs- und -Prüfungsverordnung (PflAPrV)
  • ngeplante und strukturierte Praxisanleitung: mindestens zehn Prozent der praktischen Ausbildungszeit während eines Einsatzes
  •  erfordert eine berufspädagogische Zusatzqualifikation im Umfang von mindestens 300 Stunden
  • jährliche Fortbildung(en) im Umfang von mindestens 24 Stunden

Informierte Zustimmung der Praxisanleitung

Vor der Teilnahme an einer Praxisanleitung müssen die zu Pflegenden ausreichend informiert sein, um eine Entscheidung für oder gegen die Teilnahme treffen zu können. Dazu gehört auch die Erläuterung der Rolle der Beteiligten, die nicht immer allen bewusst ist, die namentliche Vorstellung der beteiligten Personen und Angaben zu Zeitdauer und Ablauf. So lassen sich mögliche Ängste frühzeitig abbauen und Fragen klären.

Es hat sich gezeigt, dass schriftliche Informationen über Nutzen und Ablauf der Praxisanleitung sowie die erwartete Rolle der zu Pflegenden bei der Kommunikation hilfreich sind. Diese Informationen ermöglichen es, eine Entscheidung im Sinne der informierten Zustimmung zu treffen. Sowohl in der Planung als auch in der Situation selbst müssen die zu Pflegenden die Möglichkeit haben, die Teilnahme an der Anleitung jederzeit abzulehnen. Aufgrund der besonderen Abhängigkeit, in der sich die Personen befinden, ist sensibel anzufragen, ob die Personen teilnehmen möchten, und klarzustellen, dass ihnen keine Nachteile entstehen, wenn sie nicht teilnehmen. Es sollte eine Vereinbarung getroffen werden, wie die Personen während der laufenden Anleitung deutlich machen können, dass sie nicht mehr teilnehmen wollen, zum Beispiel durch ein Handzeichen oder mehrmaliges Nachfragen (Textkasten: Tipps für die Beteiligung von Patienten bei der Pflegeanleitung).

 

Tipps für die Beteiligung von Patienten bei der Pflegeanleitung

 
  • Informierte Zustimmung: Informieren Sie vorab über den Ablauf und die Ziele der Praxisanleitung. Denken Sie daran, das Einverständnis der zu Pflegenden beziehungsweise der Angehörigen oder gesetzlichen Vertretungen zur Teilnahme an der Praxisanleitung einzuholen.
  • Freiwilligkeit der Teilnahme: Weisen Sie aktiv darauf hin, dass die Teilnahme freiwillig ist und keine Nachteile entstehen, wenn die Personen die Teilnahme ablehnen.
  • Offenheit für einen Abbruch der Praxisanleitung: Klären Sie die Personen intensiv darüber auf, dass jederzeit ein Rückzug aus der freiwilligen Teilnahme möglich ist. Vereinbaren Sie ein Zeichen, mit dem die Personen kenntlich machen, dass sie nicht mehr beteiligt sein möchten.
  • Beteiligung fördern: Nutzen Sie das Wissen der zu Pflegenden für den Pflegeprozess, die Planung von Maßnahmen und die akti vierende Pflege. Reagieren Sie auf die situativen Bedürfnisse der zu pflegenden Personen.
  • Feedback einholen: Fragen Sie die Beteiligten, wie sie die Situation erleben. Bitten Sie die zu Pflegenden um Feedback zur Anleitungssituation, um sich selbst und die Praxisanleitung weiterzuentwickeln.

Die Gründe für die Teilnahme an der Praxisanleitung sind vielfältig. Vor allem in Einrichtungen der vollstationären Langzeitpflege oder im ambulanten Bereich gibt es Pflege­bedürftige, die sich gern für Anleitungs- und Prüfungssituationen zur Verfügung stellen. Die Motive dazu sind unterschiedlich: Einerseits wollen die zu Pflegenden einen Beitrag leisten, damit mehr Pflegende eine Praxisanleitung erhalten, andererseits ist die Praxisanleitung für die Patienten aber auch eine gelungene Abwechslung zur sonstigen Routine.

In der Langzeitpflege sind eine Planung und Vorbereitung der Praxis­anleitung leichter möglich als im Krankenhaus, in dem die zu Pflegenden kurzfristiger angefragt und informiert werden müssen. Eine Besonderheit stellt die Anleitung in der Kinderkrankenpflege dar. Dort ist oftmals das Einverständnis der Eltern einzuholen, die zudem in die Pflege einzubinden sind. Eine sorgfältige Aufklärung und eine offene Kommunikation mit Eltern und Kindern tragen dazu bei, Bedenken und Ängste im Vorfeld auszuräumen.

Im Feld der ambulanten Versorgung sind oft lange dyadische Beziehungen zwischen Pflegebedürftigen und Pflegenden entstanden. Die Hinzunahme eines Auszubildenden oder Studierenden kann daher Sorgen bereiten. In diesem Bereich ist besonders sensibel zu prüfen, ob eine Praxisanleitung erwünscht oder möglich ist.

Die Analyse von Interviews mit Pflegebedürftigen in den verschiedenen Versorgungsbereichen im Rahmen des Projekts HOPA haben die literaturbasierten Erkenntnisse bestätigt und ergänzt. Das Wissen um den Personalmangel und die Bedeutung des praktischen Lernens sind häufig genannte Gründe für die Bereitschaft, Auszubildende bei der Praxisanleitung und Prüfung zu unterstützen. Die Pflegebedürftigen in die Evaluation und Reflexion der Anleitungssituation einzubeziehen und nach dem persönlichen Erleben oder möglichen Verbesserungsvorschlägen zu fragen, kann auch ein Lerneffekt für die Auszubildenden/Studierenden sein.

Die Erkenntnisse des Projekts zur Rolle der Patienten in der Praxisanleitung sind ebenso auf die Prüfungssituation übertragbar. Derzeit wird eine Checkliste entwickelt, die vorab für die Planung von Anleitung und Prüfungssituation, aber auch zur Bewertung dienen kann.

[1] Lucas B, Wiegand S et al. Patientenmotivation zur Mit­wirkung in verschiedenen Unterrichts- und Lehrmodalitäten der medizinischen Aus- und Weiterbildung. Zentralblatt für Chirurgie 2020; 145 (5): 481–486

[2] Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (Hrsg.). Expertenstandard „Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz”; 2019

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