• 25.05.2018
  • Management
Serie Rechtsfragen

Mensch mit Demenz verschwunden – wer haftet?

Die Schwester Der Pfleger

Ausgabe 6/2018

Seite 83

Frage: Im Pflegeheim, in dem ich arbeite, ist vor kurzem eine an Demenz erkrankte Bewohnerin verschwunden. Zum Glück wurde sie zwei Stunden später wohlbehalten von einer Passantin zurückgebracht. Meine Frage: Was wäre passiert, wenn diese Dame beispielsweise einen Unfall gehabt hätte? Könnten wir Pflegenden rechtlich dafür zur Verantwortung gezogen werden?

Nein, unabhängig davon, ob die Bewohnerin das Gelände mit oder ohne Kenntnis der Pflegekräfte verlassen hat, liegt hier keine Pflichtverletzung vor. Aus dem Heimvertrag ergibt sich weder ein Recht noch eine Pflicht zu einer ständigen lückenlosen Beobachtung. Auch sind die Pflegenden nicht verpflichtet, die Versicherte im Fall einer möglichen Eigengefährdung am Verlassen des Geländes zu hindern. So hat das Land- gericht Paderborn im Juni 2001 entschieden (Az.: 3 O 38/01). In diesem Fall war die Bewohnerin gehbehindert und litt zudem unter plötzlichen Schwindelanfällen, Beeinträchtigungen des Seh- und Hörvermögens sowie einer fortschreitenden Demenz.

Stationäre Pflege bedeutet nicht das Aufgeben des Selbstbestimmungsrechts des Menschen. Die Fürsorgepflicht des Alten- und Pflegeheims hat ihre Grenzen bei den Grundrechten der Bewohner: Menschenwürde, freie Gestaltung der Persönlichkeit. So ist es auch in § 2 Bundesheimgesetz und in gleichlautenden Landesvorschriften sowie in § 2 SGB XI als Gesetzesziele festgehalten.

Dieses Selbstbestimmungsrecht darf nicht eingeschränkt werden. Das Landgericht Paderborn hat klargestellt, dass selbst wenn die Pflegekräfte von dem geplanten Spaziergang gewusst hätten, sie die Entscheidung der Patientin respektieren mussten, den Weg allein oder – im konkreten Fall – in der von ihr gewählten Begleitung einer Bekannten zu unternehmen.

Aus dem Heimbetreuungsvertrag erwächst für den Betreuer zwar die Nebenpflicht, die Heimbewohner vor Schaden zu bewahren. Diese ist aber auf die in Pflegeheimen üblichen Maßnahmen begrenzt, die mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand realisierbar sind. Unmögliches kann vom Pflegeheim und den Mitarbeitern nicht abverlangt werden.

Darüber hinaus ist in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung des körperlichen und geistigen Zustands sowie der Würde des einzelnen Heimbewohners abzuwägen, welche seiner Sicherheit dienende Maßnahme als verhältnismäßig angesehen werden kann. Dabei sind auch therapeutische Zielvorstellungen zu beachten.

In der Betreuung von Menschen mit Demenz gilt folgender Grundsatz: loslassen, aber nicht alleine lassen. Der Demenzerkrankte braucht viel Ansprache, aber ganz bestimmt keine Überwachung. Hilfreich ist hier ein Merkblatt für die Mitarbeiter, aber auch für Angehörige, in dem steht, in welchen typischen Lebenslagen mit welchen Handlungsweisen der natürliche Wille des Bewohners am besten gewahrt wird (Hillebrandt, Pflege- und Krankenhausrecht 3/2002, S. 74 ff).

Haben Sie Fragen? Möchten Sie, dass Prof. Böhme Ihnen an dieser Stelle antwortet? Dann schreiben Sie an: info@boehme-igrp.de. Bitte haben Sie Verständnis, dass nicht alle Fragen beantwortet werden können und keine Einzelberatungen möglich sind.

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