Zum Thema digitales Ausräumen von Kotsteinen habe ich folgende Fragen: Ist digitales Ausräumen eine ärztliche Tätigkeit, die an die Pflegekraft delegiert werden kann? Muss für jeden Bewohner eine ärztliche Verordnung vorliegen oder reicht es, wenn der Arzt die Pflegeperson allgemein dazu ermächtigt, also einen sogenannten „Ausräum-Schein“ ausstellt? Kann eine Pflegedienstleitung jegliches Ausräumen verbieten?
Wenn der Stuhlgang nicht funktioniert, sind Pflege und Medizin gefordert. Eine Obstipation liegt vor, wenn der Patient eine erschwerte und weniger als dreimal wöchentliche Darmentleerung zu beklagen hat. Ein Fünftel der Bevölkerung ist davon betroffen. Bei ausbleibendem oder reduziertem Stuhlgang wird zuweilen auch von Konstipation gesprochen. Wenn der Stuhl sich so verhärtet, dass sich Kotsteine bilden, ist als Therapie ein digitales Ausräumen erforderlich.
Die Obstipation ist ein typischer Grenzfall zwischen Medizin und Pflege. Je fortgeschrittener der Verlauf ist, desto eher sollte sie aber in den ärztlichen und nicht pflegerischen Aufgabenbereich fallen. Das Verdauungssystem ist dann nämlich äußerst gestört und damit ist von einer Krankheit auszugehen, die in die ärztliche Kompetenz fällt. Das Entfernen von Kotsteinen ist darüber hinaus mit Risiken verbunden, die eine ärztliche Voruntersuchung unumgänglich machen.
Das digitale Ausräumen von Kotsteinen ist eine ärztliche Tätigkeit, die aber an eine geeignete Pflegefachkraft delegiert werden kann, wenn eine schriftliche ärztliche Verordnung vorliegt. Diese muss grundsätzlich patientenbezogen erfolgen. Ein „Ausräum-Schein“ im Sinne einer Bedarfsanordnung kommt bei qualifizierten Pflegefachkräften durchaus infrage. Dafür müssen aber die Grundsätze einer Bedarfsanordnung erfüllt sein. Das bedeutet, dass der Arzt einen Rahmen vorgeben muss, innerhalb dessen die qualifizierte Pflegefachkraft handeln darf. Es reicht nicht aus, wenn der Arzt der Pflegeperson lediglich erklärt, dass bei Bedarf ein digitales Ausräumen durchgeführt werden soll. Der Arzt muss den Patienten kennen, genauestens untersuchen und festlegen, unter welchen Kriterien ein digitales Ausräumen durchgeführt werden darf und wann der Arzt zu rufen ist. Die festgelegten Kriterien müssen für die Pflegefachkraft erkennbar sein.
Dann kann fehlerhaftes Ausräumen aber auch zu einer fahrlässigen Körperverletzung führen, weil ein erheblicher Teil der Verantwortung an die Pflegefachkraft übertragen wird und diese dann für eine Fehlbeurteilung anstelle des Arztes haftet.
Selbstverständlich kann die Betriebsleitung und/oder Pflegedienstleitung ein digitales Ausräumen durch Pflegefachkräfte verbieten. Der Vorgesetzte bestimmt bei einem Arbeitnehmer, was ausgeführt werden darf oder nicht. Das ist das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 der Gewerbeordnung.
Der Hausarzt hat gegenüber Pflegekräften aber keinerlei Weisungsrechte. Selbst im Krankenhaus bestimmt nicht der anordnende Arzt, sondern die Leitung der Gesundheitseinrichtung, was von Pflegenden ausgeführt werden darf und was nicht. Ohne Absprache mit der Betriebsleitung und/oder Pflegedienstleitung läuft also nichts. Nur Notfälle sind davon ausgenommen.
Entfernt eine Pflegefachkraft eigenmächtig Kotsteine, also ohne Rücksprache mit dem behandelnden Arzt, ist der Straftatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung erfüllt. Darüber hinaus ist der Straftatbestand der unerlaubten Heilkundeausübung nach § 5 des Heilpraktikergesetzes erfüllt, weil die Pflegefachkraft eigenmächtig in Diagnose oder Therapie eingreift.