• 05.12.2018
  • Forschung
Gießener Sterbestudie 2017

Berufserfahrung wichtig für Betreuung Sterbender

Die Schwester Der Pfleger

Ausgabe 6/2018

Seite 89

Welchen Einfluss haben biografische Erfahrungen von Ärzten und Pflegenden auf den Umgang mit sterbenden Patienten? Darum geht es in der neuen Auflage der Untersuchungsreihe „Gießener Sterbestudie“.

Die Versorgung sterbender Patienten ist für Klinikmitarbeiter häufig sehr belastend. Die Gießener Sterbestudie 2017 fokussierte vor diesem Hintergrund auf den Einfluss biografischer Erfahrungen. In der Fragebogen-Erhebung ging es um folgende Aspekte: vorberufliche Erfahrungen, frühe berufliche Erfahrungen, prägende Faktoren, Belastungen, Entlastungen, Konsequenzen der Erfahrungen. Es wurden Gesundheits- und Krankenpfleger, Altenpfleger, Ärzte und Therapeuten im stationären und ambulanten Setting befragt. Im Krankenhaus erfolgte die Erhebung auf Allgemein-, Intensiv-, Palliativ- und onkologischen Stationen. Die Befragung fand vom 15. Januar bis 30. Juni 2017 statt. In die Auswertung gelangten 496 Personen aus 383 Einrichtungen.

Außerberufliche Erfahrungen sind bedeutsam

Nur die Hälfte der Befragten geben an, dass im Elternhaus eine Auseinandersetzung mit dem Thema „Tod und Sterben“ stattfand. Die erste Konfrontation mit einem Verstorbenen findet im Durchschnitt mit 13 Jahren statt. Über die Hälfte (53 %) bewertet diese Erfahrung rück­blickend als belastend.

Die ersten konkreten beruflichen Erfahrungen werden mehrheitlich in den ersten Monaten gesammelt. Viele Mitarbeiter fühlen sich nicht ausreichend vorbereitet. Der Berufsalltag wird als zentraler Motor der persönlichen Entwicklung gesehen, um adäquat mit sterbenden Patienten umzugehen. Außerberufliche Erfahrungen erweisen sich darüber hinaus als wichtig. Für einen großen Teil der Befragten ist die eigene Lerngeschichte außerhalb des beruflichen Antritts – in aller Regel durch Todeserfahrungen in der eigenen Familie und sozialem Umfeld – von größter Bedeutung.

Eigene Werte, Reflexion, Austausch mit Kollegen und Ablenkung durch Privatheit, Sport und Hobbys sind die besten Entlastungsstrategien. Die meisten Befragten sind sich darin einig, dass umfassende berufliche Erfahrung eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Betreuung Sterbender ist. Interessant ist der Befund, dass sich nur jeder Dritte gut vorstellen kann, dass ein Verwandter auf der eigenen Station verstirbt. Alle anderen haben mehr oder weniger starke Bedenken; jeder Vierte kann sich dies auf keinen Fall vorstellen.

Ärzte fühlen sich schlecht vorbereitet

Es sind die Ärzte, die die größten Defizite der Ausbildung beschreiben und die sich in den ersten beruflichen Konfrontationen am wenigsten auf diese vorbereitet beschreiben. Es bleibt zu hoffen, dass die in Deutschland seit 2009 existierende Veränderung der Approbationsordnung mittelfristig den jungen Medizinern bessere Möglichkeiten sichert.

Interessant ist, dass die Grenzen von durch Weiterbildung vermittelten Kompetenzen von den Medizinern am stärksten relativiert werden. Dies setzt sich auch dahingehend fort, dass außerberufliche Lebenserfahrungen als weniger bedeutsam bewertet werden. So bleibt zu hoffen, dass der Ausbildungsgegenstand „Betreuung Sterbender“ bereits während des Studiums als wichtiger Inhalt behandelt wird.

*

Autor

Weitere Artikel dieser Ausgabe

WEITERE FACHARTIKEL AUS DEN KATEGORIEN